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Kommentar

24h-Kolumne: Es ist nicht alles schlecht, aber auch nicht alles gut

Schwarzmaler auf der einen, Schönredner auf der anderen Seite: Beides tut nicht gut - Heiko Stritzke sorgt sich über eine zunehmende Polarisierung am Nürburgring

Nürburgring-Nordschleife am Abend

Nürburgring-Nordschleife am Abend

Mario Bartkowiak

Liebe Freunde von Sonnenbrand und Frostbeulen an einem Wochenende,

letztlich war es doch wieder eine Freude: Ein herrliches 24-Stunden-Rennen liegt hinter uns mit allem, was dazu gehört. Auch wenn es einem schon sehr leid tut, dass das Eifelwetter am Abbautag zuschlagen musste. Für Fans und Helfer alles andere als angenehm. Naja, wir Ringfans sind es ja gewohnt. Okay, vielleicht auf meiner Seite mittlerweile etwas weniger, da ich vor einigen Jahren das Zelt gegen einen warmen Platz im Medienzentrum getauscht habe.

Dennoch verlasse ich den Ring etwas besorgt, denn ich beobachte eine Polarisierung der Standpunkte, die dem bisher friedlichen Miteinander langsam gefährlich wird. Wenn ein Streckensprecher in aller Öffentlichkeit einen Journalisten eines anderen Mediums öffentlich der Fake News bezichtigt, dann ist klar, dass hier etwas im Argen liegt. Was mir Sorgen bereitet, ist, dass die Ring-Szene sich langsam aufsplittet in apokalyptische Schwarzmaler und unverbesserliche Schönredner.

Schwarzmalen hilft nicht weiter

Wenn man sich manche Foren oder Seiten im Internet ansieht, dann muss man das Gefühl bekommen, dass unser allseits geliebtes Rennen kurz vor dem Ende steht. Würden wir diesen Schwarzmalern alles glauben, dann hätten wir schon 2018 uns alle nicht mehr in der Eifel getroffen, die Rennstrecke wäre ein Privatparadies für die Reichen und Schönen und die Industrie dürfte einmal im Jahr für ein Schaulaufen drauf, dessen Ausgang bereits feststeht - natürlich ohne störende Privatteams. Nichts dergleichen ist geschehen.

 

Es ist gesund, bis zu einem bestimmten Punkt alles zu hinterfragen. Deutschland ist international so erfolgreich, weil wir ständig hinterfragen, was wir besser machen können. Die selbstkritische Einstellung hat uns den Wohlstand erst gesichert, Hunderte Kilometer auf uns zu nehmen, um jährlich für ein verlängertes Wochenende mal alle Fünfe gerade sein zu lassen und richtig motorsportlichen Spaß zu haben. Abermillionen von Menschen auf der Welt können davon nur träumen.

Aber es wird kontraproduktiv, wenn man anfängt, aus Prinzip alles schlechtzureden. Und gerade im Zeitalter der sozialen Medien scheint es eine Tendenz zu geben, immer radikaler zu werden. Wie kann man einfach mal so die Behauptung aufstellen, zehn Teams hätten ihre Nennung zurückgezogen, wenn sie schlicht nicht stimmt? Weniger als 140 Autos werden starten, war zu lesen, auf manchen Plattformen tauchte die Zahl 129 auf. Wohlgemerkt vor dem Rennen. Zur Erinnerung: 146 Autos haben das Rennen aufgenommen. Drei haben die Trainings nicht überstanden, ein Team hatte zurückgezogen.

Ja, es gab Ärger hinter den Kulissen. Aber es gibt auch genügend Leute in den Gremien, denen es nicht an Intelligenz und Feingefühl mangelt, eine Lösung zu finden, die für alle akzeptabel ist. Sei es das Tempolimit 2015 (sonst hätte monatelang gar kein Rennen mehr auf der Nordschleife stattgefunden!), die Handhabe der Reifenregeln (auch wenn diese 2017 zu früh eingeführt wurden), mit denen Einheitsreifen in der GT3-Klasse abgewendet wurden, oder jüngst die kurzfristige Schaffung der SP-Y für die Dörr-Lambos, die anderen Teams in der SP8 ein Dorn im Auge waren. Von allen möglichen Lösungen hat man meines Erachtens steht die am wenigsten schmerzhafte gefunden.

Warum also reden wir das Rennen schlecht, bevor es überhaupt gestartet wurde? Ich habe dieses Rennen auch geliebt, weil es von Sensationalismus in den Medien bislang immer verschont blieb. Doch mittlerweile versuchen sich selbsternannte "Nürburgring-Truther" darin, alles am Ring, was irgendwo in Richtung Fortschritt deutet, in ein schlechtes Licht zu rücken. Ein Beispiel: Die fortschreitende Kommerzialisierung des 24-Stunden-Rennens neben der Strecke.

 

#48 Mercedes-AMG Team Mann Filter Mercedes-AMG GT3: Christian Hohenadel, Indy Dontje, Maximilian Götz, Renger van der Zande
#48 Mercedes-AMG Team Mann Filter Mercedes-AMG GT3: Christian Hohenadel, Indy Dontje, Maximilian Götz, Renger van der Zande

Foto Andreas Beil

Da wird gegen ein neues Riesenrad gewettert, als wäre dies der Untergang des 24-Stunden-Rennens. Hat mal einer mal das Publikum gefragt? Ich finde das Riesenrad toll: Es bringt dem Fahrerlager ein schönes Flair, ganz ohne dass die sportliche Show darunter leiden würde. Man gewinnt den Eindruck, als bestünde das Netz nur aus Fans, die sich nach den Zeiten sehnen, als das Fahrerlager aus ein paar versprengten Zelten bestand und bei einem Regenguss wie am Sonntag zur Hälfte davongeschwommen wäre, sodass man die Trümmer irgendwo im Morast am Rande des Paddocks wieder hätte aufsammeln können.

Hätten wir heute gleich zwei Möglichkeiten, 24 Stunden ohne Unterbrechung das Rennen auf gleich zwei Kanälen zu verfolgen, wenn wir uns Investoren verschließen würden? Hätte das Rennen die Strahlkraft, die es heute hätte? Ich könnte wahrscheinlich nicht einmal diese Kolumne schreiben, weil das Rennen für unser Medium zu unwichtig wäre, wenn wir immer noch so fahren würden wie Mitte der 90er, als dieses Rennen schon einmal drohte, in der Bedeutungslosigkeit zu versinken. Mittlerweile steht es auf einer Stufe mit Le Mans. Wer hätte das vor 20 Jahren gedacht?

Wenn ihr die Romantik der alten Zeit erleben wollte, kommt zum Oldtimer Grand Prix oder schaut euch die RCN an. Da gibt es dann keine Hersteller-Showrooms, Werbebanden oder Riesenräder, die ja scheinbar so sehr stören, sondern den geliebten Grassroots-Motorsport. Man muss mit der Zeit gehen und im Falle des 24-Stunden-Rennens finde ich, dass man einen hervorragenden Kompromiss gefunden hat zwischen moderner Show und der Romantik der alten Zeit - vor allem auf den Zuschauerrängen und bei den klassischen "Schrauber-Teams".

Natürlich wird wieder auf der Zuschauerzahl rumgehackt werden. Ja, 210.000 werden geschönt sein, aber das ist die Zahl seit Jahren. Schließlich müssen Sponsoren überzeugt werden. Und nicht nur mein subjektiver Eindruck ist, dass es dieses Jahr tatsächlich voller war als im vergangenen. Das Rennen prosperiert, liebe Schwarzmaler, auch wenn ihr es nicht akzeptieren wollt.

Schönreden bringt auch nichts!

Auf der anderen Seite ist aber auch niemandem mit Schönfärberei geholfen. Im Zeitalter von PR-Floskeln ist es natürlich "in", alles und jeden positiv hervorzuheben. So ging keines meiner Interviews ohne den Satz "meine Teamkollegen sind fantastisch/haben den besten Job gemacht" ab. Aber mittlerweile hört man in jedem Stream, in jedem Interview mit einem Verantwortlichen oder liest in jedem Programmheft, wie toll und großartig doch diese ganze Veranstaltung ist.

 

Leute, Selbstbeweihräucherung haben nur Rennserien nötig, die sonst nicht beeindrucken können! Und das haben weder die VLN noch das 24-Stunden-Rennen nötig. Ich denke da an das unerträgliche Gehabe einer Serie mit drei Buchstaben in der Vergangenheit, die sich jahrelang als "beste Tourenwagenserie der Welt" bezeichnete und deren Vertreter nicht müde wurden, es immer und immer wieder herunterzubeten. "Das ist einfach nur fantastisch für diese Serie", gab es regelmäßig von einem Co-Kommentator im Fernsehen zu hören. Ganz zu schweigen von Interviews mit Sportchefs der beteiligten Hersteller.

Wisst ihr, wie das rüberkommt? Überheblich, selbstherrlich und auf unerträgliche Weise abstoßend. Mit ein Grund, warum ich es eingestellt habe, diese Serie zu verfolgen. Mittlerweile kämpft sie ums Überleben, der frische Wind mit dem neuen Chef kam womöglich zu spät. Übrigens: Die wirklich beste Tourenwagenserie der Welt fährt in Australien und hat es nicht nötig, das in jedem Interview zu betonen. Aber das nur am Rande.

Und nun fängt genau das auch noch bei VLN und 24-Stunden-Rennen an. Was haben wir Fans davon, wenn in jedem VLN-Stream und Interview mit wichtigen Personen angefangen wird, davon zu reden, wie toll doch alles hier ist und wie großartig die Gesamtsituation ist. Keine Sorge, gerade das Nürburgring-Publikum abseits der Schwarzmaler ist intelligent genug, selber zu sehen, was gut und schlecht ist. Da braucht es keinen Gebetsmühlen-Reminder von außen.

Es ist nicht alles gut, wenn das halbe VLN-Feld sich gegen ein Reglement ausspricht, das ab dem nächsten Lauf in Kraft tritt. Es ist nicht alles gut, wenn sich erst eine ILN gründen muss, weil zuvor in den Regulierungsbehörden Entscheidungen getroffen wurden, die nicht im Sinne der Teilnehmer waren. Und es ist schon gar nicht alles gut, wenn noch am Vormittag vor dem Start des 24-Stunden-Rennens die BoP-Kommission noch immer zusammensitzt, weil es nicht passt.

Sandbagging muss endlich aufhören

Wir hatten ein herrliches Qualifikationsrennen. Warum musste man dann hingehen und vor dem Rennen nochmal alles über den Haufen zu werfen (Glickenhaus)? Warum diskutieren wir jedes Jahr bis vor dem Start über Sandbagging? Liebe Hersteller, genau damit habt ihr es erst geschafft, dass am Ring eine Schwarzmaler-Industrie entstanden ist. Schreibt es euch auf die Fahnen: Mit euren Taget-Zeiten, Gemischmanipulationen und Set-up-Vergewaltigungen im Vorfeld des 24h-Rennens habt ihr es geschafft, dass wir ständig schlechte Stimmung wegen BoP-Diskussionen haben.

 

Es ist armselig, dass es vier Hersteller am Ring nicht schaffen, ein Kollektivgut hinzustellen: Wir fahren alle von Anfang an volle Pulle und liefern bei jedem VLN-Rennen eine tolle Show. Was ist daran so schwer? Dann kämen wir auch mit einer fairen BoP zum 24-Stunden-Rennen. Vor allem, weil es mittlerweile auch an euren Geldbeutel geht: Warum geben wir sechsstellige Summen dafür aus, um einen Amerikaner einzufliegen, der dann mit seinem Laptop noch genauer hinsieht, wer wo wieder an der Mapping-Schraube gedreht hat oder wer absichtlich mit zu hohen Reifendrücken fährt.

Insofern bin ich heilfroh, dass dieses Jahr die ehrlichste Marke gewonnen hat. Manthey Racing hält sich in der VLN nicht zurück. Das Ergebnis: Man kam bei der BoP am besten weg. Ich hoffe inständig, dass dies ein Zeichen für alle ist: Ehrlichkeit zahlt sich aus! Ihr bezahlt doch eure Vollprofis nicht dafür, Target-Zeiten zu erreichen. Übrigens: Es sind die klassischen Ring-Teams, die dieses Jahr das Rennen gemacht haben. Denkt vielleicht mal darüber nach, das (hoffentlich bald) gesparte BoP-Geld in ein Ganzjahres-Engagement in der VLN zu stecken. Die Reichweite dieser Rennserie ist höher als ihr denkt.

Genauso müssen sich die Regelmacher etwas einfallen lassen: Selbst wenn die Schwarzmaler mit ihren Sub-140-Zahlen Unrecht hatten: 146 Fahrzeuge waren das kleinste Feld seit ganz langer Zeit. Vielleicht wäre es an der Zeit, die drückende Last der Abgaben ein wenig zu reduzieren. Und Einheitsreifen in manchen Klassen, mit denen kaum jemand zufrieden ist, helfen auch nicht weiter. Nur mit einem Herz für die Kleinen werdet ihr den Charakter dieses Rennens erhalten, den wir alle lieben. Das muss nicht teuer sein: Ich denke da an eine Fahrer-/Teambörse auf der 24h-Seite.

Ich freue mich auf das nächste Jahr und hoffe, dass wir uns wieder miteinander über den Motorsport am Ring freuen können, statt uns gegenseitig weiter voneinander mit konträren Positionen zu entfernen.

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