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BoP-Macher 24h Nürburgring: Lassen uns nicht mehr verarschen

Sandbagging vor dem 24-Stunden-Rennen ist seit Jahren ein großes Thema am Nürburgring - BoP-Chef Norbert Kreyer erklärt, wie man das nun unterbindet

#8 Audi Sport Team WRT Audi R8 LMS: Rene Rast, Robin Frijns leads

Foto: Gruppe C GmbH

Spätestens seit Christian Menzels wütenden Äußerungen beim ersten VLN-Lauf 2018 ist das Thema "Sandbagging" wieder in aller Munde: Der Vorwurf, dass Hersteller ihre Fahrer anweisen, absichtlich zu langsam zu fahren, um eine bessere Einstufung zu erhalten, ist zwar so alt wie der Motorsport selbst, doch seit Einführung der Balance of Performance (BoP) hat es teilweise krude Ausmaße angenommen. Alles umsonst, versichert BoP-Chef Norbert Kreyer (unten in einem Archivbild aus 2004) im Gespräch mit 'Motorsport.com'.

Ein konkretes Beispiel lieferte BMW beim VLN-Saisonauftakt, der 64. Westfalenfahrt. Die M6 GT3 liefen völlig überfettet, was natürlich Leistung ohne Ende gekostet hat. "Wir haben danach in den Meetings eine klare Ansage gemacht und sie darauf hingewiesen, dass das sportlich nicht ganz fair ist", sagt der 66-jährige. Die Message war ganz klar: Austricksen könnt ihr uns nicht mehr - selbst wenn das Vergehen nicht sofort aus den Daten ausgelesen werden kann. Unsere Augen und Ohren sind überall im Fahrerlager und auf der Strecke.

Die Ansage hat gesessen - Der Rowe-BMW holte beim zweiten VLN-Lauf gleich den Gesamtsieg. Hat man die Problematik also endlich im Griff? Man hat jedenfalls bessere Waffen: BoP besteht längst nicht mehr aus subjektiven Einschätzungen eines Gremiums wie noch in der GT3-Anfangszeit. Die Methodik ist nach neun Jahren GT3-Sport auf der Nordschleife weitaus wissenschaftlicher: Es gibt Beschleunigungs- und Abtriebsfenster, die wahre Performance wird mühsam aus unzähligen Einzelrunden eines Fahrzeugs ermittelt.

 

Norbert Kreyer, Toyota
Norbert Kreyer, Toyota

Foto Toyota Racing

GT3 gläsern gemacht

Der frühere Toyota-Ingenieur hat mittlerweile eine ganze Expertenkommission um sich, die für die Ausbalancierung der GT3-Boliden zuständig ist. Jüngst wurde das Gremium um Scott Raymond verstärkt. Dieser wird beim BoP-Prozess noch einmal tiefer ins Detail gehen. Er bringt Erfahrung aus der IMSA SportsCar Championship mit und war bei der Implementierung der 2017er-LMP2-Regularien mit beteiligt.

Seine Waffe: Schwarz, quadratisch, unbestechlich: "Wir setzen Datalogger ein, die von den Teilnehmern nicht manipuliert werden können. Die gewonnen Daten gehen weit über die Sektoren- und Rundenzeiten hinaus und umfassen Dinge wie Positionsbestimmung per GPS, Geschwindigkeit und Beschleunigung sowie Motorenfunktions- und -leistungsdaten.“ Und noch mehr kommt hinzu: Seit der Saison 2018 werden Flügelstellung, Unterbodenkonfiguration und Anstellwinkel des Fahrzeugs gemessen. Weitere Stellschrauben, mit denen sich Performance verschleiern lässt, sind damit außer Kraft gesetzt. Bleibt eigentlich nur noch das Fahrwerk.

Die Kommission, die neben Kreyer und Raymond aus Experten von DMSB und ADAC Nordrhein besteht (Kreyer betont immer wieder, wie wichtig es ihm ist, dass die BoP eine Team- und keine Einzelleistung von ihm ist), hat einen der undankbarsten Jobs im ganzen Fahrerlager. Meistens ist irgendwer unzufrieden und zeigt mit dem Finger auf die BoP-Macher. Stimmt das Balancing, spricht niemand darüber.

 

#99 Rowe Racing BMW M6 GT3: Martin Tomczyk, Nicky Catsburg
#99 Rowe Racing BMW M6 GT3: Martin Tomczyk, Nicky Catsburg

Foto Gruppe C GmbH

Erfahrungswerte machen sich bezahlt

Und der Job ist alles andere als einfach, wie Kreyer erklärt: "Es ist nicht ganz einfach, Vorwürfe von Sandbagging am Nürburgring zu überprüfen. Auf einer kurzen Strecke nur mit schnellen Autos ist es wesentlich einfacher, nachzuverfolgen, ob da jemand absichtlich vom Gas geht. Hier haben wir aber ständig Autos, die überholt werden müssen. Wenn einer im Weg steht, muss abrupt abgebremst werden. Da stehen wir jedes Mal vor der Frage: War das jetzt ein Überholmanöver oder ist das Sandbagging? Man kann es nur über mehrere Runden verfolgen, Sektoren übereinanderlegen und dann schauen."

Dabei waren es die Hersteller selbst, die darum gebeten haben, stärker kontrolliert zu werden. Sandbagging wurde in den seltensten Fällen durchgeführt, um selbst einen Vorteil zu bekommen. Meist war es einfach eine Abwehrreaktion, weil man glaubte, dass es die anderen auch tun. Mit den neuen Überwachungsmöglichkeiten tritt man dieser Atmosphäre des Misstrauens nun auf Wunsch aller Beteiligten entgegen.

Beim 24h-Qualifikationsrennen gab es dann auch einen packenden Kampf aller gesamtsiegfähiger Hersteller. Die schnellsten Runden lagen in einem Zeitfenster von weniger als 2,5 Sekunden. Die einen bescheinigen den BoP-Machern einen guten Job. Die anderen ätzen, dass das doch nur dafür spreche, dass die Hersteller ihren Fahrern Sollzeiten vorgeben. Kreyer ist sich sicher: "Beim Qualifikationsrennen wurden bereits Zeiten gefahren, die rund acht Minuten auf der VLN-Variante entsprechen. Da kann man nicht behaupten, dass noch viel gebremst wurde."

 

#5 Mercedes-AMG Team Black Falcon Mercedes-AMG GT3: Yelmer Buurman, Thomas Jäger, Jan Seyffarth
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Foto Gruppe C GmbH

Ein Vorteil der BoP-Macher: Die jetzige GT3-Generation fährt nun bereits mindestens ihr drittes 24-Stunden-Rennen. Erfahrungswerte sind also ausreichend vorhanden. Und so wurden auch nur geringfügige Anpassungen vorgenommen: "Der BMW fährt mit der gleichen Einstufung wie 2017, der Porsche mit einem geringfügig größeren Luftmengenbegrenzer. Wir reden da allenfalls von fünf PS. Der fuhr schon fast die gesamte letzte VLN-Saison so." Sportlichkeit wird sogar belohnt: "Bei Porsche wissen wir genau, was sie können", lobt Kreyer. So mancher Fahrer anderer Fabrikate findet Porsche am Ring zu gut eingestuft.

Auf dem Weg zum "Einheits"-GT3?

"Beim Mercedes mussten wir etwas tun", sagt er weiter. Hintergrund: Auf der Nürburgring-Nordschleife sind die Überholmöglichkeiten extrem begrenzt. Es geht nur auf der Döttinger Höhe. Da die VLN-Läufe, bei denen dieselbe BoP zum Einsatz kommt, mittlerweile reine Sprintrennen sind, versuchen die BoP-Macher, die Unterschiede der GT3-Fahrzeuge auszubügeln. Alle sollen auf der Döttinger Höhe, wo man überholen kann, gleich schnell sein.

So mancher Fan ist unglücklich darüber, dass es damit kaum noch Autos mit unterschiedlichen Charakteren gibt. Zwar ist es erst zehn Jahre her, dass das "Turbinchen" von Jürgen Alzen zuletzt ein 24-Stunden-Rennen bestritt, doch es mutet mittlerweile wie eine völlig andere Zeit an. Doch seit es selbst beim 24-Stunden-Rennen um Sekunden geht, bleibt der Balance-of-Performance-Kommission keine andere Wahl: Im Sinne des fairen Wettbewerbs müssen alle Fahrzeuge auf der langen Geraden gleichschnell sein.

Das heißt also: Der Mercedes bekam einen größeren Restriktor und musste dafür Gewicht einladen. "Beim Audi haben wir denselben Schnitt in die andere Richtung gemacht, weil er auf der Döttinger Höhe zu schnell war", sagt Kreyer. "Da haben wir Leistung und Gewicht rausgenommen." Damit sollten auch Geschichten der Vergangenheit angehören, bei denen Fahrer einer Marke denen des anderen Herstellers schon einmal den Mittelfinger auf der Döttinger Höhe gezeigt haben.

 

#705 Scuderia Cameron Glickenhaus Manifattura Automobili Torino SCG003c: Thomas Mutsch, Franck Mailleux, Andreas Simonsen, Jeff Westphal
#705 Scuderia Cameron Glickenhaus Manifattura Automobili Torino SCG003c: Thomas Mutsch, Franck Mailleux, Andreas Simonsen, Jeff Westphal

Foto Gruppe C GmbH

Letztendlich wird das ganze BoP-Thema natürlich von den Reifen überlagert. "Deswegen ist unsere schöne Balance vergangenes Jahr beim 24-Stunden-Rennen auch so in die Hose gegangen. Der DMSB musste ja unbedingt sein Reifenreglement durchsetzen. Da hat man nicht damit gerechnet, dass Michelin solche Probleme bekommt… Dieses Jahr sieht es wieder ganz anders aus, weil die Reifen wieder passen."

Trotzdem wird die Problematik des Sandbaggings wohl nie ganz aus der Welt zu schaffen sein. In der SP10, der GT4-Klasse, in der ebenfalls eine BoP zum Einsatz kommt, hat sich gerade erst ein Aston Martin aus Protest gegen die Einstufung zurückgezogen. "Das Problem im Motorsport ist, dass der Ansporn, Leistungsfähigkeit zu verstecken, größer ist als der, Leistungsfähigkeit offenzulegen", sagt Scott Raymond. "Letztlich ist die Tiefstapelei ein Teil des Motorsports." Und, wie eingangs erwähnt, so alt wie dieser selbst.

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