Goldenes Jubiläum 24h Nürburgring: 50 Mal Vollgas
In diesem Jahr findet das 24-Stunden-Rennen auf dem Nürburgring zum 50. Mal statt - Aus einem kleinen Rennen wurde im Laufe der Jahre ein Zuschauermagnet
Ein international beachtetes Motorsporthighlight mit über 100.000 Fans an der Strecke und einem Millionenpublikum vor dem Fernsehen oder dem Internet-Stream weltweit: Das war dem 24-Stunden-Rennen auf dem Nürburgring wahrlich nicht in die Wiege gelegt. Vielmehr würde man das, wozu der MSC Langenfeld ab Mitte der 1960er-Jahre einlud, heutzutage wohl eher als "Clubsport" bezeichnen.
Wie sich diese zeittypische Mischung aus Rallye und Gleichmäßigkeitsprüfung zu einem international bestückten Top-Event entwickelte, das ist eine interessante Geschichte, die gleichermaßen gespickt ist mit Anekdoten und mit Heldengeschichten - hier ein historischer Streifzug anlässlich des diesjährigen Jubiläums.
Die Vorgeschichte der 24h schrieb der MSC Langenfeld ab Mitte der 60er mit seinen Langstreckenprüfungen auf der Nordschleife. Aus ihnen wurden ab 1967 die "24 Stunden Nürburgring", bei denen 1969 bereits der ADAC Nordrhein als offizieller Veranstalter auftrat. Was zunächst noch als Gleichmäßigkeitsprüfung ausgeschrieben war, wurde ab 1970 endlich zum waschechten Rennen.
Neben den großen internationalen 24-Stunden-Klassikern hatte endlich auch der Nürburgring etwas Vergleichbares zu bieten - nur konzipiert für Amateure. "Anfangs ging es fast gemütlich und familiär zu", erinnert sich Zeitzeuge Kurt Bernards, der als Mitglied des MSC Langenfeld mit anpackte. "Unser Vorsitzender Otto Paul Rutat war in diesen ersten Jahren bis zur Ölkrise als Rennleiter aktiv, während der ADAC als offizieller Veranstalter das wirtschaftliche Risiko mit abfederte."
Ein junger "Strietzel" Stuck gewinnt die erste Ausgabe
Wobei das "Amateur"-Thema schon von Beginn nicht durchgängig gilt - an der Spitze des Feldes tobten schon damals werksunterstützte Fahrzeuge, so auch bei der Premiere 1970, die der gerade 19-jährige Hans-Joachim Stuck gemeinsam mit Clemens Schickentanz im Koepchen-BMW 2002 ti gewinnt. "Das Umfeld für die Fahrer und Teams war natürlich völlig anders", erinnert sich "Strietzel" heute.
"Man hockte in den alten Boxen auf Klappstühlen und trank Unmengen Cola. Physiotherapeuten und Rückzugmöglichkeiten in Motorhomes gab es nicht. Dafür hatte das Event aber viel Charme und Flair." Zuschauer gab es dennoch reichlich. An "bestimmt schon 50.000 Leute", erinnert sich Stuck, und Organisator Kurt Bernards weiß: "da fuhren nachts die Autos im Renntempo über die Nordschleife, das fanden die Leute natürlich spannend."
Statt mit Hightech-Boliden gingen auch die Topfahrer damals mit rustikaler Serientechnik auf die Strecke. Stuck blickt zurück: "Der Aufwand damals war anders. Das Auto kam auf eigenen Rädern zur Strecke, Anhänger und Lkws gab es nicht. Dann wurden die Stoßstangen losgeschraubt, die so genannten Rennreifen aufgezogen, Lampen vorne abkleben, Beifahrersitz und Rückbank raus - und dann wurde losgefahren."
Schnelle Werkspiloten, visionäre Privatiers
Aber es wurde auch viel geboten. Auf der Strecke der Kampf der BMW und der werksunterstützten Ford Capri, 1973 gab sich erstmals ein Porsche die Ehre und wurde Neunter. Ein "Lunapark" genannter Rummelplatz an Start und Ziel, Showprogramm, Tanz zur Musik des RTL-DJ: an tollen Ideen mangelt es nicht.
1976 siegte erstmals ein Porsche beim 24h-Rennen Foto: Herbert Hechler
"Es ging nicht um so viel Geld - das hätten wir ohnehin nicht gehabt", erzählt Ex-Rennfahrer Hartmut Bauer aus dieser Zeit. 15 Mal trat er zwischen 1970 und 1991 an und erlebte vor allem Motorsport pur: "Die meisten starteten als Idealisten. Das Nenngeld betrug 200 Mark, als Gesamtbudget reichten 3000 bis 5000 DM, die man sich zu Dritt teilte - das war auch für einen Normalverdiener machbar. Die Romantik verschwand mit der zunehmenden Professionalisierung und als die Werke kamen."
Dass gerade Idealisten zuweilen visionäre Ideen haben, bewies 1978 ein Team von VW-Privatiers, das einen VW Golf mit Dieselmotor einsetzte. Dank niedrigen Verbrauchs und extremer Zuverlässigkeit wurde es 33. von 113 Teilnehmern. "Langstreckenrennen sind ein lohnendes Einsatzgebiet für Dieselfahrzeuge", so Teamchef Horst von Gundlach hinterher. "Dem sollten Veranstalter und Bewerber in Zukunft Rechnung tragen."
"König" Ludwig schlug den Formel-1-Weltmeister
Die nächste Unterbrechung der Chronologie gibt es 1983, als der Start-und-Ziel-Bereich umgebaut wird. Doch zum Abschied von der "alten" Südschleife und der historischen Boxenanlage geben sich Prominente die Klinke in die Hand. Sogar der frisch gebackene Formel-1-Weltmeister Keke Rosberg: "Ich habe sehr viele Erinnerungen an den Ring. Deshalb wollte ich unbedingt dieses letzte Rennen fahren - ob Weltmeister oder nicht."
Keke Rosberg und Ari Vatanen im Eichberg-Ford-Capri Foto: ADAC
DTM sorgte für Boomjahre
Die DTM-Fahrer und Fahrzeuge im Rahmenprogramm und im Rennen sorgen ab 1987 für einen weiteren Schub. 100.000 Zuschauer werden in diesem Jahr erstmals gezählt, und Emanuele Pirro, Roberto Ravaglia und Fabien Giroix sorgen für den ersten Schnitzer-Sieg - und den ersten von vier Triumphen des BMW M3 in Folge.
Die anschließenden Boomjahre sind auch im Teilnehmerfeld zu spüren: 1990 müssen 30 der insgesamt 250 Nennungen abgelehnt werden. Die BMW-Serie kann in diesen Jahren nur Konrad Motorsport mit dem Sieg auf Porsche Carrera 1993 brechen.
BMW-Siege dank Eifelblitz und Diesel-Power
BMW gewinnt auch weiter, als das Reglement die PS-stärksten Fahrzeuge ausbremst und auf seriennahe Technik setzt. Das kostet Zuschauer und Teilnehmer: 1996 sind gerade einmal 140 Fahrzeuge am Start, doch die Fans sehen den ersten von zwei Siegen von Johannes Scheid und Sabine Reck (später Schmitz) im "Eifelblitz"-BMW. Die erinnert sich später gerne zurück an die Zeit, als sie mit BMW-Vertrag in der Tasche auch international unterwegs war.
Sabine Schmitz gewann als bisher einizge Frau (zweimal) das 24h-Rennen Foto: BR-Foto
Viper: Vorsicht, bissig!
Die Trendwende gelinkt, als das Reglement liberalisiert wird und neue, attraktive Fahrzeuge anlockt. Der Teilnehmerzuwachs füllt auch die Zuschauerränge - und in diese Atmosphäre passt ein Fahrzeug wie kein zweites: Die Zakspeed-Viper. Marc Duez saß zuvor noch im Ausdauerwunder von BMW, ein Jahr später nimmer er im Über-Auto dieser Jahre Platz: "1998 war mein bedeutendster Erfolg bei den 24h: der erste Sieg eines Dieselautos bei einem FIA-Rennen", bilanzier der Belgier.
Die Zakspeed-Viper war einer der großen Fan-Lieblinge beim 24h-Rennen Foto: Alexander Trienitz
Überraschend können Bernd Mayländer, Uwe Alzen, Altfried Heger und Michael Bartels zwar im Phoenix-Porsche die Viper im Folgejahr niederringen, 2001 und 2002 beißt aber wieder die Schlange, die bis 2007 noch in der Spitzengruppe mitmischt. Doch die Konkurrenz wird immer schärfer und bringt einige der unvergessenen Boliden hervor, ab 2003 bis 2005 gewinnen Opel und Schnitzer-BMW.
Manthey und Schnitzer bestimmen das Geschehen
Die nächsten acht(!) Jahre gehören eigentlich nur zwei Teams: Manthey-Porsche und Schnitzer-BMW wechseln sich oben auf dem Siegertreppchen von 2004 bis 2011 ab und treiben sich zu immer neuen Höchstleistungen. Mit seinem Sieg als Teamchef gelingt Nürburgring-Legende Olaf Manthey 2006 endlich der erste Sieg, dem bis 2021 sechs weitere folgen. "2008 war es vielleicht am schönsten", erinnert er sich später.
2006 triumphierte zum ersten Mal ein Manthey-Porsche beim 24h-Rennen Foto: ADAC/Gruppe C
Selbst für den erfolgshungrigen (und -verwöhnten) des Freilassinger Rennstalls - mit ihm gewann Schnitzer in der Tourenwagen-EM und -WM, in der DTM und in Le Mans - haben diese Siege einen besonderen Stellenwert. "Wir sind auf jeden dieser Gesamtsiege mächtig stolz", sagte er später einmal. "Denn mit dem Formel-1-Grand-Prix, dem Lauf zur Rallye-WM und der DTM auf dem Norisring sind die 24h Nürburgring im deutschen Motorsportjahr etwas ganz Besonderes."
Die GT3 übernehmen das Kommando
Der nächste Phoenix-Coup gelingt 2012: Bei der 40. Auflage der 24h gewinnen die Eifler mit einem Audi R8 LMS ultra, von nun an gibt die GT3-Klasse bei den 24h den Ton an. Vor allem Audi, BMW, Mercedes-AMG und Porsche liefern sich beinharte und ultraspannende Duelle. Dazu kommen immer wieder vermeintliche "Exoten" vor allem von Ferrari, Lamborghini und Glickenhaus. 2014 fällt der Distanzrekord, 2015 die meisten je gezählten Führungswechsel (33), 2016 und 2017 gibt es unglaubliche Herzschlagfinals. Und ein Ende ist kaum abzusehen.
2022 wird endlich wahr, worauf die Organisatoren und Aktiven zwei Jahre lang gewartet haben: Endlich kehren die Zuschauer an die Strecke zurück und machen die 24h Nürburgring pünktlich zum Jubiläum wieder zu dem, wofür sie international berühmt sind: als größtes internationales Rennen auf der längsten, schönsten und spektakulärsten Rennstrecke der Welt!
Oder, um es in den Worten des Kölners zu sagen: "Manche Veranstaltungen haben ihren Charakter geändert, manche zu ihrer Zeit erfolgreiche Events finden heute nicht mehr statt. Im schnelllebigen Motorsport ist das der Lauf der Dinge. Aber ein Event haben wir dabei seit über 40 Jahren mit nahezu ununterbrochener Kontinuität durchführen können: das 24h-Rennen. Und darauf sind wir ganz schön stolz."
Mit Bildmaterial von ADAC.
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