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Heimlicher Paradigmenwechsel dank GT3: Der Fahrer ist König

Die GT3-Kategorie hat die Ingenieure vor ganz neue Herausforderungen gestellt - Warum die Hersteller mittlerweile den Fahrer in den Vordergrund rücken

Über Jahrzehnte galt im Motorsport eine Devise: Die Performance steht über allem. Alles andere hat sich unterzuordnen. Doch in den vergangenen Jahren hat sich - von der Öffentlichkeit größtenteils unbemerkt - ein bemerkenswerter Paradigmenwechsel vollzogen.

Über Jahrzehnte hinweg stand der Fahrer für die Ingenieure am untersten Ende der Nahrungskette. Performance und Reglementsbeschränkungen diktierten das Design des Fahrzeugs. Der Fahrer hatte das Auto zu fahren und zu nehmen, was man ihm vorsetzte. Seine Bedürfnisse standen an letzter Stelle.

Die legendären Geschichten von 70 Grad heißen Cockpits sind selbst heute noch nicht allzu alt. Doch spätestens seit Einführung der GT3-Kategorie rückt der Fahrer plötzlich ins Zentrum der Aufmerksamkeit der Hersteller. Mittlerweile wird dem Wohlbefinden der Piloten höchste Priorität zugesprochen.

Klimaanlagen, Helmbelüftungen, im neuen Porsche 911 GT3 R sogar Sitzkühlung: Den Fahrern stehen mehr Komfort-Features denn je zur Auswahl. Das fängt an bei der Cockpittemperatur und geht über verbesserte Ergonomie bis hin zum Fahrverhalten des Autos.

Was die BoP nicht kontrollieren kann, entscheidet

Diese Entwicklung vorangetrieben haben zweierlei Dinge: Zum einen der Kundensport-Charakter der GT3-Kategorie, die sich primär an Amateur-Fahrer richtet. Und zum anderen die Balance of Performance (BoP), die sämtliche Performance-Entwicklungen überflüssig macht.

Das System, das Autos verschiedenster Straßenwagen untereinander angleicht, deckt verschiedenste Parameter wie Beschleunigung, Abtrieb und Luftwiderstand ab - kurz: die gesamte Performance. Die spannende Frage ist, was die BoP nicht kontrollieren kann.

Die Balance of Performance gibt zum Beispiel nicht vor, in welchem Fenster die Fahrzeuge ihre Maximalperformance erreichen können. Je größer dieses ist, umso höher die Wahrscheinlichkeit, dass das Fahrzeug seine Maximal-Performance im Rennen auch tatsächlich abruft. Somit ist natürlich das Ziel, das optimale Arbeitsfenster des Autos so breit wie möglich zu gestalten, was zu mehr Fahrkomfort führt.

Die zweite Komponente, die die BoP nicht regelt, ist der Fahrer selbst. Aus diesem Grunde richtet sich nun für die Ingenieure die gesamte Aufmerksamkeit auf das Stück Fleisch im Fahrersitz.

Ziel: Frischer Fahrer in der Schlussstunde

War es früher nahezu egal, ob ein Fahrer am Ende eines 24-Stunden-Rennens nur noch 90 Prozent seiner Leistung erbringen konnte, ist es durch immer größeren Sprintcharakter der Rennen mittlerweile von entscheidender Bedeutung, dass der Fahrer auch in der letzten Stunde noch frisch ist wie in der ersten.

Matt Campbell

Nahezu alle GT3-Hersteller rücken mittlerweile den Fahrer in den Vordergrund

Foto: Alexander Trienitz

Beschleunigt wurde die Entwicklung durch die Tatsache, dass sich die GT3-Kategorie in erste Linie an Amateurfahrer richtet, die für die Teams und damit auch für die Motorsportabteilungen der Marken eine wahre Goldgrube geworden sind. Der Kunde ist König. Und weil Amateurfahrer konkurrenzfähiger werden, je wohler sie sich fühlen, umso wichtiger wird der Komfort.

Beide Entwicklungen befruchten sich gegenseitig. Was den Amateuren zugutekommt, hilft in einem langen Rennen auch den Profis. Die Porsche-Werksfahrer äußern sich sehr lobend über die Komfortfeatures des neuen Porsches wie die Sitzkühlung.

Natürlich steht auch das Fahrverhalten im Vordergrund. BMW, Audi und Porsche haben in den vergangenen beiden Jahren entweder Updates zu ihren Autos gebracht oder ein völlig neues Modell aufgelegt mit dem Ziel, das Fahrverhalten vorhersehbarer und weniger spitz zu machen.

Das erforderte ein Umdenken bei allen Beteiligten: Ingenieure, Aerodynamiker, Testfahrer. Stand im Motorsport bislang die Performance in einem vergleichsweise kleinen Fenster im Vordergrund, mussten nun völlig neue Herausforderungen gemeistert werden.

Vorhersehbares Fahrverhalten das große Ziel

Audi hat beim jüngsten Update des R8 LMS großen Wert darauf gelegt, das Übersteuern am Kurveneingang zu minimieren. Ein Problem, das BMW bereits beim Evo-Paket für den M6 im Jahre 2018 angegangen ist. Lamborghini verfolgte mit der Evo-Version des Huracans ähnliche Ziele.

Der Porsche war bislang eines der am kniffligsten zu fahrenden GT3-Fahrzeuge. Daher lag beim neuen Modell der Fokus darauf, das Fahrverhalten für Amateurfahrer angenehmer zu gestalten. Um auf den Randsteinen besser zu liegen, wurde sogar die Vorderachse von McPherson auf Doppelquerlenker umgestellt. Vom sanfteren Wegfedern profitieren wiederum auch die Profis in langen Rennen.

Porsche 911 GT3 R, Cockpit

Porsche-Cockpit: Die unterschiedlich gefärbten Schalter in der Mittelkonsole sind deutlich sichtbar

Foto: Porsche

Dazu passte man die Kennfelder des 4-Liter-Saugmotors an: Der Motor hat nun weniger Spitzenleistung, aber verfügt über ein angenehmeres Drehzahlband. So hat ein Rutsccher eines Amateurfahrer (oder auch Profis) nicht mehr ganz so große Auswirkungen. Gerade bei einem Saugmotor ist verlorene Drehzahl bislang tödlich für die Rundenzeit gewesen.

Das ist auch der Grund, warum das 2019er-Modell des Porsche 911 GT3 R einen größeren Luftmengenbegrenzer zugestanden bekommt als der alte, aber trotzdem dieselbe Spitzenleistung auf dem Prüfstand erbringt. (Zur Balance of Performance 24h Nürburgring 2019)

Die Schaltwelle des Sechsganggetriebes wird mittlerweile elektronisch angesteuert und nicht mehr pneumatisch wie in der Vergangenheit. Damit werden Verschalter unmöglich gemacht. Wenn in der Vergangenheit beispielsweise geschaltet wurde, als gerade minimal Wheelspin herrschte (etwa weil ein Randstein überfahren wurde und das Rad gerade leicht entlastet in der Luft hing), konnte es passieren, dass der Gang nicht eingelegt wurde und mancher Amateur einen Getriebeschaden befürchtete.

Das gehört nun der Vergangenheit an. Die elektronisch gesteuerte Schaltwalze kann die Drehzahl der Wellen besser zueinander anpassen. So gelingt der Schaltvorgang eigentlich immer und im Falle eines Falles wird der Amateurfahrer nicht verwirrt.

Farbenlehre bei Cockpitschaltern

Nur Mercedes-AMG hat bislang kein Update für den AMG GT3 veranschlagt, doch beim 24-Stunden-Rennen dieses Jahr wird ein neuer GT3-Bolide präsentiert.

AMG war auch maßgeblich beteiligt an einer Simplifizierung des Cockpits. Gerade zu Beginn der GT3-Zeit, als die immer komplizierteren Lenkräder der Rennwagen auch in diese Klasse Einzug hielten, ging man schon beim SLS AMG den genau umgekehrten Weg.

"Man hat uns damals ziemlich belächelt, als wir mit riesigen Tasten in der Mittelkonsole ankamen, die aussahen wie aus dem letzten Jahrhundert", erinnert sich Ex-DTM-Pilot Thomas Jäger im Gespräch mit 'Motorsport.com'. Er ist für den Kundensupport bei Mercedes-AMG Customer Racing verantwortlich.

Lucas Ordonez, Nick Yelloly

Gerade im Regen kommt ein vorhersehbares Fahrverhalten auch Profis entgegen

Foto: Alexander Trienitz

Doch das hat System: Denn große Tasten, die dazu noch farblich klar voneinander abgegrenzt sind, sorgen dafür, dass Fahrer sich weiter voll aufs Fahren konzentrieren können und nicht viel Aufmerksamkeit hinein investieren müssen, die richtige Taste zu treffen. Beim aktuellen AMG GT3 wurde das noch weiter fortgeführt.

Hierfür bediente man sich sogar der Farbenlehre und sorgt mit Kontrastfarben für deutlichste Abgrenzungen. "Früher waren einfach alle Knöpfe schwarz. Damals hat sich nie jemand darüber Gedanken gemacht", sagt Jäger. Heute gehört es zum Standard-Repertoire eines guten Kundensportprogramms, dass Knöpfe klar voneinander abgegrenzt sind und nicht versehentlich betätigt werden können.

Wie wichtig solche kleinen Details sein können, zeigte sich dieses Jahr bei den Stunden von Bathurst, als mit Andy Soucek sogar ein professioneller Fahrer versehentlich den Pitlimiter mit dem Not-Aus-Knopf verwechselte und seinem Team so einen möglichen Sieg kostete. Dass dies bei einem GT3 der neuesten Generation passiert ist, sollte Bentley zu denken geben.

Das 24-Stunden-Rennen auf dem Nürburgring wurde in den vergangenen drei Jahren jeweils in der letzten Stunde zum Teil in dramatischen Schlussphasen entschieden. Es ist wahrscheinlich, dass es auch dieses Jahr so sein wird. Das Rennen wird derjenige machen, der in der letzten Stunde das entscheidende Stück Feuerkraft hat. Und das hängt maßgeblich von der Frische des Fahrers ab.

Mit Bildmaterial von Mercedes-AMG.

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