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Deutschland

Wie ein DTM-"Versager" 2003 das 24-Stunden-Rennen Nürburgring gewann

Mit einem Hinterbänkler aus der DTM das 24-Stunden-Rennen auf dem Nürburgring gewinnen? Dieser verrückt klingende Plan von Opel ging im Jahr 2003 auf

Das 24-Stunden-Rennen auf dem Nürburgring gilt als ultimativer Härtetest für Rennfahrzeuge. Die Hatz zweimal rund um die Uhr auf der Nordschleife stellt höchste Anforderungen an die Zuverlässigkeit der Autos. Wer käme da auf die Idee, dort mit einem Auto anzutreten, welches für die 100 Kilometer langen Sprintrennen der DTM entwickelt wurde?

Und noch dazu mit einem Auto, das in der DTM seit zwei Jahren kein Rennen mehr gewonnen hatte und der Konkurrenz von Mercedes und Audi klar unterlegen war? Nun, Opel kam 2003 auf diese Idee - und sorgte damit bei den eigenen Piloten für hochgezogene Augenbraun.

"Als die Idee zur Sprache kam, dort mit einem DTM-Auto zu fahren, wurde es im Raum erst einmal still", erinnert sich Timo Scheider. "Alle haben sich gefragt: Meint ihr das ernst? Am Anfang war unsere Einstellung in etwa: Lasst es uns versuchen, und wenn wir nach drei Runden ausfallen, dann sind wir nach drei Runden draußen."

2003 war auf der Langstrecke das Jahr der Außenseiter

"Alle haben gelacht, denn ein DTM-Auto so zuverlässig zu machen, dass es 24 Stunden auf der Nordschleife durchhält, ist ein großes Projekt", ergänzt Manuel Reuter. "Aber am Ende hat es sich gelohnt."

Aus einem Hinterbänkler der DTM ein Siegerauto beim 24-Stunden-Rennen auf dem Nürburgring zu machen, schien auf den ersten Blick ein aussichtsloses Unterfangen. Doch 2003 war das Jahr der Außenseitersiege bei den großen Langstreckenrennen.

Bei den 24 Stunden von Daytona setzte sich ein GT2-Porsche gegen die leistungsstärkeren, aber unzuverlässigen Daytona-Prototypen durch. Später im Jahr gelang Porsche mit einem GT2-911 bei den 24 Stunden von Spa ein weiterer Coup, als die Stuttgarter die leistungsstärkeren GT1-Boliden im Regen bezwangen - auch dank der Spritsparkünste von Stephane Ortelli.

Aus einem Sprinter muss ein Marathonläufer werden

In beiden Fällen war das Siegerauto jedoch speziell für den Einsatz bei Langstreckenrennen entwickelt worden. Ganz anders der Opel Astra V8 Coupe. In seinem Lastenheft standen 40-Runden-Rennen in Hockenheim oder Oschersleben. Allein dieses Auto nach 24 Stunden ins Ziel zu bringen, schien schon eine große Herausforderung. Und wie sollte man gegen diese Konkurrenz bestehen?

Zakspeed-Viper

Zakspeed hatte mit der Viper drei der letzten vier Rennen gewonnen

Foto: Alexander Trienitz

Da war die unverwüstliche Zakspeed-Viper, die das Rennen in den vergangenen vier Jahren dreimal gewonnen hatte. Da war das erfahrene Team Schnitzer mit dem BMW M3 GTR, der 2001 die American Le-Mans-Series dominiert hatte. Und da war die Truppe von Abt mit dem TT, der zwar auch ein DTM-Auto war, dort aber deutlich schneller als der Opel.

Die Chancen für Opel schienen minimal. "Keiner hat uns geglaubt, dass wir ein Auto auf die Strecke bringen, mit dem wir um den Sieg kämpfen können", sagt Reuter. "Es war für Sprintrennen konzipiert."

Misserfolge in der DTM sogen bei Opel für Druck

Und auch dort waren die besten Tage des Wagens gezählt. Im Jahr 2000, dem ersten Jahr nach der Wiederbelebung der DTM, hatte sich Opel die Siege in den 16 Rennen noch mit Mercedes geteilt. Doch 2001 und 2002 gelang den Rüsselheimern kein Sieg mehr.

Volker Strycek

Motorsportchef Volker Strycek war die treibende Kraft hinter dem Projekt

Foto: Alexander Trienitz

Entsprechend groß war der Druck auf den damaligen Motorsportchef Volker Strycek, das DTM-Programm trotz ausbleibender Erfolge zu rechtfertigen. "Das war damals bei Opel nicht einfach, weil es Gerüchte gab, dass wir aus der DTM aussteigen könnten", erinnert sich Reuter. "2001 und 2002 waren wirklich schlechte Jahre für uns, wir waren bei weitem nicht so konkurrenzfähig wie im ersten Jahr. Also mussten wir mit diesem Projekt etwas beweisen."

Und Strycek war die treibende Kraft hinter dem Projekt. Scheider beschreibt seinen damaligen Chef als "von der Nordschleife besessen" und für Reuter war das Nordschleifen-Programm "die Erfüllung eines Traumes von Volker."

Einsatzteam Phoenix bringt Nordschleifen-Know-how mit

Strycek, der bereits 1987 Zweiter des 24h-Rennens war, griff selbst ins Lenkrad der beiden Opel Astra. Auf der Startnummer 5 waren seine Teamkollegen Reuter, Scheider und der ehemalige Mercedes-DTM-Pilot Marcel Tiemann. Die Startnummer 6 teilte sich Strycek mit Peter Dumbreck, Jeroen Bleekemolen und Christian Menzel.

So wenig das Auto für die Aufgabe geeignet schien, so sehr war es das Einsatzteam. Opel setzte auf die Dienste von Phoenix, die das Rennen im Jahr 2000 mit Uwe Alzen, Michael Bartels, Altfrid Heger und Bernd Mayländer in einem Porsche mit neuem Distanzrekord gewonnen hatten.

"Wir wussten von der Teamseite, wie man so ein Projekt durchführt und was man entwickeln muss", sagt Reuter, der als Sieger der 24 Stunden von Le Mans 1989 und 1996 selbst genügend Erfahrung mit Langstreckenrennen hatte. "Wir haben uns gesagt: Wenn wir das machen, dann richtig!"

DTM-Bolide wurde zu einer Art GT-Auto

So begannen Opel und Phoenix, das Fahrwerk, das Getriebe und die Aerodynamik des Wagens zu überarbeiten. Letzteres sei wichtig gewesen, so Reuter, denn der Astra "hatte einen ziemlich hohen Luftwiderstand und keinen wirklich guten Topspeed". Durch die Modifikationen wurde das Auto schwerer und fuhr sich laut Scheider mehr wie ein GT-Auto.

Opel Astra V8 Coupe

Opel und Phoenix machten den DTM-Astra langstreckentauglich

Foto: Alexander Trienitz

"Das war auch nötig", sagt er. "Wir mussten ein echtes Langstreckenauto entwickeln, das nichts mehr mit dem DTM-Auto zu tun hatte. Wenn man auf der Nordschleife gewinnen will, braucht man ein Auto, das einfach zu fahren ist und Fehler verzeiht. Wenn das Auto zu spitz ist, wird es schwierig."

Am Motor, der von Anfang an für eine ganze DTM-Saison ausgelegt war, musste nicht viel verändert werden. "Wir sind sogar mit etwas mehr PS als in der DTM-Version gefahren", sagt Reuter. "Große Sorgen bereiteten uns aber das Getriebe, das Differenzial und andere Dinge wie der Anlasser, denn dieses Paket war nie für 24 Stunden ausgelegt. Und am Ende sind es oft solche Kleinigkeiten, die den Unterschied ausmachen."

Trockeneis setzt die Schnitzer-BMW schnell schachmatt

Nach einem 24-Stunden-Test in Jerez sah Reuter Opel für das Rennen gut gerüstet. "Wir haben uns gewisse Chancen ausgerechnet", gibt er zu. Doch würde es reichen, um die pfeilschnellen BMW M3 zu schlagen?

Schnitzer-BMW

Für die schnellen Schnitzer-BMW war das Rennen schnell gelaufen

Foto: Alexander Trienitz

Diese Frage wurde auf der Strecke nie beantwortet, denn beide Schnitzer-Autos blieben kurz nach dem Start liegen. Das Team hatte Trockeneis in die Kühler gepackt, um bei den ungewöhnlich hohen Temperaturen eine Überhitzung während der langsam gefahrenen Aufwärmrunde zu verhindern.

Der Kühleffekt war allerdings so groß, dass das Getriebeöl dickflüssig wurde und die Leitungen zum Platzen brachte. Ohne Schmierung streikte das Getriebe. Auch der Alzen-Porsche, liebevoll "Turbinchen" genannt, der von der Poleposition gestartet war und das Rennen in der Startphase angeführt hatte, wurde bald von Getriebeproblemen heimgesucht.

Posse um die Zakspeed-Viper

Das Team Zakspeed, das zuvor zweimal in Folge gewonnen hatte, stand sich selbst im Weg. Nach einer Posse um die Viper, inklusive der Idee eines austauschbaren Tanks und der gescheiterten Umbenennung von Chrysler in Dodge, tankte das Team von Peter Zakowski beim Boxenstopp trotzig 120 statt der erlaubten 90 Liter, was jeweils eine fünfminütige Stop-and-Go-Strafe nach sich zog.

Zakspeed-Viper

Tricksereien beim Tanken machten der Zakspeed-Viper den Garaus

Foto: Alexander Trienitz

So lief es auf einen Zweikampf zwischen den DTM-Autos von Audi und Opel hinaus. Beide Hersteller hatten bald nur noch ein Eisen im Feuer. Bleekemolen schied mit seinem Opel nach einer Kollision mit einem Renault Clio aus, ein Abt-Audi schied mit einem Reifenschaden aus.

Laut Karl Wendlinger, der damals für Audi fuhr, war der TT auf einen Stint gesehen das schnellere Auto. Allerdings fehlte dem damals auf der Langstrecke wenig erfahrenen Abt-Team eine vergleichbare Werksunterstützung wie bei Opel.

Abt fehlte die Unterstützung vom Werk

"Das war ein Abt-Projekt ohne große Hilfe aus dem Werk", erinnert sich der Österreicher. "2004 waren viel mehr Audi-Ingenieure vor Ort, aber 2003 war es ein kleiner Einsatz. Opel hingegen hatte viel Erfahrung. Auch die Fahrer waren sehr schnell und routiniert. Deshalb hatte ich sie auf der Rechnung."

"Die Fahrerpaarungen waren sehr gut", gibt auch Scheider zu. "Es war vor allem eine Ansammlung von cleveren Fahrern. Man muss nicht immer der Schnellste auf der Strecke sein, sondern kluge Entscheidungen treffen."

Aber auch das ist keine Garantie. Gegen 4 Uhr morgens landete Strycek im Kiesbett, danach brauchte das Auto einen neuen Keilriemen. Opel musste eine Aufholjagd starten. Wendlinger war dennoch zuversichtlich, dass Audi die Oberhand behalten würde, denn deren Michelin-Reifen wurden stärker eingeschätzt als die Dunlop-Pneus von Opel.

Getriebewechsel macht Audis Sieghoffnungen zunichte

"Als am Sonntagmorgen klar war, dass es auf einen Kampf Audi gegen Opel hinausläuft, hat das Team gesagt: Macht euch keine Sorgen, wir haben die besseren Reifen."

Reuter war sich da nicht so sicher: "Bei den heißen Bedingungen war Dunlop fast so gut wie Michelin", sagt er. "Nach zwölf Stunden lagen wir vielleicht ein, zwei Sekunden hinter dem Audi. Das war ein richtig harter Kampf."

Abt-Audi TT

Abt setzte den Audi TT ohne große Unterstützung des Werks ein

Foto: Alexander Trienitz

Doch die Reifen waren am Ende nicht das Zünglein an der Waage. Vier Stunden vor Rennende musste am verbliebenen Audi das Getriebe gewechselt werden - zur Überraschung von Wendlinger. "Das war nicht die Schwachstelle des Autos. Wir haben uns vor dem Rennen keine Gedanken über das Getriebe gemacht, und dann ist es plötzlich passiert", sagt er.

Laut Reuter hatte Audi bei Getriebe, Differenzial und Co. das gleiche Konzept wie Opel, die es aber letztlich besser verstanden, "das Auto richtig auf die speziellen Anforderungen der Nordschleife abzustimmen".

Und so war es am Ende Reuter, der den Opel als Sieger über die Ziellinie steuerte. Vor allem mit Blick auf die Vorgeschichte einer der außergewöhnlichsten Sieger beim 24-Stunden-Rennen auf dem Nürburgring.

"Mit DTM-Autos auf der Nordschleife, das war schon ein ziemlich verrücktes Projekt", sagt er. "Aber es war eine Herausforderung, und wenn man dann noch gewinnt, ist es umso schöner."

Der Mut von Opel wurde belohnt

"Das war sicher einer der Höhepunkte meiner Karriere", sagt auch Scheider. "Es ist immer wieder schön, durch den Tunnel ins Fahrerlager zu fahren und den eigenen Namen an der Wand der Sieger zu lesen."

Tiemann, Scheider, Strycek und Reuter

Tiemann, Scheider, Strycek und Reuter feiern den Gesamtsieg

Foto: Alexander Trienitz

Durch den Sieg habe Strycek auch bei den Bossen von General Motors etwas Kredit gewonnen, so Reuter. Doch retten konnte er das DTM-Programm von Opel letztlich nicht. Im Jahr 2004 wurde der Astra durch den Vectra ersetzt, der aber nur in einem sehr kleinen Fenster funktionierte und die Reifen im Qualifying nicht auf Temperatur brachte. Nur ein einziger Podestplatz durch Reuter in Oschersleben stand am Ende des Jahres zu Buche.

Nach zwei weiteren dritten Plätzen durch Heinz-Harald Frentzen zog sich Opel Ende 2005 aus der DTM zurück. Der Astra wurde 2004 noch einmal auf der Nordschleife eingesetzt, kam aber beim dominanten Doppelsieg von Schnitzer-BMW nicht über den zehnten Platz hinaus.

"2003 war das richtige Jahr", sagt Wendlinger. "Schnitzer hatte gleich zu Beginn des Rennens Probleme, und ihr Auto war meiner Meinung nach viel besser für die Nordschleife gemacht als unsere DTM-Autos." Doch am Ende wurde der Mut von Opel belohnt.

Mit Bildmaterial von Alexander Trienitz.

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