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Interview

Interview: ACO und FIA über die Zukunft der 24h Le Mans und der WEC

ACO-Präsident Pierre Fillon und WEC-Chef Gerard Neveu im ausführlichen Interview über Le Mans, WEC, das LMDh-Reglement, den E-Sport-Boom und mehr

Thinking Forward

Interviewreihe #ThinkingForward mit Führungspersönlichkeiten aus dem internationalen Motorsport.

In der jüngsten Episode unserer Interviewreihe #thinkingforward mit Führungspersönlichkeiten aus der internationalen Motorsportszene erläutern ACO-Präsident Pierre Fillon und WEC-Chef Gerard Neveu anhand der Fragen von James Allen und Charles Bradley, wie die 24 Stunden von Le Mans und der weltweite Langstreckensport aus der Coronakrise hervorgehen werden, wie es um das LMDh-Reglement steht, was sie zum E-Sport-Boom sagen, und mehr.

Was wird sich nach dem Coronavirus ändern?

Gerard Neveu: "Sicherlich wird es Auswirkungen auf das Verhalten der Menschen haben, denn wir lernen viel und müssen zu einer anderen Einstellung übergehen. Vielleicht kann die Häufigkeit von Reisen eine dieser Veränderungen sein. Aber auch die Art und Weise, wie wir eine Veranstaltung organisieren, wie wir mit den Zuschauern umgehen, wie wir mit dem Team vor Ort arbeiten, wie wir all die unterschiedlichen Bemühungen im Inneren organisieren, wird ein wenig anders sein."

Pierre Fillon: "Unsere Generation kennt den Krieg nicht, aber wir sehen uns jetzt dieser verrückten Krise gegenübergestellt. Ich gehe davon aus, dass wir in sechs Monaten, vielleicht einem Jahr, in Bezug auf Reisen, auf die Organisation von Veranstaltungen und so weiter anders dastehen werden. Ich bin mir aber sicher, dass wir in einem von zwei Jahren wieder da sein werden, wo wir vorher waren."

Glauben Sie, dass der Sport diesen Moment nutzen sollte, um mutig zu sein? Und welche Schritte würden Sie mit Blick auf die Zukunft befürworten?

Fillon: "Ja. Ich glaube, in jeder Krise steckt auch eine Chance. In gewisser Weise war der Motorsport schon vorher einer Veränderung ausgesetzt, nämlich der Vision der jungen Generation zum Thema Motorsport sowie dem Thema unserer Umwelt. Ich glaube, wir können diese Krise nutzen, um die neue Vorstellung von Motorsport zu beschleunigen."

Neveu: "Das erste, was man lernt, wenn man mit einer solchen Situation konfrontiert wird: Wir müssen wirklich bescheiden sein. Denn vor einem derartigen Hintergrund sind wir im Endeffekt nichts."

"Diese Krise erinnert uns daran, dass wir absolut verwöhnt wurden. Und wir haben nicht darauf geachtet. Wir können die Frage stellen: 'Sind wir sicher, dass wir nicht nicht zu viele Rennserien gleichzeitig haben?' Denn jetzt stecken wir in der Klemme dahingehend, wie wir wieder durchstarten können. Haben wir genügend Teilnehmer, um die einzelnen Märkte und die einzelnen Meisterschaften zufrieden zu stellen?"

"Diese Krise hat uns zu einer globalen Sichtweise aufgefordert. Es gibt keine Meisterschaft, die nicht innerhalb von zwei Monaten in eine fragile Lage geraten würde. Wenn es auf dem Markt zu viel Angebot gibt, dann entsteht daraus vielleicht eine fragile Position für uns. Daher sollten wir vielleicht in Abstimmung mit all den unterschiedlichen Organisatoren, den Veranstaltern der einzelnen Plattformen, noch einmal überdenken, wie wir diesen globalen Markt gemeinsam angehen. Wir sollten sicherzustellen, dass es nicht zu viel ist."

Gerard Neveu

Gerard Neveu

Foto: Adrenal Media

"Ich habe immer zu Pierre gesagt: 'Okay, aber Le Mans ist anders'. Das ist ein großes Event, wie Indianapolis oder vielleicht Daytona oder Sebring, oder beispielsweise ein paar Grands Prix der Formel 1. Die Realität ist, dass Le Mans tatsächlich eine Ausnahme darstellt. Man kann Le Mans nicht als Durchschnitt ansehen. Le Mans ist Le Mans. Das ist wie der Mount Everest."

"Mit Sicherheit wird der Markt in naher Zukunft nicht größer sein. Er kann nur kleiner sein. Wir können uns nicht vorstellen, dass wir morgen mehr Teams haben werden, denn zunächst einmal müssen sich die Menschen erholen. Es gibt eine Branche, die eine auf Live-Events basierende Veranstaltungsbranche mit professionellen Teams ist."

"Wir dürfen dabei aber nicht die Hersteller vergessen. Sie müssen sich zunächst ihrer vordergründigen Aufgabe stellen, die da heißt, Autos zu verkaufen. Sie werden sich von einer Situation erholen müssen, die sie vorher nicht kannten. Ich habe gehört, in Europa ist die Wirtschaft während der vergangenen zwei Monate um 55 Prozent eingebrochen. Das muss man sich einmal vorstellen."

"Der Motorsport wird mit Sicherheit bestehen bleiben, denn Motorsport ist eine echte Industrie und Teil des Jobs."

Fillon: "Ich glaube ganz fest daran, dass es mit dem Motorsport nach der Krise weitergehen wird. Für die Hersteller aber wird Motorsport in den kommenden Monaten nicht dass Hauptthema sein. Sie müssen überleben, sie müssen ihre Aktivitäten wieder aufnehmen. Und wir haben gesehen, dass das nicht einfach ist. Zum Beispiel versuchte Toyota in Frankreich neu durchzustarten. Die Gewerkschaften waren dabei aber keine große Hilfe."

Pierre Fillon

Pierre Fillon

Foto: Marc Fleury

"Ich habe gestern mit Peugeot gesprochen. Sie müssen liquide bleiben, um diese Situation in den kommenden Monaten bewältigen zu können. Sie geben Geld aus, haben aber keins [als Einkommen]. Es ist also sehr schwierig. Ich glaube aber, Motorsport wird es weiterhin geben. Okay, Le Mans ist ein mythisches Rennen. Aber Le Mans braucht die ELMS. Le Mans braucht alle kontinentalen Serien, um 60 Autos am Start zu haben."

"Und was mir wichtig ist: Wenn wir die Hersteller halten wollen, müssen wir die Entwicklung der neuen Null-Emissions-Technologie beschleunigen. Für den ACO ist das Thema Wasserstoff ein ganz wichtiges. Diese Antriebstechnologie gibt uns die Chance, die Entwicklung zu beschleunigen. Denn ich glaube, dass dieser Aspekt in jedem Gremium sehr wichtig sein wird bei der Entscheidung, im Motorsport weiterzumachen. Aber das allein reicht nicht."

"Im Motorsport haben wir Hersteller, aber wir haben auch Gentleman-Fahrer und Privatiers und so weiter. Ich finde es sehr wichtig, dass wir die Kosten wirklich senken. Wir haben damit schon begonnen, denn in der LMP1 sind es für Toyota vielleicht 100 Millionen Euro pro Jahr. In der LMH - Le Mans Hypercar - wird das Budget 25 Millionen betragen wird und in der LMDh, einer Plattform, mit der man WEC, 24 Stunden von Le Mans und IMSA fahren kann, wird es weniger als 20 Millionen betragen. Was wir brauchen, ist ein großer Schritt."

"Wir müssen diesen Ansatz weiterverfolgen und müssen darüber nachdenken, wie wir beispielsweise die Logistikkosten für die Anzahl der Menschen an der Strecke reduzieren können. Wenn wir das nicht tun, dann ist der Motorsport meiner Meinung nach wirklich in Gefahr. Wir müssen also innovativ sein."

Le Mans ist so viel mehr als ein Autorennen. Wäre es eine Option, hinter verschlossenen Türen, das heißt ohne Zuschauer vor Ort, zu fahren?

Fillon: "Ja, das ist eine Option. Zum jetzigen Zeitpunkt weiß niemand, was im September passieren wird. In Frankreich haben wir viele Großveranstaltungen noch vor diesem Termin, wie etwa die Tour de France oder Roland Garros [French Open]. Werden wir in der Lage sein, ein Event mit mehr als 100.000 Menschen zu organisieren? Darauf habe ich keine Antwort. Wenn man unserem Staatspräsidenten zuhört, ist vielleicht ab Mitte Juli etwas möglich. Wenn man aber Deutschland zuhört, wird vor Ende August nichts passieren. Ich habe gerade gelesen, dass eine große Veranstaltung in München abgesagt wurde [Oktoberfest vom 19. September bis 4. Oktober]. Also wer weiß?"

"Wir haben drei Möglichkeiten: Option 1 ist, dass wir unsere Veranstaltung mit Fans durchführen dürfen, vielleicht mit einigen Einschränkungen wie Masken und so weiter."

"Die zweite Option ist, dass wir nicht mehr als insgesamt rund 5.000 Leute haben dürfen. Das wäre eine gute Option für das Fernsehen, aber nicht gut für die Fans, die an die Strecke kommen wollen. Und ganz sicher wäre das kein echtes Le Mans. Es geht ja nicht nur um das Rennen an sich, sondern es ist ein Erlebnis für die Zuschauer."

"Und Option 3 ist, dass es unmöglich wird, die 24 Stunden von Le Mans [in diesem Jahr] überhaupt zu organisieren. Wir hoffen natürlich nicht, dass es so kommt. Aber im Moment können wir das nicht ausschließen."

Shigeki Tomoyama, Pierre Fillon

Shigeki Tomoyama und Pierre Fillon

Foto: Toyota Racing

Neveu: "Wir [die WEC] sind eher darauf vorbereitet, Veranstaltungen hinter verschlossenen Türen abzuhalten. Uns liegen all unsere Events sehr nahe, aber unser Ziel, unsere Priorität für die Meisterschaft ist es, dass die Hersteller und alle unsere Teams sicher sein können, dass die Verträge erfüllt werden können. Diese Verträge sehen die Teilnahme an einer kompletten Saison vor. Das gilt gleichermaßen für Fahrer und Sponsoren - für alle beteiligten Personen. Schließlich sind das alles professionelle Teams, die sich sicher sein müssen, dass sie sich richtig auf Le Mans vorbereiten können."

"Wir sprechen auch mit anderen Meisterschaften, wie der Formel 1 und der Formel E, um Terminüberschneidungen in Europa zu vermeiden. Wir werden womöglich viele Rennen in der gleichen Gegend zur gleichen Zeit haben. Da müssen wir aufpassen. Ich würde sagen, Mitte Juni ist ein guter Zeitpunkt, um eine Entscheidung zu treffen. Lassen Sie uns Schritt für Schritt vorgehen. Wir werden entscheiden, sobald uns ausreichend Informationen vorliegen."

Ist September eine 'letzte Chance' für 2020? Oder gibt es eine gewisse Flexibilität für spätere Termine?

Fillon: "Sicher, wenn uns die Behörden Ende Juli sagen, 'unmöglich im September, aber hundertprozentig möglich im Oktober oder November', dann würden wir das tun. Es werden nicht die gleichen 24 Stunden sein, die wir gewohnt sind. Aber wir sind professionell und wir haben großartige Fahrer. Wir sind im vergangenen Jahr in Spa sogar im Schnee gefahren!"

Neveu: "Wenn man an die Mauern unseres Hauses denkt, dann ist Le Mans eindeutig die zentrale Säule aller Sportwagenprogramme. Man muss also den Pfeiler schützen, wenn man sein Haus erhalten will. Wenn es Schäden gibt, dann muss zuerst dieser Teil geschützt werden. Das ist die Garantie dafür, dass es eine Zukunft gibt."

Wie ist das Verhältnis zur IMSA?

Neveu: "Wir pflegen unsere Partnerschaft mit der IMSA. Ich telefoniere alle zwei oder drei Tage mit [IMSA-Präsident] Jon Doonan. Pierre und ich, wir treffen uns mehr oder weniger einmal pro Woche in einem Lenkungsausschuss, bei dem auch die IMSA dabei ist. Das ist häufiger als früher. Was die LMDh betrifft, befinden wir uns in den letzten Zügen."

"Sie [IMSA] sind mit genau der gleichen Situation konfrontiert. Jon muss seinen Kalender alle zwei Wochen überarbeiten. Wir sind also in Kontakt, um sicherzustellen, dass seine Terminverschiebungen keine Auswirkungen auf die WEC und die ELMS haben. Wir müssen mit den Rennterminen vorsichtig sein und diese Beziehung schützen. Etwas mit IMSA falsch zu machen, wäre genauso schlimm, wie uns selbst etwas anzutun."

Wie steht es um die LMDh-Regeln?

Fillon: "Wir können sagen, dass wir im Zeitplan liegen. Natürlich, wir hätten das Reglement in Sebring bekannt geben sollen. Die Arbeit wurde seitdem aber fortgesetzt. Zunächst einmal ist das Verhältnis zur IMSA ausgezeichnet. Ich finde, wir haben ein technisches Reglement vorliegen. Jetzt sind wir gerade dabei, kleine Details zu finalisieren."

"Und nach der Krise haben wir keine andere Wahl als dieses Projekt zum Erfolg zu führen. Es ist sehr wichtig für die Zukunft der Sportwagen. Meiner Meinung nach ist es lebenswichtig. Wir sind fast fertig, und ich denke, wir werden den Rahmen des Reglements in zwei Wochen bekannt geben können."

Pierre Fillon, Jim France, Gerard Neveu, John Doonan, Ed Bennett

Pierre Fillon, Jim France, Gerard Neveu, John Doonan, Ed Bennett

Foto: Motorsport Images

Neveu: "ACO und IMSA sind wahrscheinlich die beiden besten Verbände, um Sportwagenrennen weltweit zu managen. Wir müssen wieder bescheiden sein. Um über die LMDh zu sprechen: Wenn man ein Jahr zurückblickt, war damals niemand bereit, darauf zu wetten. Wir müssen Schritt für Schritt vorgehen. Wenn wir in der Lage sind, die LMDh sehr gut aufzustellen, wird uns das helfen, in Zukunft etwas besser zu machen."

"Pierre hat Recht. Der Motorsport wird sich erholen. Man kann eine so große Branche nicht zerstören. Aber wir müssen uns daran erinnern, bescheiden zu bleiben und nur das Beste für die Interessen der Gemeinschaft von Sportwagenrennen zu tun."

Fillon: "Wir müssen Schritt für Schritt vorgehen. Noch vor einem Jahr hätte man sich nicht vorstellen können, dass sich die großen Hersteller bereit erklären, ein fremdes Chassis zu verwenden. Das war damals etwas Unmögliches für sie. Heute ist es möglich. Alles hat sich geändert. Wir arbeiten Schritt für Schritt. Wir müssen es schaffen, die LMDh gut aufzustellen und ich glaube, wir sind auf einem guten Weg. Danach werden wir schauen, was wir miteinander teilen können und was wir gemeinsam mit der IMSA tun können. Ich denke, es gibt viele Möglichkeiten."

Was sagen Sie dazu, wie E-Sport während der Pandemie in den Vordergrund gerückt ist?

Neveu: "Meiner Meinung nach gibt es für E-Sport absolut Raum. Ich glaube nicht, dass er den echten Motorsport auf der Rennstrecke ersetzen wird, aber es ist eine notwendigerweise ergänzende Aktivität, wenn man mit der nächsten Generation in Verbindung treten will. Das betrifft nicht nur die nächste Generation von Fans, sondern zum Beispiel auch von Fahrern."

"Um effizient zu sein, hilft es auf jeden Fall, mit der neuen Generation von Menschen weltweit in Verbindung zu bleiben - mit den Medien, den Fans, den Fahrern und so weiter. Das ist wie eine Sprache, die man benutzt, um die Leidenschaft des Motorsports zu teilen. Mein Gefühl sagt mir daher, dass wir dem Raum geben müssen."

E-Sport: Le Mans eSports Series

E-Sport: Le Mans eSports Series

Foto: Paul Foster

"Das ist der Grund, weshalb wir vor zwei Jahren in Partnerschaft mit Motorsport Games die Le-Mans-eSports-Series ins Leben gerufen haben. Wir hatten das Gefühl, dass es sehr wichtig sein würde, auf dieser Bühne präsent zu sein. Das eigentliche Ziel ist es, eigene E-Games bereitzustellen. Denn eigene E-Games sind Teil des Gesamtumfangs dessen, was produziert wird. Man kann die Inhalte den realen Rennen nachempfinden. Es ist daher unabdingbar."

"Es ist wie ein spezielles Produkt, das allen Fans und Partnern zugänglich gemacht wird. Diese Krise wirkt gewissermaßen wie ein Gaspedal für E-Sport. Sie beschleunigt jetzt die Sichtbarkeit und das Interesse daran. In Zukunft, wenn die Aktivitäten auf der Rennstrecke wieder aufgenommen werden, wird es E-Sport immer noch geben. Dann aber wird es komplementär sein."

Fillon: "Ich möchte nur noch hinzufügen, dass ich E-Sport für ein fantastisches Instrument halte. Es ist eine Brücke zwischen der neuen Generation und der alten Generation. Es ist eine fantastische Möglichkeit, bei jungen Leuten Interesse für den Motorsport zu wecken. Sicherlich müssen wir E-Sport weiterentwickeln. Es ist jetzt ein echter Sport."

"Ich habe vergangenes Wochenende den China-Grand-Prix im E-Sport verfolgt. Es war interessant, Charles Leclerc und die anderen Fahrer zu verfolgen. Vielleicht war es beinahe etwas Reales. Wir müssen diese Plattform nutzen, um das Interesse junger Leute am Motorsport zu steigern - ganz sicher."

Mit Bildmaterial von Adrenal Media.

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