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Le Mans 1970 im Detail: Porsche-Premierensieg von Startplatz 15

Der erste Gesamtsieg von Porsche in Le Mans war alles andere als normal: Wie Attwood/Herrmann mit technisch veraltetem Stand triumphierten

13. Juni 1970, Startaufstellung zur 38. Ausgabe des damaligen Langstrecken-Grand-Prix von Le Mans. Richard Attwood glaubt, er habe alles falsch gemacht. 1969 hat er noch das schnellste Auto in Le Mans gehabt, doch Unzuverlässigkeit hat ihm den Sieg geraubt. Nun ist er der Meinung, für das Rennen 1970 zu konservativ vorgegangen zu sein.

Heute gilt Porsche als Synonym für Erfolg bei den 24 Stunden von Le Mans. Mit 19 Gesamtsiegen ist der deutsche Hersteller klar die erfolgreichste Marke beim Traditionsrennen in Frankreich. Doch bis zum ersten Sieg hat es lange gedauert - er kam vor allem aufgrund einer ungewohnten Kombination zusammen.

1970 ist Porsche noch auf der Jagd nach dem ersten Sieg. Lange Zeit in kleineren Klassen aktiv, verfügt Porsche seit 1968 mit dem 917 über ein Auto für den Gesamtsieg. Zunächst war es ein echtes Monster mit schwierigem Handling. Diese Probleme sind mittlerweile aussortiert. Doch es gibt verschiedene Versionen des 917, zwischen denen die Teams wählen können.

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Attwoods Fokus liegt auf Stabilität und Zuverlässigkeit. Deshalb hat er sich mit Porsche Salzburg auf die Kurzheckversion 917K festgelegt. Sie hat ein Topspeed-Manko gegenüber den Langheck-Versionen, verfügt aber über ein besseres Handling. Das Fahrzeug hat außerdem nur vier statt fünf Gänge und den erprobten 4,5-Liter-Motor verbaut statt der neueren 4,9-Liter-Version.

Auch bei der Auswahl des Teamkollegen zeigt sich die konservative Herangehendweise: Attwood geht gemeinsam mit Hans Herrmann an den Start. Der Allrounder aus Stuttgart kann jedes Auto mit sicherer Hand über die Distanz bringen, gilt aber nicht als ultimativer Pacesetter.

"Langsamer" 917 lässt Attwood zweifeln

"Ein ziemlich schlechtes Fahrzeug war zu einem wirklich guten geworden", sagt Attwood über die 1970er-Ausbaustufe des 917. "1969 konnte man überhaupt nicht entspannen. Das Auto hat sich die ganze Zeit bewegt, es war sehr stressig."

"Nach meinen ersten zwei Stunden 1969 hatte ich starke Schmerzen. Ich wäre sogar sehr dankbar gewesen, wenn das Auto früher kaputt gegangen wäre. Alle Autos sind den Mulsanne-Knick voll gefahren, bis auf den 1969er-917. Aber sie haben viel Arbeit investiert und alle Probleme aussortiert."

Und auch Performance-technisch gibt es 1970 einen Schritt nach vorn: Der 4,9-Liter-Motor und eine verbesserte Langheck-Variante sorgen für höhere Geschwindigkeiten. Deshalb ist Attwood nach dem Training so beunruhigt. Sein Auto ist langsam - sofern man einen Porsche 917 überhaupt so bezeichnen kann.

Beiden Fahrern ist es untersagt worden, den ersten Gang zu nutzen. Das kombiniert mit dem schwächeren Drehmoment des 4,5-Liter-Motors macht das Beschleunigen aus den engen Ecken heraus zu einer zähen Angelegenheit.

"Meines Erachtens haben wir jeweils drei Sekunden in Mulsanne und Arnage verloren", erinnert sich Attwood. "Und auch auf den langen Geraden haben wir Zeit verloren. Der einzige Ort, an dem wir wahrscheinlich keine Zeit eingebüßt haben, war in den Kurven."

Herrmann sagt seinerseits, dass das Duo konservativ zu Werke gegangen sei. Doch Attwood erzählt, dass man gar keine andere Chance gehabt habe: "Es mag so ausgesehen haben, als würden wir etwas zurückhalten, aber konnten gar nicht schneller fahren, weil ich diese Konfiguration ausgewählt hatte. Vor dem Start dachte ich noch, dass wir keine Chance hätten."

Ein Starterfeld zum Niederknien

Sein Partner von 1969, Vic Elford, ist genau den umgekehrten Weg gegangen und hat die schnellstmögliche Kombination ausgewählt. Der 4,9-Liter-Langheck-917 mit Elford und Kurt Ahrens am Steuer steht entsprechend auf der Pole-Position mit einer Zeit von 3:19.8 Minuten. Attwood und Herrmann finden sich nur auf dem 15. Startplatz mit einem Rückstand von 12,8 Sekunden wieder.

Und auch zwischen der Pole und Platz 15 befinden sich einige hochkarätige Teams. Porsche hat John Wyer und sein JWA/Gulf-Team angeheuert, nachdem dieses im Jahr zuvor mit einer modifizierten Urversion des Ford GT40 noch einmal gewonnen hatte.

Hans Herrmann, Richard Attwood

Kurzheck, altes Getriebe und alter Motor waren nicht die optimalen Zutaten

Foto: Motorsport Images

Und das Team ist stark aufgestellt. Pedro Rodriguez/Leo Kinnunen und Jo Siffert/Brian Redman gehen auf die Jagd nach dem Hattrick für das Team und verfügen ebenfalls über den neuen 4,9-Liter-Motor. Hinzu kommt noch ein "Back-up"-Fahrzeug mit 4,5-Liter-Motor und den Fahrern David Hobbs/Mike Hailwood.

In allen Fällen handelt es sich um Kurzheck-Varianten, aber mit eigenen aerodynamischen Veränderungen seitens JWA. Wyer glaubt, dass das bessere Handling des 917K den Fahrern über die 24 Stunden hinweg helfen würde.

Porsche hat schon vor dem achten Lauf klargestellt, wer in der Sportwagen-Weltmeisterschaft 1970 Herr im Haus ist. Der 917K hat vier von sieben Läufen vor Le Mans gewonnen. Die Siege bei der Targa Florio und den 1.000 Kilometern auf dem Nürburgring gingen an den wendigeren Porsche 908/3.

Trotz allem wurde Erzrivale Ferrari vor dem Rennen von der Presse als eine Macht bezeichnet, die man auf der Rechnung haben musste. Die Italiener hatten bereits neun Siege bei den 24 Stunden von Le Mans auf dem Konto und brachten nicht weniger als elf Exemplare ihres furchteinflößenden 512S nach Le Mans 1970 - vier davon werkseingesetzte "coda lunga"-Langhecks.

Dem schnellsten Ferrari mit den Fahrern Nino Vaccarella/Ignazio Giunti fehlten nur 0,2 Sekunden auf die Pole-Position. So stehen sechs Ferraris in der Startaufstellung in den Top 10. Sie sind schwerer, aber auf der Hunaudieres-Geraden schneller als die Porsches, mit Ausnahme der Langhecks.

Und da sind die Drei-Liter-Prototypen von Matra und Alfa Romeo noch gar nicht mitgezählt. Das Line-up hat das Potenzial zu einem wahrhaft epischen Rennen.

"Das war eine sehr attraktive Zeit", erinnert sich Attwood, heute 80 Jahre alt. "Das war ein Kampf der Titanen, Porsche gegen Ferrari. Eine großartige Ära."

Ferrari wird schnell gerupft

Für 1970 ist der traditionelle Le-Mans-Start abgeschafft. Die Fahrer müssen nun angeschnallt in ihren Fahrzeugen sitzen, die noch immer diagonal zur Fahrbahn geparkt sind. Passend zu dem, was passieren sollte, schwingt Ferry Porsche die Startflagge. Elford und Siffert machen sofort die Pace.

Artoruo Merzario, Clay Regazzoni

Die Ferrari 512S schieden noch in der ersten Rennhälfte aus

Foto: Motorsport Images

Für die Ferrari-Fraktion drückt Arturo Merzario auf die Tube. Die Roten werden jedoch gleich nach dem Start torpediert, als der Motor in Vaccarellas Boliden den Geist aufgibt.

Herrmann fährt für Porsche Salzburg den Start und Attwood sieht etwas ungläubig zu: "Für mich war das absolut irre. Die haben losgelegt, als wäre es ein Grand Prix. Alle schienen zu denken, dass sie eine Chance auf den Sieg hatten, was sie auch taten."

Die Führung wechselt zwischen Elford/Ahrens and Siffert/Redman hin und her. Noch vor Einbruch der Nacht ist der Rodriguez-917 draußen, weil der Schaft eines Kühl-Ventilators abgeschert ist.

Dann kommt es zu einem der wohl unglaublichsten und unglücklichsten Vorfälle in der Geschichte des Rennens, der Ferraris Hoffnungen auf den Sieg fast komplett begräbt: Kurz nach Maison Blanche treffen vier Ferraris auf einen langsam dahin schleichenden 512S von Reine Wisell, der durch seine ölverschmierte Windschutzscheibe kaum etwas sehen kann.

Sam Posey kommt noch an ihm vorbei, doch Derek Bell, Clay Regazzoni (Teamkollege von Merzario) und Mike Parkes haben weniger Glück. Regazzoni knallt in Wisell hinein, Parkes kracht in beide und Bell überdreht während des ganzen Chaos seinen V12. Vier Ferraris, darunter zwei Werkswagen, sind raus. Damit kämpfen nur noch Jacky Ickx/Peter Schetty allein gegen die Porsche-Übermacht.

Natürlich ist auch Porsche nicht vor Ausfällen geschützt. JWA verliert auch das zweite Fahrzeug durch einen Unfall von Hailwood. So kommt es, dass Attwood und Herrmann nach nur vier Stunden bereits auf der vierten Position liegen, wenn auch drei Runden hinter dem Spitzenreiter.

Die Regenschauer werden am Abend immer heftiger. Ickx liegt auf der zweiten Position, ist aber nach seinem Feuerunfall beim Großen Preis von Spanien noch nicht wieder zu 100 Prozent fit. In der Nacht verunfallt er in der Ford-Schikane. Ein Sportwart wird getötet, bevor das Wrack in Flammen aufgeht. Ferraris Hoffnungen sind bereits vor Halbzeit zerstört. Selbiges gilt für das Matra-Team wegen fehlerhafter Kolbenringe.

Unerwartete Führung vor Rennhälfte

Nun deutet alles darauf hin, dass Siffert und Redman das Rennen gewinnen würden. Die Kombination aus 4,9-Liter-Motor und Kurzheck mit zusätzlichen aerodynamischen Anbauteilen scheint sich als richtige Kombination zu erweisen. Doch dann verschaltet sich Siffert und der Motor nimmt Schaden. Kaum zu glauben, aber JWA, das Siegerteam der vorigen beiden Jahre, ist raus.

Attwood kann es selbst heute nicht fassen: "Nach elf Stunden lagen wir an der Spitze, das war zum Piepen!" Er kämpft an jenem Wochenende mit Mumps. Der Vorsprung beträgt drei Runden, doch die Bedingungen stellen eine weitere Hürde dar: "Es regnete in Strömen. Heute würden sie das Rennen wohl verschieben."

Vic Elford, Kurt Ahrens

Der 917L von Vic Elford und Kurt Ahrens war am schnellsten, kam aber nicht durch

Foto: Motorsport Images

Selbst, als sich die Bedingungen verbessern, bleibt das Duo länger als nötig auf den Regenreifen draußen, um auf Nummer sicherzugehen. Das stellt sich als richtige Entscheidung heraus, denn die Konkurrenz bekommt weitere Schwierigkeiten.

Elford/Ahrens sind unter anderem wegen eines schleichenden Plattfußes, der nicht als solcher erkannt wurde, zurückgefallen. Aber sie versuchen am Sonntagmorgen noch immer, die verlorene Zeit wieder aufzuholen.

Für Elford bleibt das Rennen ein Highlight: "Das war der ultimative Le-Mans-Rennwagen! Als ich das erste Mal damit die Hunaudieres-Gerade langgebrettert bin, dachte ich, sie hätten sie verkürzt! Am Knick hatte ich mehr als 350 km/h auf dem Tacho und die ersten paar Mal habe ich sogar leicht gelupft."

"Ich musste mich erst überzeugen, dass ich den wirklich voll fahren konnte. Als ich einmal heil wieder herausgekommen war, war es einfach. Das Handlich des Autos änderte sich absolut nicht. Ein Lupfen veränderte die Balance des Fahrzeugs. Als ich voll durchgefahren bin, klebte es auf dem Boden. Es hat in dem Jahr wahnsinnig geregnet und selbst im Regen ging sie problemlos voll. Das war die ultimative 917-Erfahrung."

Sie endet jedoch vorzeitig. In Stunde 17 scheidet der Langheck-Bolide mit defektem Einlassventil aus. Einem der besten Sportwagenpiloten seiner Zeit wird wieder einmal ein Le-Mans-Sieg vereitelt.

Konservative Herangehensweise gewinnt

Attwood und Herrmann müssen jetzt nur noch ins Ziel kommen. Doch erneut kommt es zu einem heftigen Regenschauer kurz nach Mittag. "Wir mussten unsere Führung verteidigen, was immer schwieriger ist", sagt Attwood. "Wenn man in der Rolle des Jägers ist, ist es einfacher, weil man nicht darüber nachdenkt, was passieren kann."

"Mehrere Male sind wir durch stehendes Wasser gefahren und waren uns nicht sicher, ob wir es noch unter Kontrolle hatten. Aber wir mussten auch nicht mehr attackieren. Das nächste Fahrzeug war ebenfalls ein 917. Porsche hat ihnen nicht mehr erlaubt, uns anzugreifen."

Hans Herrmann, Richard Attwood

Die "Softly, softly"-Philosophie zahlte sich voll und ganz aus

Foto: LAT

"Zu jener Zeit war Le Mans ein echtes Ausdauerrennen. Der Fahrer spielte eine große Rolle im Puzzle, das Rennen zu beenden. Heute ist es eine komplett andere Welt. In jedem Stint wird voll angegast und die Zuverlässigkeit ist unglaublich. Dieses Rennen hat uns ausgewählt. Wir haben es nicht gewonnen, sondern es wurde uns geschenkt."

So gewinnt das Duo ein heimtückisches 24-Stunden-Rennen. Herrmann, der schon so viele Klassensiege für Porsche errungen hat, bringt das Fahrzeug mit fünf Runden Vorsprung zurück. Damit glückt ihm die Revanche für den verlorenen Sieg gegen Ickx im Vorjahr. Kurz darauf erklärt er seinen Rücktritt.

Wie schwierig dieses Rennen gewesen ist, zeigt die Tatsache, dass nur sieben Autos in Wertung gekommen sind. Neun weitere sahen die Zielflagge, legten aber keine ausreichende Distanz zurück. Porsche holte jeden einzelnen Klassensieg.

Doch es ist der Gesamtsieg, der in Erinnerung bleibt. Nach dem Debakel von 1969 hat Porsche endlich den ersten Gesamtsieg in Le Mans geholt, den ersten von bisher 19 Siegen. Selbst wenn es ein "langsamer" 917 war.

Mit Bildmaterial von Motorsport Images.

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