Kolumne: Wie die Rossi-Fans Marquez und Lorenzo antreiben – statt einbremsen
Die Ablehnung, die die Fans des italienischen Superstars Valentino Rossi dessen Kontrahenten – und Nachfolgegeneration – entgegenbringen, spornt Jorge Lorenzo und Marc Marquez nur noch mehr an.
Foto: Gold and Goose / Motorsport Images
Seien wir mal ehrlich: Die Feierlichkeiten von Jorge Lorenzo, als er am Sonntag in Mugello ganz oben auf dem Podest stand, waren schon provozierend. Vor allem den Rossi-Fans gegenüber.
Aber wenn wir uns jetzt einmal in die Lage Lorenzos hineinversetzen: Ich hätte es genauso gemacht. A la: „Seht mal her – ihr könnt noch so ‚buuuh’ rufen, ich lasse Taten sprechen.“
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Und für jeden, der sich da hineinversetzt, ist es verständlich, dass man so reagiert. Mit Trotz. Eines ist ganz sicher: Jeder Sieg, bei dem Marquez und Lorenzo schon vor dem Start ausgebuht werden, schmeckt den Beiden am Ende noch besser.
Weil es keiner einem Rossi-Fan recht machen kann. Außer Rossi selbst halt.
Keine Frage, ohne den Motorschaden wäre das Rennen am Sonntag sicher anders ausgegangen. Zumindest vielleicht. Oder bestimmt.
Hätte, hätte, Motorrad-Kette
Jeder kennt es aus seinem eigenen Leben, diesen Moment, wenn er sich denkt: Jetzt erst recht. Mal ist es ein sportliches Ziel, mal beruflicher Ehrgeiz. Oder manchmal sind es auch nur die fünf Euro vom Ordnungsamt, die wegen 0,019 Sekunden Parkuhrüberziehen am Scheibenwischer kleben. „Ihr Zettelpuper, jetzt zeige ich es euch!“
Hat jeder hier schon mal gedacht, oder?
Geistige Stärke
Der mentale Unterschied zwischen Marc Marquez und Jorge Lorenzo könnte kaum größer sein. Während Marc – nennen wir es einmal antiautoritär und frei – erzogen wurde, wuchs Lorenzo im Drill seines Vaters Chicco auf. Und war am Ende das verunsicherte, junge Bübchen in der MotoGP.
Ganz klar: Lorenzo hatte, als er in die große Klasse kam, vermutlich mehr Fans als heute. Endlich war mal einer da, der Rossi Paroli bieten konnte. Der Rennen gewann, um den Titel kämpfte.
Aber Lorenzo hat lange gebraucht, um seinen eigenen Weg zu finden. Zu sich selbst zu finden. Und sich von außen nicht beeinflussen zu lassen.
Ein Jorge Lorenzo vor fünf, sechs Jahren wäre an der Situation, wie sie sich jetzt darstellt, zerbrochen. Was Rossi mit seinen Psycho-Spielchen, wie er sie mit Sete Gibernau und Max Biaggi zum Beispiel spielte, bei Lorenzo nicht geschafft hat – weil er von vornherein darauf vorbereitet war – das hätten seine Fans übernommen.
Und genau das war und ist der Versuch des Italieners seit der letzten Saison. Es über die Fans zu regeln. Deren Reaktionen, deren Buhen an der Strecke und die täglichen Shitstorms im Social Media.
Doch „Vale“ hat sich hier verrechnet: Lorenzos größte Genugtuung ist es nun, allen zu zeigen, wie gut er ist.
Und egal, in welchem Zustand die Desmosedici war, als Rossi dorthin ging. Wenn er nächstes Jahr auf der Ducati gewinnt – dann wird in Italien auch keiner mehr Buhen. Ducati gibt es einfach schon länger und hat eine größere Tradition, als Rossi.
Oder wie sonst erklärt man, dass am Sonntag die 100.000 Italiener in Mugello Andrea Iannone auf dem Podest zujubelten, den sie letztes Jahr nach seinem Podium von Phillip Island, als er Rossi auf vier verwies, eigentlich noch meucheln wollten?
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