Le Mans: Wer letzte Nacht am besten geschlafen hat
Zweifel aus dem Weg geräumt: Nach dem besten KTM-Ergebnis im Trockenen erhält das Selbstvertrauen von Pol Espargaro in Le Mans einen großen Schub
Liebe Motorradsportfreunde,
der fünfte Lauf der Saison brachte neben Marc Marquez einen weiteren Sieger hervor: KTM-Pilot Pol Espargaro. Mit Platz sechs bescherte der 27-jährige Spanier seinem österreichischen Arbeitgeber das bisher beste Ergebnis im Trockenen. Espargaro qualifizierte sich mit seiner wirklich beeindruckenden Vorstellung für die heutige Kolumne, in der jemand ausgewählt wird, der im übertragenen Sinne gut geschlafen hat.
In meinen Augen war dieser sechste Platz deutlich wertvoller als das Sensationspodium beim chaotischen Saisonfinale in Valencia im November 2018. Damals stürzte Espargaro, setzte das Rennen fort und wurde unter anderem durch Valentino Rossis Sturz aufs Podium gespült.
Valencia 2018: Pol Espargaro fährt beim Chaosrennen aufs Podium Foto: LAT
Nicht nur die Ingenieure dürften nach dem mittelmäßigen Saisonstart einige Zweifel gehabt haben. Umso wichtiger war der Befreiungsschlag in Le Mans. "Ich bin super happy, zu sehen, dass der Gitterrohrrahmen und die WP-Federelemente funktionieren. Ich freue mich, dass ich einige kritische Stimmen verstummen lassen konnte, die behaupteten, dass es niemals funktionieren wird. Wir haben den Beweis abgeliefert", freut sich Espargaro.
Das KTM-Konzept auf dem Prüfstand
KTM betonte immer wieder, dass man am Konzept mit dem Stahl-Gitterrohrrahmen festhalten wird. Doch das dachte man jahrelang auch bei Ducati, die dieser Tradition erst in der MotoGP und später auch in der Superbike-WM den Rücken zukehrten und seit der MotoGP-Saison 2012 mit einem gewöhnlichen Alurahmen antreten.
Zweifel am eigenen Konzept sind qualvoll. Bei einem viele Millionen schweren Projekt wie dem MotoGP-Engagement von KTM muss viel Überzeugung im Spiel sein, um sich nicht verleiten zu lassen, auf die Technologie zu setzen, die andere Hersteller zum Erfolg führt. Diese Ausdauer und diese Beharrlichkeit sind bewundernswert und können ein Trumpf sein.
Exot im MotoGP-Paddock: KTM geht einen anderen Weg als die Konkurrenz Foto: LAT
Die Michelin-Einheitsreifen haben spezielle Bedürfnisse. Es ist offensichtlich, dass die Kombination Alurahmen/Öhlins-Federelemente mit der Charakteristik der Reifen sehr gut harmoniert. Offensichtlich konnte KTM zwischen Jerez und Le Mans einen großen Schritt in Richtung Spitze machen.
Beim privaten Test wird der Grundstein gelegt
Möglich wurde das durch einen Test vor dem Jerez-Rennen. KTM nutzte das Reglement und absolvierte mit den Stammpiloten einen Test in Le Mans, bei dem eine Vielzahl neuer Teile probiert wurde. In Jerez konnten die KTM-Piloten die Neuerungen noch nicht richtig nutzen, doch in Le Mans platzte zumindest bei Espargaro der Knoten.
Die Carbon-Schwinge an der KTM RC16 ist eine der Neuerungen Foto: LAT
"Ich sah Vale vor mir. Er pushte und konnte dennoch nicht wegfahren. Über 27 Runden konnte er mir gerade einmal zwei Sekunden abnehmen. Auf die Honda mit Marc fehlten uns am Ende des Rennens fünf Sekunden - das ist beeindruckend. Wir konnten sehen, dass sie keine Götter sind", hält er nach dem Frankreich-Grand-Prix fest.
Ich bin gespannt, ob KTM jetzt dauerhaft in den Top 6 mitmischen kann. Pol Espargaro träumt nach dem guten Rennen in Le Mans bereits von Podestplätzen im Trockenen. Wünschen würde ich es der Mannschaft aus Mattighofen - allein schon für den Mut, am eigenen Konzept festzuhalten und so der MotoGP mehr Abwechslung zu verleihen. Aber meine Zweifel bleiben.
Ihr,
Sebastian Fränzschky
Mit Bildmaterial von LAT.
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