Motegi: Wer letzte Nacht am schlechtesten geschlafen hat
Valentino Rossi und Jorge Lorenzo erleben auch in Motegi ein Desaster – Gehen die glorreichen Karrieren der beiden Weltmeister zu Ende?
Liebe Motorradfreunde,
nach dem Grand Prix von Japan ist es gar nicht so einfach, einen einzigen Fahrer zu finden, der im übertragenen Sinne schlecht geschlafen hat. Derzeit stehen alle MotoGP-Fahrer im Schatten von Marc Marquez und auch von Shootingstar Fabio Quartararo. Jack Miller brachte es nach dem Rennen auf den Punkt: "Marc lässt uns alle dumm aussehen".
Aber es sind drei Werksfahrer, die seit Wochen nicht die geforderten Leistungen bringen und im Spitzenfeld überhaupt keine Rolle spielen. Und die Welt steht nicht still. Wir erleben gerade einen Generationenwechsel, der sich wahrscheinlich bei den Vertragsverhandlungen für 2021/22 noch deutlicher abzeichnen wird.
Denn alle Topteams (mit Ausnahme von Honda) suchen den neuen Quartararo, der es mit Marquez aufnehmen kann. Für die älteren Fahrer im Feld wird es schwieriger werden, vor allem wenn die Leistung nicht passt. Und sie passt seit Wochen nicht bei Valentino Rossi und Danilo Petrucci. Und Jorge Lorenzo ist in diesem Jahr generell ein Schatten seiner selbst.
Sollte Valentino Rossi aufhören?
Haben Sie Valentino Rossi bis zu dessen Sturz irgendwann im Fernsehbild gesehen? Bis noch vor wenigen Jahren war es undenkbar, dass Rossi kaum von den TV-Kameras eingefangen wird, selbst wenn er nicht um den Sieg gekämpft hat. Die Zeiten ändern sich. Rossi ist nicht mehr im Mittelpunkt des sportlichen Geschehens.
Keine Frage, dass er immer noch so beherzt kämpft und sich in die Arbeit kniet, ist absolut bemerkenswert! Bei den vergangenen Rennen hat er mit der neuen Carbon-Schwinge und dem neuen Auspuff gearbeitet, damit man im nächsten Jahr einen Fortschritt machen kann. Dieses Vorhaben wurde nun zu den Akten gelegt. Man wird sich im Winter wieder damit beschäftigen.
Pol Espargaro, Red Bull KTM Factory Racing, Valentino Rossi, Yamaha Factory Racing, Mika Kallio, Red Bull KTM Factory Racing, Francesco Bagnaia, Pramac Racing
Foto: Gold and Goose / Motorsport Images
In Motegi probierte Rossi eine andere Bremstechnik aus. Er betätigte die Vorderbremse nur noch mit zwei statt mit drei Fingern. Es ist natürlich löblich, dass der Italiener in allen Details versucht, besser zu werden. Seinen Fahrstil hat er in den vergangenen 20 Jahren mehrmals erfolgreich umgestellt. Aber irgendwie wirkt das auch wie ein letzter, verzweifelter Versuch. Denn Rossi ist derzeit der langsamste Yamaha-Fahrer. Das belegen alle Zahlen.
Wenn wir die Saison Revue passieren lassen, dann fing Rossi stark an. Er stand in Argentinien und Amerika als Zweiter auf dem Podest, aber dann ist die Serie gerissen. Die drei Stürze in Mugello, Barcelona und Assen waren nicht rühmlich. Auch dort fuhr er schon hinterher. Seither ist auch kein Aufwärtstrend zu erkennen. Rossi kommt aus dieser Spirale nicht heraus.
Ich denke, auch Rossi weiß selbst, dass die Zukunft von Yamaha Fabio Quartararo heißt. Der Franzose hat den schieren Speed, um Marquez herausfordern zu können. Rossi hat diesen Speed nicht mehr. Und im nächsten Jahr wird Quartararo noch besser werden. Die Aussichten für den dann 41-Jährigen werden nicht besser. Ob Rossi wirklich in seinem Abschiedsjahr derart hinterherfahren will?
Valentino Rossi, Yamaha Factory Racing
Foto: Gold and Goose / Motorsport Images
Rossi sagte immer, dass er seine Karriere nicht zu früh beenden wollte. Er nannte oft Michael Schumachers Ferrari-Rücktritt Ende 2006 und dessen Mercedes-Comeback 2010 als Beispiel. Aber droht Rossi den richtigen Zeitpunkt zu verpassen, seine glorreiche Karriere zu beenden? Yamaha-Teammanager Lin Jarvis meinte im Sommer, man wird zum gegebenen Zeitpunkt eine gemeinsame Entscheidung treffen.
Wird Yamaha sanften Druck ausüben, damit man Quartararo schon im nächsten Jahr ins Werksteam holen kann? Wer weiß. Noch gibt es von Rossi und Yamaha keine Signale, dass die #46 schon diesen Winter seinen Helm an den Nagel hängen wird. Aber ich bin mir sicher, dass Rossi für sich selbst schon darüber nachdenkt, wie es weitergehen wird. Denn um zehnte Plätze zu kämpfen, das wollte er bekanntlich nie.
Was passiert mit Jorge Lorenzo?
40 Sekunden Rückstand und Platz 17. Die Vorstellung von Lorenzo beim wichtigen Heimrennen von Honda war erneut unterirdisch. Trotzdem betont er gebetsmühlenartig, dass er seinen Zweijahresvertrag erfüllen will. Auch Honda-Teamchef Alberto Puig hat eine Trennung bisher nicht in den Mund genommen.
Dass Johann Zarco die nächsten drei Rennen für LCR-Honda bestreiten wird, soll ebenfalls für das Werksteam keine Rolle spielen. Puig betonte in Motegi, dass es "ein LCR-Problem" war, dass sie einen Ersatzfahrer gesucht haben und dass es mehr "ein Test für Zarco selbst" ist als ein Test für Honda, um zu sehen, ob Zarco ein Kandidat als Ersatz für Lorenzo sein könnte.
Jorge Lorenzo, Repsol Honda Team, Hafizh Syahrin, Red Bull KTM Tech 3, Karel Abraham, Avintia Racing, Sylvain Guintoli, Team Suzuki MotoGP
Foto: Gold and Goose / Motorsport Images
Derzeit halten alle Parteien dicht. Lorenzo wird auch 2020 der Teamkollege von Marquez sein. Honda ist für Loyalität bekannt und respektiert Verträge. Aber was werden wohl die großen Honda-Bosse in Motegi gesagt haben, als sie die Vorstellung von Lorenzo gesehen haben? Wir wissen es nicht, aber glücklich werden sie bestimmt nicht gewesen sein.
Es stimmt natürlich, dass Lorenzo bei den Wintertests im vergangenen November mit der 2018er-Honda nicht so schlecht war und auch nahe an den Zeiten von Marquez war. Wenn es Honda gelingt, das 2020er-Motorrad für Lorenzo (und Crutchlow) fahrbarer zu machen und Lorenzo über den Winter fit wird, dann könnte die nächste Saison ganz anders aussehen. Aber ob das alles so passieren wird, bleibt abzuwarten.
Der dritte Werksfahrer, der seit Wochen hinterherfährt, ist Danilo Petrucci. Auch das Meeting vor Thailand in der Ducati-Fabrik hat nicht den entscheidenden Durchbruch gebracht. So wie in Buriram wurde es auch in Motegi Platz neun. Es muss dringend etwas geschehen, damit "Petrux" wieder zurück zu seiner Frühlingsform findet. Denn wenn es so weitergeht, dann ist mehr als ungewiss, ob Ducati auch 2021 an ihm festhalten wird.
Ihr,
Gerald Dirnbeck
P.s.: Die Kolumne "Wer letzte Nacht am besten geschlafen hat" finden Sie auf unserer Schwesterseite Motorsport-Total.com. Dieses Mal dreht sich alles um Tom Lüthi.
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