MotoGP-Funksystem kommt 2025: Francesco Bagnaia übt heftige Kritik
Ab 2025 werden die MotoGP-Piloten über Funk auf dem Laufenden gehalten: Dorna plant stufenweise Einführung - Aleix Espargaro dafür, Bagnaia strikt dagegen
Francesco Bagnaia hält nichts vom Plan der Dorna, MotoGP-Funk einzuführen
Foto: LAT Images
Tests mit einem MotoGP-Funksystem zwecks Kommunikation mit den Fahrern, während sie auf ihren Motorrädern sitzen: Das hat es in den vergangenen Jahren schon mehrmals gegeben.
Anlässlich des jüngsten MotoGP-Tests am Montag dieser Woche in Misano wurde erneut mit einem Funksystem experimentiert. Und mittlerweile ist durchgesickert, dass MotoGP-Promoter Dorna für die kommenden Jahre eine stufenweise Einführung plant.
Laut Informationen unserer Kollegen von Motorsport.com Spanien wurden die MotoGP-Teams am vergangenen Donnerstag von der Dorna darüber informiert, dass die erste Stufe eines Funksystems im Renneinsatz bereits 2025 gezündet werden soll.
Dorna plant stufenweise Einführung ab 2025
Im ersten Schritt soll es dabei ausschließlich um das Thema Sicherheit gehen, weshalb die Kommunikation zunächst lediglich aus kurzen, prägnanten Audionachrichten von der Rennleitung zu den Fahrern vorgesehen ist.
Im zweiten Schritt, über dessen Einführung für 2026 nachgedacht wird, soll das Funksystem dann in beide Richtungen funktionieren. Das heißt, dass die MotoGP-Piloten auf Nachrichten von der Rennleitung auch antworten können. Beschlossen ist dieser Schritt aber noch nicht.
Und in einem dritten Schritt, der ebenfalls noch nicht beschlossen ist, könnte das Funksystem sogar dahingehend erweitert werden, dass es einen Boxenfunk zwischen Teams und Fahrern gibt, wie man ihn beispielsweise aus der Formel 1 oder anderen Autorennserien kennt.
In der Königsklasse der Motorrad-WM wird unter der Feder von Dorna-Technologieleiter Sergi Sendra bereits seit Jahren an einem Funksystem gearbeitet. So wurde eine erste Version bereits im September 2020 in Misano getestet, damals von Stefan Bradl.
Beim offiziellen Misano-Test 2020 und auch bei den offiziellen Tests im Jahr 2023 in Jerez und Valencia wurde das Funksystem von mehreren MotoGP-Piloten getestet, wobei man seitens der Dorna immer wieder nachgebessert hat.
Am vergangenen Montag in Misano nun war nochmals eine Weiterentwicklung im Einsatz. Diesmal fuhren unter anderem Aprilia-Pilot Aleix Espargaro, Yamaha-Pilot Fabio Quartararo und Aprilia-Testfahrer Lorenzo Savadori mit dem Funksystem.
In der neuesten Spezifikation sitzt der kleine Lautsprecher erstmals nicht im Inneren des Ohrs, sondern am Ohrläppchen. Damit sollen Störungen des Gleichgewichtssinns - die nach den ersten Tests von mehreren MotoGP-Piloten als Kritik angebracht wurden - verringert werden. Wie fallen die Meinungen jetzt aus?
Aleix Espargaro macht sich für Funk-Einführung stark
"Ich teste das jetzt schon seit drei Jahren", sagt Aleix Espargaro und verrät: "Tatsächlich bin ich einer derer, die sich bei der Dorna für die Einführung eines Funks stark gemacht haben." Seine Begründung: "Wir müssen uns einfach an neue Technologien gewöhnen, solche ausprobieren und immer weiter verbessern. Sobald das System einsatzbereit ist, wird es eine Verbesserung darstellen, da bin ich mir sicher."
"Klar, auf Strecken wie hier in Misano wird man als Fahrer kaum sprechen können", sagt Espargaro und verweist auf das kurvenreiche Layout, das häufiges Fahren in Schräglage verlangt. "Auf Strecken wie in Malaysia hingegen", denkt der MotoGP-Routinier an den Sepang International Circuit mit seinen langen Geraden, "wird es sehr einfach sein, während der Fahrt zu sprechen".
Auch Fabio Quartararo sagt: "Gemeinsam mit Sergi [Sendra] arbeiten war ja schon länger daran. Ich finde, es ist aus vielerlei Hinsicht eine gute Idee. Ich muss sagen, wir machen stetig Fortschritte, aber so laut wie das Motorrad ist, fällt es trotzdem schwer, etwas zu hören [über Funk]. Meiner Meinung nach müssen wir an der Lautstärke noch ein bisschen arbeiten."
Bagnaia übt heftige Kritik und sieht für sich Strafen kommen
Aber es gibt auch Stimmen im Fahrerlager, die ganz anders klingen. Einer der größten Gegner der Einführung eines MotoGP-Funksystems ist der zweimalige und amtierende Weltmeister Francesco Bagnaia.
"Ich habe es probiert. Es drückt auf den Knochen", sagt er über das System im Helm und vergleicht: "Wenn du dir einfach mal 30 Sekunden lang mit dem Finger auf eine Stelle drückst, dann beginnt das wehzutun. Jetzt stell dir mal vor, dass wir 40 Minuten mit so einem Ding fahren sollen. Das ergibt für mich keinen Sinn."
"Wir haben doch schon jetzt alle möglichen Systeme, die uns vor allen möglichen Dingen warnen. Sei es das Dashboard, sei es die Boxentafel. Meiner Ansicht nach gibt es keinen Grund, einen weiteren Kommunikationsweg einzuführen, der noch dazu eine Ablenkung ist", sagt Bagnaia und warnt: "Wir fahren nun mal auf Geräten, die es uns nicht erlauben, abgelenkt zu werden."
Bei MotoGP-Promoter Dorna sieht man das anders und will Funkkommunikation in der MotoGP-Szene anhand des eingangs skizzierten Stufenplans einführen. Deshalb stellt sich Bagnaia schon jetzt darauf ein, dass er in Zukunft häufig bestraft wird, wenn er das Funksystem entgegen der dann geltenden Vorgaben nicht einsetzen wird.
"Ich werde es wohl so machen wie Jordan", verweist Bagnaia auf Basketball-Legende Michael Jordan: "Er wurde damals in jedem Spiel bestraft, weil er rote Schuhe trug (statt der damals von der NBA vorgeschriebenen weißen Schuhe; Anm. d. Red.). Auch ich werde wohl künftig jedes Mal Jordan-Strafen kassieren, denn so etwas [wie das Funksystem] werde ich mir nicht anziehen."
Acosta hält nichts davon und kontert cool auf Espargaro
Pedro Acosta sieht es ähnlich. "Ich halte nicht viel davon", sagt der MotoGP-Rookie über die geplante Einführung des Funksystems und erklärt: "Wir dürfen nicht vergessen, dass sich unser Kopf beim Fahren bewegt. Und ich würde doch sagen, dass der Kopf zu wichtig ist, um irgendwelche lustigen Sachen damit zu machen."
"Ich halte zum Beispiel auch nichts von den Kameras im Overall", bemerkt Acosta. "Aber gut, wenn du dir wegen so einem Ding das Schlüsselbein brichst, dann kannst du dir eine Platte einsetzen lassen und trotzdem fahren. Beim Kopf ist es was anderes. Der ist meiner Meinung nach doch zu wichtig."
Angesprochen darauf, dass sich Aleix Espargaro als großer Fan des Funksystems outet und sich sogar explizit für eine Einführung stark macht, reagiert Acosta cool: "Logisch, er tritt ja zurück!"
Espargaros Aprilia-Teamkollege Maverick Vinales sieht vor allem in der angekündigten ersten Stufe eines Funksystems im Renneinsatz - nämlich den kurzen Audionachrichten ausschließlich von der Rennleitung an die Piloten - einen Mehrwert.
"Ich finde, im Sinne der Sicherheit ist das eine richtig gute Sache", sagt Vinales und skizziert ein Beispiel: "Wenn in Portimao hinter der Kuppe jemand stürzt, kannst du das nicht sehen. Okay, es gibt dann gelbe Flaggen, aber du hast keine Zeit zum Ausweichen."
"Wenn es künftig in einem solchen Fall einen Funkspruch gibt, der da lautet: 'Fahrer auf der Strecke', dann bist du sofort gewarnt. Deshalb denke ich, dass es hinsichtlich der Sicherheit eine gute Sache ist", so Vinales.
Wäre Boxenfunk in Flag-to-Flag-Rennen eine gute Idee?
Am vergangenen Wochenende in Misano kam das Thema MotoGP-Funk noch in einem anderen Zusammenhang auf. Da das Rennen am Sonntag ein sogenanntes Flag-to-Flag-Rennen war, in dem Motorradwechsel aus Gründen veränderter Streckenbedingungen (Regen) erlaubt waren, wurden die Top 3 nach dem Rennen gefragt, ob sich sie Boxenfunk im Falle von Flag-to-Flag-Rennen vorstellen könnten.
Marc Marquez war am Sonntag in Misano der Sieger, nachdem er - wie die meisten, aber anders als Jorge Martin - auf einen Motorradwechsel verzichtete. Nach dem Rennen sagte Marquez: "Bei solchen Bedingungen ist es immer der Fahrer, der entscheidet. Es ist einfach unmöglich, dass das Team weiß, in welchem Zustand sich die Strecke befindet. In einem solchen Fall ist das einzig und allein eine Gefühlsentscheidung des Fahrers."
Damit bezog sich Marquez konkret auf eine Verschlechterung des Streckenzustands an, nämlich wenn die Fahrbahn zunächst trocken ist und dann Regen kommt. Im umgekehrten Fall könnte sich der achtmalige Motorrad-Weltmeister eine Unterstützung seitens der Box durchaus vorstellen.
"Natürlich", so Marquez, "könnte eine Kommunikation mit dem Team nützlich sein für den Fall, wenn die Strecke abtrocknet. Dann nämlich können sie dir sagen, wenn jemand schneller ist, und ob es an der Zeit wäre, an die Box zu kommen oder draußen zu bleiben. Wenn sich aber der Streckenzustand von trocken zu nass ändert, dann ist der Fahrer immer derjenige, der entscheidet".
Auf Nachfrage, ob er sich mit Blick auf die kommenden Jahre für die Einführung von MotoGP-Boxenfunk nach Formel-1-Vorbild aussprechen würde, antwortete Marquez bei dieser Gelegenheit: "Im Sinne der Show ja, im Sinne des Sports nein. Aber es ist nun mal so, dass wir auch aus Gründen der Show fahren. Deshalb glaube ich schon, dass es für die Leute zu Hause vor dem Fernseher interessant wäre."
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