Valentino Rossi: "Noch nie war ein Fahrer so schmutzig wie Marc Marquez"
In einem Podcast spricht Valentino Rossi über die Höhe- und Tiefpunkte seiner Karriere und erneuert dabei die Vorwürfe gegen Erzfeind Marc Marquez
2015 gerieten Valentino Rossi und Marc Marquez auf und abseits der Strecke aneinander
Foto: LAT Images
Als Marc Marquez vor gut einer Woche ausgerechnet auf der Heimstrecke von Valentino Rossi seinen zweiten MotoGP-Sieg mit Gresini-Ducati feierte, waren von den Tribünen und Rängen einmal mehr Pfiffe und Buhrufe zu hören.
Francesco Bagnaia, mit dem Marquez ab der nächsten Saison im Ducati-Werksteam fahren wird, stand neben dem Spanier als Zweiter auf dem Podium und hielt die Zuschauer mit eindeutigen Gesten an, das Buhen zu unterlassen.
Eine Szene, die in den sozialen Medien auf ein großes Echo stieß - genauso wie jüngste Äußerungen von Rossi im Podcast "Mig Babol" mit Ex-Moto2-Pilot Andrea Migno.
Doch anders als Bagnaia gießt der Ende 2021 zurückgetretene neunfache Weltmeister lieber weiter Öl ins Feuer, was seine über die Jahre gereifte Feindschaft mit Marquez betrifft. Fast zehn Jahre ist es her, als diese in der Saison 2015 eskalierte. Doch Rossi erinnert sich daran, als wäre es erst gestern passiert.
"Wir starteten in Katar und ich wusste, dass meine Hauptgegner im Kampf um den Weltmeistertitel Marquez und Lorenzo waren", beginnt er seine Erzählung. "Im Rennen, in der ersten Kurve, fuhr Marc geradeaus. Du kennst das, wenn du so ein Gefühl hast ... Es ist ein Zeichen, wie damals in Jerez, als mich Elias zu Boden schickte."
"Ich bin sehr abergläubisch. Aber als ich das sah, dachte ich: 'Das fängt ja gut an.' Danach lief alles gut, wir kamen nach Argentinien und dort begann der Ärger mit Marquez."
In Argentinien begann die Rossi-Marquez-Fehde
Marquez führte das Rennen damals an, war aber auf dem Medium-Reifen unterwegs. Rossi hatte sich für die harte Variante entschieden und begann, in der zweiten Rennhälfte aufzuholen. "Ich kam in einen starken Rhythmus und drehte schnelle Runden. Ich sah, dass ich näher kam, und dachte: 'Ich kriege ihn.'"
"Ich war stärker als er. Für mich war es eine Formalität, ihn zu überholen. Ich nahm seinen Windschatten auf der Geraden und überholte ihn beim Anbremsen. Bis zu diesem Zeitpunkt verstanden Marc und ich uns gut", betont Rossi.
Der Italiener ging vorbei, doch Marquez ließ nicht locker. In der nächsten Rechtskurve kam es zu einer ersten Berührung. "Er dachte, dass die einzige Möglichkeit, mich zu stoppen, darin bestand, mich anzufahren. Er versuchte sofort, mich zu Fall zu bringen, obwohl ich vorne war", beschreibt es der 45-Jährige.
Er ist überzeugt: "Er tat es absichtlich, um mich zu Fall zu bringen, weil er nicht verlieren wollte. Also kehrte ich auf meine Linie zurück, wir berührten uns (erneut) und er stürzte. Ab diesem Moment war unsere Beziehung zerrüttet. Er tat weiterhin so, als würde er gut mit mir auskommen, aber das war nur Fassade."
Beim nächsten Rennen in Assen gerieten Rossi und Marquez erneut aneinander. Diesmal kam es in der letzten Runde, der letzten Schikane zum Kontakt. "Ich hatte schon am Limit gebremst. Er tat das nur, um mich zu rammen. Er drängte mich raus, aber zum Glück gibt es diese Schikane, ich schnitt sie und gewann."
"Im Parc Ferme war er stinksauer. Ich hatte ihn noch nie so gesehen. 'Ah, es ist einfach, so zu gewinnen, du hast abgekürzt!', sagte er. Ich antwortete ihm: 'Aber entschuldige, es ist normal, dass ich abkürze. Du bist auf mich draufgefahren."
"'Was soll ich denn machen? Sag es mir. Du musst objektiv sein. Wenn du mich anfährst und in den Kies drängst, soll ich dich dann gewinnen lassen?' Ab da war es vorbei."
Verschwörungstheorie: Marquez unterstützt Lorenzo
Im Paddock sei ihm daraufhin zu Ohren gekommen, dass das Marquez-Lager einen Titelgewinn Rossis verhindern wolle. "Sie sagten: 'Wir gewinnen die WM nicht mehr, aber er auch nicht.'" Eine Theorie, die Rossi in Phillip Island bestätigt sah.
Aus seiner Sicht bremste Marquez das Feld dort willentlich ein, um Jorge Lorenzo, Rossis einzigen verbliebenen WM-Gegner, vorne entkommen zu lassen und den Italiener selbst in Zweikämpfe zu verwickeln. Auch wenn Marquez Lorenzo am Ende noch einholte und gewann, war Rossi überzeugt: Er fuhr für Lorenzo.
"Erinnern wir uns daran, dass Marc dort nichts mehr damit zu tun hatte. Die WM wurde zwischen mir und Lorenzo entschieden. Das ist der Kern: Wenn du kämpfst, okay, aber wenn du nichts damit zu tun hast, musst du den Respekt haben, den anderen nicht auf die Nerven zu gehen. Du musst versuchen zu gewinnen, Punkt."
"Was bringt es dir, dich in so eine Sache einzumischen? Kümmere dich um deinen eigenen Kram! Es war übrigens eine wunderschöne WM, ein großer Kampf zwischen mir und Lorenzo!" Doch dieser endete für Rossi in Malaysia vorzeitig.
"Sepang Clash" kostet Rossi den zehnten WM-Titel
Beim vorletzten Saisonrennen kam es zum berühmt-berüchtigten "Sepang Clash" zwischen ihm und Marquez. Diesem ging es ein rundenlanger Kampf der beiden Kontrahenten voraus: "In Malaysia hat er mich während des gesamten Rennens behindert und gestört. Er versuchte, mich drei- oder viermal zu Fall zu bringen."
"Dann, in der langen Rechtskurve, kam ich ihm näher und sah ihm ins Gesicht, als wollte ich sagen: 'Jetzt reicht's, was machst du?!' Wir berührten uns, aber ich habe große Zweifel an diesem Kontakt. Keine Ahnung, eigentlich verhakte sich sein Bremshebel in meinem Knie. Ich wollte ihn nicht zu Fall bringen, aber er stürzte."
Dafür, dass er seinen zehnten WM-Titel verpasste, gibt Rossi Marquez die Schuld
Foto: Motorsport Images
Das kostete Rossi am Ende den Titel. Man entschied, dass er beim Saisonabschluss in Valencia von ganz hinten starten muss. "Mir gefror das Blut, weil ich wusste, dass ich die WM verloren hatte", erinnert er sich an den Termin bei der Rennleitung.
"Meine erste Reaktion war, Marquez anzusehen. Er hatte den Kopf gesenkt. Wir hatten gestritten, weil ich ihm gesagt hatte, dass er diese Sache für den Rest seiner Karriere mit sich herumtragen würde. Es ist widerlich, einen anderen verlieren zu lassen."
"Als sie mir sagten, dass ich als Letzter starten würde, hob er den Kopf, sah er (Emilio) Alzamora (Manager) an und lächelte, nickend, als wollte er sagen: 'Wir haben es geschafft.'"
Bei Rossi sitzt dieser Stachel auf fast zehn Jahre danach noch immer tief, weshalb er bis heute kein gutes Haar an Erzfeind Marquez lässt. Zwar räumt der Italiener ein: "Marquez ist ein unglaublich starker Fahrer, ein Ausnahmetalent. Er war schon immer sehr aggressiv. Aber 2015 hat er eine Grenze überschritten."
"Es gibt viele, die böse, aggressiv, an der Grenze des Schmutzigen sind. Ich könnte viele Beispiele nennen, aber nie hat jemand, von den Ausnahmetalenten des Motorsports, gekämpft, um einen anderen Fahrer verlieren zu lassen. Das ist die Grenze."
"Wer das in der Vergangenheit getan hat, tat es für sich selbst, weil er gewinnen und überlegen sein wollte. Aber nie war jemand so schmutzig für jemand anderen."Diese Story teilen oder speichern
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