Wer letzte Nacht am schlechtesten geschlafen hat: Maverick Vinales
Die Performance von Austin kann Vinales weiterhin nicht reproduzieren - Selbst auf seiner Paradestrecke Silverstone steht er im Schatten vom "alten" Espargaro
Seit Austin war Maverick Vinales am Sonntag nicht mehr in Podiumsnähe
Foto: Motorsport Motorsport
Liebe MotoGP-Fans,
die Ducati-Dominanz hat sich auch nach der Sommerpause fortgesetzt. In Jerez, Le Mans, Barcelona, Mugello, Assen, auf dem Sachsenring und nun auch in Silverstone jubelten ausschließlich Ducati-Fahrer nach dem Grand Prix vom Podest.
Noch nie zuvor ist das bei sieben Rennen hintereinander einer Marke gelungen. Wie schon an den Rennwochenenden zuvor war Aprilia der erste und eigentlich einzige Herausforderer. Von der Poleposition gelang Aleix Espargaro im Sprint Platz drei.
Aber am Sonntag war er mit Rang sechs chancenlos. Noch chancenloser war sein Teamkollege Maverick Vinales. Silverstone ist sowohl für Espargaro als auch für Vinales eine sehr gute Strecke, wie ihre Erfolge und ihre Performance dort in der Vergangenheit gezeigt haben.
Aber dass Vinales derart im Schatten vom "alten" Espargaro steht, ist dann doch bedenklich. Er hat am Samstag genauso wie Miguel Oliveira über eine zu stark eingreifende Traktionskontrolle geklagt. Am Sonntag regelte sie weniger, aber der Hinterreifen war nach sieben Runden verheizt.
Der für mich entscheidende Punkt ist trotzdem, dass wir von Vinales bisher erst zwei ganz starke Wochenenden gesehen haben. Das war zunächst Portimao und anschließend ist er in Austin alles in Grund und Boden gefahren und hat dominiert.
Ich habe Paolo Bonora, Rennmanager und Techniker bei Aprilia, nach den Gründen für die Dominanz in Austin gefragt. "Das ist eine sehr interessante Frage, die wir uns auch oft selbst gefragt haben", beginnt er seine Antwort.
"Wir haben verstanden, dass es einige Rennen gibt, die besser für einen Fahrstil passen. Austin war für Maverick schon in der Vergangenheit eine gute Strecke. Um ganz ehrlich zu sein, wir hätten so ein Ergebnis nie erwartet. Er ist ein wunderbares Wochenende gefahren."
Nur in Austin ist Maverick Vinales über sich hinausgewachsen Foto: Motorsport Images
Vinales hat in Austin das gezeigt, was er kann. Und ich glaube, das wissen wir alle. Aber der Knackpunkt in seiner Karriere ist einfach, dass er es im Jahr einmal, zweimal und vielleicht ein drittes Mal schafft, so eine Performance zu zeigen.
Warum Ducati am Sonntag dermaßen dominiert
Klar muss auch Aprilia Hausaufgaben machen. Wir haben in den vergangenen Wochen ein interessantes Muster gesehen. Am Freitag ist Aprilia fast auf Augenhöhe mit Ducati und man hat das Gefühl, dass sie wirklich an der Spitze mitmischen können.
Am Samstag wird es dann schon schwieriger, aber im Sprint sind noch Podestplätze möglich. So wie Vinales in Le Mans und Assen gezeigt hat, Oliveira am Sachsenring und nun Espargaro in Silverstone. Aber am Sonntag ist man gegen Ducati komplett chancenlos.
Die drei GP24-Fahrer sind spätestens am Sonntag in ihrer eigenen Liga Foto: Motorsport Images
An diesem Punkt möchte ich gerne einen kleinen Blick zurückwerfen. Als wir im Frühling 2020 im Corona-Lockdown gesessen sind, hat Ducati zu einer Videokonferenz eingeladen. Es ging damals um Lenovo.
Für mich war das in erster Linie eine Marketingveranstaltung, in der Ducati einen Partner vorstellen wollte. Deshalb habe ich dem damals keine große Bedeutung beigemessen. Es wurde betont, wie wichtig die Hard- und Software für die Datenverarbeitung ist. Eh klar.
Mittlerweile ist aber glasklar, dass das ein ganz entscheidender Punkt für die Ducati-Dominanz ist. Klar, sie haben acht Motorräder im Feld. Aber es geht trotzdem darum, die Daten rasch zu interpretieren und in kürzester Zeit die richtigen Änderungen am Set-up vorzunehmen.
Aprilia hat für die restliche Saison ein großes Ziel
Diesen Vorteil hat sich Ducati in den vergangenen Jahren erarbeitet. Deshalb wird die Desmosedici von Training zu Training, von Tag zu Tag schneller, bis man am Sonntag unschlagbar ist. Und je länger die Saison dauert vor allem mit der GP24.
Das Jahresmodell GP23 kann da nicht ganz mithalten, weil das Motorrad nicht für den aktuellen Hinterreifen entwickelt worden ist. Deshalb sind alle GP23-Fahrer am absoluten Limit und mittlerweile am Sonntag gegen die GP24 praktisch chancenlos.
Deshalb hat Aprilia für die zweite Saisonhälfte ein großes Ziel, wie mir Bonora gesagt hat: "Unsere Simulationen müssen besser werden, damit wir von Session zu Session die Elektronik anpassen können, damit die Konfiguration des Motorrads besser zu den Bedingungen passt."
Gelingt Aprilia eine bessere Umsetzung der Datenanalyse? Foto: Aprilia
Wir werden genau beobachten, ob Aprilia in den kommenden Monaten auf den unterschiedlichsten Strecken und bei unterschiedlichsten Bedingungen diesbezüglich Fortschritte macht. Seit Silverstone hat man zumindest vier fast gleiche Konfigurationen auf der Strecke.
Zieht Jorge Martin mittelfristig das goldene Los?
Gelingt das Aprilia und kann man tatsächlich vom Freitag bis zum Sonntag vergleichbare Schritte wie Ducati machen, dann hätte man auch am Sonntag zumindest die Chance, die drei starken GP24-Fahrer anzugreifen und Druck zu machen.
Dafür braucht Aprilia aber auch einen Fahrer, der nicht nur einmal, zweimal oder vielleicht dreimal im Jahr eine super Performance abliefert, sondern immer und überall. Und genau das zeigt Jorge Martin, dessen pure Performance immer top ist.
Jorge Martin ist ab dem nächsten Jahr der Hoffnungsträger von Aprilia Foto: Aprilia
Vielleicht hat Martin mit dem Wechsel zu Aprilia mittelfristig das goldene Los gezogen. Aber um das realistisch beurteilen zu können, müssen wir auf jeden Fall noch ein Jahr bis nächsten Sommer warten.
Ihr,
Gerald Dirnbeck
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