"Smoke on Fire": Tony Stewart und seine Achterbahnfahrt
Altmeister Tony Stewart gewinnt nach drei Jahren Pause wieder einmal ein Sprint-Cup-Rennen: Wie geht die Geschichte seiner Abschiedssaison nun weiter?
"Smoke will rise again". So lautet das zugegebenermaßen etwas insidermäßige Motto rund um Tony Stewart.
Oder besser gesagt: Rund um dessen fast unendliche Leidensgeschichte der vergangenen Jahre.
Sein bis dato letzter Sprint-Cup-Sieg kam im Juni 2013, auf der Monster-Mile von Dover. Damals trickste er im Finale einen gewissen Juan-Pablo Montoya aus und holte seinen Karriere-Erfolg Nummer 48.
Business as usual. Dachte man.
Denn niemand, wohl auch nicht Stewart selbst, rechnete damit, dass es 85 Sprint-Cup-Wochenenden dauern würde, bis am Sonntagabend in Sonoma die Nummer 49 folgen würde.
Hier geht es zum Rennbericht aus Sonoma
Es war die längste Durststrecke einer langen Karriere.
Der Dover-Erfolg gegen Montoya bedeutete, dass Stewart in jedem seiner 15 Cup-Jahre mindestens einen Sieg gelandet hatte. Doch das Unheil folgte quasi auf dem Fuß.
Beinbruch und Tragödie
Anfang August 2013 brach er sich bei einem schweren Dirt-Track-Crash das rechte Bein. Es folgten mehrere Operationen und das Aus für den Rest der Saison.
Damit war auch klar, dass Stewart seine Serie von 521 aufeinanderfolgenden Cup-Starts abreißen lassen musste. Seit dem Daytona 500 des Jahres 1999 hatte "Smoke" bis dahin kein einziges Rennen verpasst!
Als es in die NASCAR-Saison 2014 ging, war Stewart für Daytona, wie er selbst sagte, erst "zu 70 Prozent" wiederhergestellt. Dementsprechend zäh verlief dieses Jahr, bis im August der nächste Tiefschlag folgte.
Große Fotostrecke: Die Karriere von Tony Stewart
Wieder war es einer dieser Sprint-Car-Ausflüge, eine Sportart, an der Stewarts Herz so sehr hängt, dass er dort nicht nur ein eigenes Team betreibt, sondern mit Eldora sogar eine eigene Strecke besitzt.
Im Rahmen eines dieser Dirt-Track-Rennen kam es zu einer Motorsport-Tragödie, als Stewarts Sprint-Car mit dem unter Gelber Flagge auf die Strecke stürmenden Kevin Ward Jr. kollidierte.
Ward wurde von Stewarts rechtem Hinterreifen getroffen und starb.
"Das war eine der schlimmsten Tragödien, mit denen ich jemals umgehen musste", sagte ein sichtlich erschütterter Stewart, nachdem er drei NASCAR-Wochenenden pausiert hatte.
"Dies wird mein gesamtes Leben beeinflussen und ich verspüre eine Traurigkeit und einen Schmerz, von dem ich nicht hoffe, dass ihn ein anderer Mensch jemals erleben muss."
Sogar eine Klage gegen Stewart stand im Raum, die erst dann hinfällig wurde, als sich eine Grand Jury und in der Folge auch die Staatsanwaltschaft dagegen aussprach.
Dies betraf aber nur die rein juristische Seite.
Denn rein sportlich gesehen, brachte ein sichtlich angeschlagener Stewart nach diesen tragischen Geschehnissen kein Bein mehr auf den Boden.
Kein Daytona-500-Sieg
Sein Stewart/Haas-Chevrolet mit der Startnummer 14 war nur noch ein Schatten früherer Tage und als Stewart im Spätsommer 2015 seinen Rücktritt zum Saisonende 2016 bekanntgab, erschien dies als ein logischer und absolut nachvollziehbarer Schritt.
Ein Ziel blieb jedoch noch: Ein starkes Abschlussjahr 2016, doch auch dies schien dem dreifachen NASCAR-Champion nicht vergönnt zu sein.
Ende Januar 2016 brach sich Stewart bei einem Buggy-Unfall einen Lendenwirbel. Wieder ein Aus und so ging der Saisonauftakt von Daytona ohne den Stewart/Haas-Boss über die Bühne.
Was auch gleichbedeutend damit ist, dass Stewart in seiner großartigen Karriere das größte aller NASCAR-Rennen nicht gewinnen wird: Das Daytona 500. Damit reiht er sich ein in die Riege eines Rusty Wallace, eines Mark Martin oder der Brüder Terry und Bobby Labonte.
Erst Ende April in Richmond kam es zu einem Comeback.
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Eine Chase-Qualifikation nach dem Vorbild von Kyle Busch 2015 schien außerhalb jeglicher Reichweite. Zu suboptimal waren Stewarts Resultate, zu farblos seine Vorstellungen.
Das Comeback von Richmond ist gerade einmal acht Saisonrennen her und urplötzlich sieht die Sache anders aus.
Mit seinem Sonoma-Erfolg hat Stewart ein großes Kriterium in Sachen Chase-Qualifikation abgehakt. Für den Punkt der permanenten Rennmeldung hat ihm NASCAR bereits eine Ausnahmegenehmigung erteilt und die neun Punkte Distanz zu Rang 30 in der Gesamtwertung wird er aufholen.
Rückblende 2011
Was bleibt also festzuhalten?
Zum Jahresende 2016 wird Stewart seinen Hut nehmen, sein Nachfolger in der Startnummer 14 steht mit Clint Bowyer bereits fest.
Mit seinen nunmehr 49 Erfolgen steht er in der ewigen Bestenliste der NASCAR auf Platz 13. Wird es ihm sogar noch vergönnt sein, den runden Jubiläumssieg Nummer 50 einzufahren?
Oder gibt es gar eine Wiederholung der Ereignisse aus der Saison 2011?
Zur Erinnerung: Damals lieferte Stewart eine absolut durchschnittliche Saison ab und polterte im August, dass seine Mannschaft eigentlich gar keine Chase-Teilnahme verdient habe. So schlecht sei man unterwegs.
Sagte es, und holte wenige Wochen später im Chase zum ganz großen Wurf aus. Fünf Siege in zehn Playoff-Rennen reichten zu Titel Nummer drei.
Sein großer Konkurrent hieß damals Carl Edwards, der sicherlich nicht recht wusste, wie ihm geschah.
Und im Finale von Homestead kam es zu einer legendären NASCAR-Schlacht.
Edwards ging mit einem Mini-Vorsprung von drei Punkten ins Rennen und startete dazu noch von der Pole-Position.
Stewart hingegen kam nur von Startplatz 15 und musste im Rennverlauf gleich mehrere Rückschläge einstecken.
Auch das feuchte November-Wetter von Süd-Florida spielte in diesem NASCAR-Krimi eine Nebenrolle und als es endlich ins Finale ging, hatte Edwards sogar die Bonuspunkte für die meisten Lead-Laps eingefahren.
Doch Stewart weigerte sich aufzugeben. Refuse to lose, wie die Amerikaner sagen.
Und so kam es, wie es kommen musste: Ein wie besessen fahrender Tony Stewart bot gleich mehrere Aufholjagden auf einmal, kämpfte sich spät im Rennen tatsächlich in Führung, während Edwards am Ende hinter ihm auf Platz zwei förmlich verzweifelte.
Warum? Mit diesem Resultat gab es in der Gesamtwertung einen Punktegleichstand. Und in diesem Fall galt (und gilt) in der NASCAR die Regel, dass derjenige den Titel holen würde, der die meisten Einzelsiege erreicht hatte.
Und dies war durch seine fünf Chase-Erfolge Stewart und eben nicht Carl Edwards, der dem nur einen einzigen Sieg früh in der Saison in Las Vegas entgegen stellen konnte.
Lassen Kyle Busch und Jeff Gordon grüßen?
Es war ein NASCAR-Finale, dessen Ausgang ähnlich unwahrscheinlich erschien wie das, was Stewart und Co. am Sonntagabend in Sonoma gelang.
Es war die Geschichte von einem Piloten, der urplötzlich Lunte roch und sich an einem Ziel festbiss, das eigentlich unerreichbar schien.
Von einem Team, das alle zur Verfügung stehenden Tricks in die Waagschale warf, um einen nicht mehr für möglich gehaltenen Turnaround umzusetzen.
Oder anders formuliert: Es war genau das, was wir am Sonntagabend in Sonoma erlebten.
Und damit stellt sich die Frage: War Sonoma bereits sein letztes Wort? Oder kommt da noch etwas, was derzeit niemand für möglich halten kann oder will?
Wenn die Metapher zutrifft, dass Tony Stewarts Karriere in den vergangenen Jahren einer Achterbahnfahrt gleicht, dann würde am Ende noch ein Paukenschlag fehlen.
Zum Beispiel ein Paukenschlag im Stile eines Jeff Gordon, der in seiner Abschluss-Saison tatsächlich noch einmal die Final Four von Homestead erreichte.
Oder lässt sogar Kyle Busch grüßen, der vor Jahresfrist seine so unwahrscheinlich erscheinende Titelfahrt ausgerechnet mit einem Sonoma-Erfolg begann?
Oder sind all diese statistischen Besonderheiten nur Zufall und Tony Stewart lässt seine Karriere nun gemütlich ausrollen?
Nach dem Motto: "Ich habe es euch noch einmal gezeigt und nun kann ich mich in Ruhe auf mein Altenteil zurückziehen."
Sicherlich auch eine Möglichkeit, wenn, ja wenn da nicht die Ereignisse aus der Saison 2011 wären.
Fragt nach bei Carl Edwards und sagt nicht, dass wir euch nicht frühzeitig gewarnt hätten!
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