Die ehrgeizigen Pläne zur Neuauflage der A1GP-Serie
Mit dem ehemaligen Formel-1-Ingenieur Marcin Budkowski als Projektleiter soll im Winter 2024/25 eine von Grund auf neue Version der einstigen A1GP-Serie starten
Wenn alles nach Plan läuft, wird im Dezember 2024 eine Neuauflage von A1GP gestartet, die den Fahrern eine neue Möglichkeit bietet, in leistungsstarken Formelrennwagen zu fahren. Die ursprüngliche A1GP-Serie, die 2005 ins Leben gerufen wurde, wurde grundsätzlich als erfolgreich angesehen. Sie zog gute Teams und talentierte Fahrer an. Nico Hülkenberg etwa nutzte sie als wichtiges Sprungbrett in die Formel 1. Und das Konzept, dass Nationen gegeneinander antreten, war bei den Fans beliebt.
Aus kommerzieller Sicht funktionierte A1GP allerdings nicht. 2009 brach die ganze Rennserie zusammen. Anfängliche Versuche, sie mit den bestehenden Autos wiederzubeleben, waren nicht erfolgreich. Das neue, für den Winter 2024/25 angekündigte Projekt hat außer dem Namen und dem Gesamtkonzept nichts mit dem Original gemein.
Auch wenn es einfach wäre, skeptisch zu sein, muss der Plan aufgrund des Mannes, der dahintersteht, ernst genommen werden. Sir Keith Mills war eine Schlüsselfigur in der Organisation der Olympischen Spiele 2012 in London. Zu seinen anderen Sportprojekten gehörte unter anderem ein Programm im America's Cup, welches ein Engagement auf Formel-1-Niveau erforderte. Seine Origin Sports Group hat A1GP als ihr nächstes Projekt identifiziert.
Marcin Budkowski als Projektleiter
Um das Projekt zum Laufen zu bringen, wurde Marcin Budkowski, der de-facto-Teamchef von Alpine aus der Formel-1-Saison 2021, angestellt. Bevor er nach Enstone ging, war Budkowski bei Ferrari und McLaren tätig und arbeitete eine Zeit lang für die FIA. Mit seiner Erfahrung und seinen Kontakten ist er bestens geeignet, ein solches Projekt auf die Beine zu stellen.
"Die Herausforderung ist groß", sagt Budkowski gegenüber der englischsprachigen Ausgabe von 'Motorsport.com' und erklärt: "Ich glaube, dass die Idee sehr vielversprechend ist. Es ist ein aufregendes Projekt. Aber auch für mich ist es eine große Herausforderung, mit einem weißen Blatt Papier zu beginnen und etwas von Null an aufzubauen. Ich glaube, es ist diese Kombination, die mich dazu bewogen hat, mich an diesem Projekt zu beteiligen."
"Origin ist ein Sportrechte-, Marketing- und Veranstaltungskonzern, der immer auf der Suche nach neuen Möglichkeiten ist", so Budkowski und weiter: "Einer der Mitarbeiter wurde auf diese Gelegenheit aufmerksam, führte eine Analyse des Motorsportmarktes durch, erstellte einen Geschäftsplan und alles ergab Sinn."
"Origin hat äußerst erfolgreiche Unternehmenszweige im Segel- und im Golfsport. Die Leute sind sehr erfahren und seriös. Sir Keith Mills würde seinen Namen nicht unter dieses Projekt setzen, wenn es nicht seriös und in Bezug auf seine Grundlagen absolut solide wäre", sagt er.
Konzept von A1GP, aber keine Kopie
Budkowski betont, dass die Neuauflage von A1GP nichts mit der ursprünglichen Rennserie zu tun hat, außer der Verwendung des Namens, mit dem immer noch ein gewisses Wohlwollen verbunden ist. "Es ist im Grunde eine Wiederbelebung des Konzepts", sagt er. "Es ist keine Kopie der A1GP-Meisterschaft. Es ist vielmehr eine neue Meisterschaft, die aber das gleiche Konzept verwendet."
"Origin hat die Rechte an A1GP und dem World Cup of Motorsport gekauft. Die wurden voriges Jahr verfügbar. Wir besitzen also die Rechte und die Markenzeichen. Wir verwenden noch das alte Logo, aber das ist nur vorübergehend. Es wird ein Rebranding geben", verrät Budkowski.
Mills und seine Origin-Organisation bieten eine solide Grundlage. Aber sie benötigen erhebliche Investitionen, um das Projekt auf den Weg zu bringen. Eine neue Rennserie von Grund auf aufzubauen und alle Autos aufzubauen, das wird nicht billig.
"Wir sind gerade dabei, eine beträchtliche Summe auf dem Markt zu beschaffen", erklärt Budkowski. "Wir werden eine Organisation und eine Meisterschaft einrichten. Wir werden die Autos bauen, die Logistik organisieren und so weiter. Alles muss berücksichtigt werden. Die Gespräche laufen sehr gut und sind sehr weit fortgeschritten. Unser Ziel ist es, die Finanzierung bis zum Sommer abzuschließen und dann loszulegen."
"In unserem Bestreben, eine solide Grundlage für eine kommerziell nachhaltige Meisterschaft zu schaffen, werden wir die nächsten Schritte unternehmen, sobald wir alle erforderlichen Mittel gesichert haben. Aber ich kann sagen, dass der Stand der Dinge sehr positiv ist. Das Projekt ist weit fortgeschritten und wir sind optimistisch, dass wir alle erforderlichen Mittel bekommen werden", sagt er.
Kein Mangel an potenziellen Partnern
Mangel an potenziellen Partnern gibt es laut Budkowski nicht: "Wir haben in den vergangenen Monaten eine ganze Reihe von Gesprächen geführt, sowohl in der Finanzwelt als auch in der Welt des Motorsports und der Automobilbranche. Viele Leute sind interessiert. Und es gibt auch viele Leute, die sich von sich aus an uns wenden. Wir sind in der glücklichen Lage, dass wir im Moment die Wahl haben, wen wir einbinden wollen."
Marcin Budkowski ist für das Projekt A1GP-Neuauflage verantwortlich
Foto: Motorsport Images
Die eigentliche Frage ist, ob eine Neuauflage von A1GP für Origin oder irgendjemand anderen kommerziell sinnvoll ist. Das letzte Mal ist es kommerziell gescheitert. Auf der Liste der Rennserien mit Einheitsautos, die finanziell gescheitert sind, stehen außerdem solche wie Superleague Formula, Grand Prix Masters oder kürzlich die W-Serie.
"Ich tue mich schwer, mich zu den anderen Rennserien zu äußern", gibt Budkowski zu. "Ich kenne ihr Wirtschaftsmodell nicht, kenne ihren Geschäftsplan nicht und weiß nicht, wie solide ihr Rückhalt war. Ich kann nur sagen, wir haben umfangreiche Nachforschungen angestellt und den Hintergrund der ursprünglichen A1GP überprüft. Eins ist klar: Die Zuschauerzahlen waren ziemlich gut."
"Es hing vom Austragungsort ab, aber die Fans kamen, um das Rennen zu sehen. Und sie haben es genossen. Die TV-Zahlen waren sehr respektabel. Die Rennserie profitierte von der guten Berichterstattung. Aber das kommerzielle Modell hatte eine Reihe von Mängeln. Ich will nicht poltern, aber was den finanziellen Teil betrifft, war nicht alles ganz sauber und kugelsicher. Wir bauen jetzt etwas von Grund auf und mit einem soliden Fundament auf."
Was man aus dem Scheitern von A1GP gelernt hat
Welche Lehren wurden also aus dem Scheitern der ursprünglichen A1GP-Serie gezogen? "Das Geschäftsmodell der Teams und der Beteiligten war nicht gut genug", sagt Budkowski. "Und wie so oft im Motorsport gab es Teams, die kommerziell nicht überlebensfähig waren, weil sie nicht genug Geld hatten oder weil das Geschäftsmodell eines Teams einfach nicht stark und solide genug war. Wenn das der Fall ist, dann brechen Teams weg und hat man nicht genug Autos in der Startaufstellung."
"Und dann ist der Sender unzufrieden oder die Zuschauer sind unzufrieden, weil die Show nicht gut genug ist. Und dann verliert man Austragungsorte oder Zuschauer. Und dann bricht die ganze Sache zusammen. Beim Aufbau unseres Finanzmodells haben wir viel Mühe und Hirnschmalz in ein Modell gesteckt, das wirtschaftlich extrem nachhaltig ist, für die Teams, für die Austragungsorte, für die Veranstalter, für alle Beteiligten."
Ob es mit den Plänen der A1GP-Neuauflage für 2024/25 klappt?
Foto: Motorsport Images
"Wir haben bereits eine Reihe von Gesprächen mit Veranstaltungsorten und Veranstaltern geführt. Das Modell, das wir ihnen vorstellen, ist äußerst interessant und kostet nur einen Bruchteil dessen, was für die Durchführung eines Formel-1-Rennwochenendes notwendig ist. Das Gleiche gilt für das Teammodell. Eine der Säulen des Konstrukts, das wir aufbauen, ist die kommerzielle Nachhaltigkeit für alle beteiligten Akteure."
Der Plan sieht vor, dass sich die Teams zu Franchises entwickeln, auch wenn das erst dann der Fall sein wird, wenn die Serie mal Fuß gefasst hat. "Wir streben 20 Länder mit zwei Fahrern pro Land an", sagt Budkowski und kündigt an: "Wir haben ein recht innovatives Modell für die Art und Weise, wie die Meisterschaft funktionieren wird. Auch das Format der Rennwochenenden ist sehr innovativ und unterscheidet sich stark von allem, was man derzeit sieht."
Leistung zwischen F2 und F1 - Strecken mit FIA-Grade 2
Und wie sieht es mit dem technischen Paket aus? Es gibt noch keine endgültigen Details. Aber in Person von Mike Gascoyne ist ein ehemalige Formel-1-Technikchef involviert. Das deutet darauf hin, dass sein Unternehmen den Designprozess leiten könnte. "Eines der Konzepte der Meisterschaft ist es, Einheitsautos einzusetzen, sodass alle Fahrer die gleichen Autos fahren", sagt Budkowski. "Wir haben eine erste Fahrzeugspezifikation, die wir für die Aufstellung des Geschäftsplans verwendet haben. Aber es finden noch ein paar Gespräche statt. Es kann daher noch Änderungen geben."
"Wir sprechen hier von einer Leistung, die ein wenig über dem Niveau der Formel 2 oder der IndyCar-Serie liegt. Wir legen die Performance der Autos so fest, dass wir auf Rennstrecken mit Klassifizierung 2 der FIA fahren können. Wir wollen einfach Zugang zu spannenderen Strecken haben, die aktuell nicht unbedingt Klassifizierung 1 besitzen. Und wir wollen auch in Länder gehen, die kein Formel-1-Rennen haben, entweder weil sie es verloren haben oder weil sie nicht über die Strecke oder die staatliche Unterstützung für ein Formel-1-Rennen verfügen."
Die A1GP 2.0 peilt Strecken mit FIA-Grade 2 an, dazu gehört etwa der Sachsenring
Foto: Motorsport Images
"Wir sprechen mit Zulieferern, mit Beraterfirmen für das Thema Aerodynamik, mit Chassisherstellern, mit Motorenherstellern und so weiter. Der Schwerpunkt wird darauf liegen, ein Auto zu haben, das sehr gut fahrbar ist, das Spaß macht und eine vernünftige Basis mit sehr guten Eigenschaften hat, sodass die Fahrer wirklich pushen und es genießen können, diese Autos zu fahren."
"Wir sind wirklich leidenschaftlich daran interessiert, eine Meisterschaft zu erschaffen, in der die Rennen wirklich gut sind und die Fahrer Spaß daran haben, diese Autos zu fahren und sie ans Limit zu bringen. Mit gleichwertigen Autos, die interessant zu fahren sind und mit einem guten Niveau der Fahrer werden wir all diese Kriterien erfüllen", ist Budkowski überzeugt.
Nachhaltigkeit ein ganz wichtiger Aspekt
Die Tatsache, dass die Serie bei Null anfängt, erlaubt es auch, sich mit Umweltthemen zu beschäftigen. "Wir legen starken Fokus auf die ökologische Nachhaltigkeit", sagt er und erklärt, wie: "Mit einem Kalender, der darauf ausgelegt ist, Fracht und Logistik zu minimieren, weil das den größten Anteil am CO2-Fußabdruck des Motorsports ausmacht. Und wir verpflichten uns, von Anfang an hundertprozentig nachhaltige Kraftstoffe zu verwenden. Hinzu kommen Aspekte des Autodesigns und des Betriebs, sodass wir unterm Strich eine viel geringere Umweltbelastung haben als alle anderen großen existierenden Rennserien".
Wie bereits erwähnt, wird jedes Land zwei Fahrer stellen - ein Mischung aus Erfahrung und Jugend. Budkowski will nicht genau sagen, wie das funktionieren wird, deutet aber an, dass beide Fahrer an einem Rennwochenende zum Einsatz kommen werden: "Wir wollen junge Talente fördern. Deshalb wollen wir sicherstellen, dass die Meisterschaft für die Fahrer zugänglich ist. Das bedeutet, dass die Fahrer bezahlt werden und nicht auf erhebliche finanzielle Mittel angewiesen sind, um Rennen zu fahren."
Mit der ursprünglichen A1GP-Serie ging es nach vier Saisons zu Ende
Foto: Motorsport Images
"Wir wollen eine Mischung aus einerseits erfahrenen Fahrern, die in der Formel 1 oder anderen Topklassen gefahren sind, und anderseits jungen Fahrern, die aus den Nachwuchsserien kommen und talentiert sind, die aber vielleicht nicht über die Mittel verfügen, um es in ihrer Formelsportkarriere bis in die Formel 2 oder sogar in die Formel 1 zu schaffen. Wir wollen sicherstellen, dass diese Fahrer eine Möglichkeit haben, sich in einer Meisterschaft zu beweisen, die bezüglich der Leistung des Autos ganz oben steht, die aber mit einem anderen wirtschaftlichen Modell als die Formel 1 funktioniert."
Premierensaison für Winter 2024 bis Sommer 2025 geplant
Wenn alles nach Plan läuft, wird das erste Rennwochenende der neu aufgelegten A1GP-Serie in etwa 18 Monaten stattfinden, wobei der Schwerpunkt zunächst auf Rennen im europäischen Winter liegt. Der Zeitplan ist jedoch flexibel. "Ich bin vorsichtig, weil es davon abhängt, dass wir die gesamte Finanzierung innerhalb der uns gesetzten Fristen sicherstellen", bemerkt Budkowski.
"Aber das Ziel wäre, im Dezember 2024 zu starten. Und wir würden gerne die erste Hälfte der Saison in dem Zeitraum fahren, den ich als Niemandsland des Motorsports bezeichne, also die Zeit, in der es kein anderes gutes Motorsportangebot gibt. Unser Ziel ist es, die Saison bis in den Frühsommer hinein auszudehnen, also von Dezember '24 bis etwa Juni/Juli '25. Aber das hängt natürlich davon ab, ob es uns gelingt, die Beschaffung der finanziellen Mittel rechtzeitig abzuschließen."
Die Rechte an A1GP und "World Cup of Motorsport" hat man gekauft
Foto: Motorsport Images
Wird es klappen? Es ist unmöglich, darüber zu spekulieren, solange wir nicht mehr über das Geschäftsmodell, die Autos, die Fahrer und die Austragungsorte wissen. Allerdings hat die Formel E eine Lücke gefüllt, von der wir vor ein paar Jahren noch nicht wussten, dass sie existiert. Und die ursprüngliche A1GP-Serie deutete an, dass es durchaus einen Appetit auf eine Rennserie gibt, die auf nationalen Teams basiert.
"Um jeden Zweifel auszuschließen: Ich sage nicht, dass wir hier sind, um mit der Formel 1 zu konkurrieren oder ein Rivale der Formel 1 zu sein", stellt Budkowski klar und erklärt: "Wir bauen eine neue Motorsport-Meisterschaft auf, ein neues Angebot, das mit der Formel 1 koexistieren soll. Ich glaube, das wäre eine wirklich gute Ergänzung zur aktuellen Motorsportlandschaft."
Budkowski glaubt an "richtig aufregende Rennserie"
"Wir glauben, dass wir eine Alternative zu einigen anderen Meisterschaften bieten können und dass Fahrer, die es entweder nicht in die Formel 1 schaffen oder ihre Karriere in der Formel 1 nicht verlängern können, diese Möglichkeit als eine wirklich interessante ansehen würden. Wir glauben, dass es in der Welt des Motorsports und im Ökosystem des Motorsports Platz dafür gibt. Und wir glauben auch, dass der Aspekt Nation gegen Nation einen interessanten Aspekt darstellt."
Dieses Alleinstellungsmerkmal, das in der ursprünglichen A1GP-Serie gut funktioniert hat, wird das Schlüsselelement für den Erfolg oder Misserfolg des neuen Vorhabens sein - vorausgesetzt, es wird effektiv vermarktet. "Wir wollen die traditionelle Motorsport-Fangemeinde ansprechen, aber auch Leute, die gerne Sport treiben und ihre Nation unterstützen", sagt Budkowski.
"Wir alle sehen uns bei den Olympischen Spielen einige verrückte und neue Sportarten an, weil unsere Mannschaft dort antritt und gut abschneidet. Es gibt also ein Element des Sports, bei dem die Leute gerne ihr Land und ihre Fahrer unterstützen. Ich glaube, das verschafft uns Zugang zu einer Fangemeinde, die vielleicht nicht die traditionelle Motorsport-Fangemeinde ist."
"Aber wir sind auch sehr leidenschaftlich darin, ein Produkt zu entwickeln, das den Motorsportfan anspricht. Und das können wir mit dem, was wir auf die Beine stellen, erreichen. Wir können das Ganze zugänglich und nachhaltig gestalten und können wirklich talentierten Fahrern eine Möglichkeit geben. Ich glaube, wenn all diese Punkte erfüllt sind, dann wird es eine richtig aufregende Rennserie", so Budkowski.
Mit Bildmaterial von Motorsport Images.
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