Jonathan Rea: WSBK-Kawasaki bereitete ihm mehr Spaß als die MotoGP-Honda
Exklusive Einblicke: Jonathan Rea begründet, warum er auf der Kawasaki ZX-10RR aus der WSBK-Saison 2017 mehr Spaß hatte als auf der Honda RC213V
Superbike-Legende Jonathan Rea hatte vor elf Jahren die Chance, bei zwei Grands Prix die Werks-Honda von MotoGP-Champion Casey Stoner zu pilotieren. Damals war Rea in der Superbike-WM die Honda-Speerspitze.
Mit der Fireblade konnte Rea auf einigen Strecken um Siege kämpfen und war für HRC die logische Wahl, als sich Stoner verletzte. An die Einsätze in der MotoGP erinnert sich Rea mit gemischten Gefühlen, denn die Voraussetzungen waren alles andere als ideal.
Rea musste immer wieder zwischen seiner Pirelli-bereiften Honda Fireblade aus der WSBK und der Bridgestone-bereiften Honda RC213V aus der MotoGP wechseln. Dennoch zog sich Rea mehr als beachtlich aus der Affäre und fuhr bei den Einsätzen in Misano und Aragon in die Top 8.
Welche Erinnerungen Jonathan Rea an die Honda RC213V hat
Im Exklusiv-Interview erinnert sich Rea an die Saison 2012 und die Einsätze mit der Repsol-Honda: "Das MotoGP-Bike war natürlich das teuerste Motorrad, das ich je gefahren bin. Es war aus technischer Sicht auch das beste Motorrad, das ich je fuhr. Doch mein Gefühl damit war nicht so gut."
"Ich stand unter großem Druck", blickt Rea im Gespräch mit 'Motorsport-Total.com' zurück. "Es fiel mir schwer, das Motorrad richtig zu verstehen. Das Motorrad war ziemlich kompliziert. Das gilt auch für die Reifen, die damals verwendet wurden. Ich hatte einfach zu viel Respekt vor dem Motorrad."
Sprung ins kalte Wasser und viel Druck von HRC-Vize Shuhei Nakamoto
Zur Vorbereitung für den ersten Einsatz nahm Rea am Montags-Test in Brünn teil. Am 27. August sammelten die MotoGP-Stammpiloten Erfahrungen mit neuen Entwicklungen oder Abstimmungen. Rea kam an jenem Montag aus Moskau, wo das elfte Event der Superbike-WM 2012 stattfand.
Jonathan Rea mit HRC-Crewchief Giulio Nava, der aktuell Alvaro Bautistas Crewchief ist
Foto: Repsol
Nach seiner Ankunft in Tschechien wurde Rea von HRC-Vizepräsident Shuhei Nakamoto instruiert, der den Nordiren stark unter Druck setzte, den teuren MotoGP-Prototyp nicht durch einen Sturz zu beschädigen.
Beim Test in Brünn trug Jonathan Reas Motorrad ein "R" auf der Nummerntafel
Foto: Repsol
Diese Ansage schwirrte Rea durch den Kopf, als er im Autodrom Brno seine Runden drehte. "Ich hätte einfach fahren und das Limit über Stürze kennenlernen sollen. Sie teilten mir aber mit, dass ich es ruhig angehen soll", erinnert sich Rea an jenen Montag.
Großer Druck von HRC: Shuhei Nakamoto teilte Jonathan Rea mit, dass ein Sturz nicht akzeptabel ist
Foto: Honda
"Es war eine Art Belohnung für meine Dienste in der Superbike-WM. Ich sollte aufpassen, dass ich mich nicht verletze und dass ich das Motorrad nicht beschädige. Vermutlich war es das beste Motorrad, mit dem ich jemals fuhr. Doch mein Gefühl für die Kawasaki ZX-10RR aus 2017 war deutlich besser", vergleicht Rea, der in der WSBK-Saison 2017 seinen dritten WM-Titel in Folge sicherstellte.
Schöne Erinnerungen an die Kawasaki-Superbikes von 2017 und 2018
Rea startete mit fünf Siegen in Folge in die Superbike-WM 2017. Von den 26 Rennen konnte der Kawasaki-Pilot 16 gewinnen und holte sich souverän die Meisterschaft. "Meine 2017er-Kawasaki war das Motorrad, das mir am meisten Spaß bereitet hat. Es war ein unglaublich gutes Motorrad", erinnert er sich.
Pure Dominanz in der WSBK 2017: Jonathan Rea gewann 16 von 26 Rennen
Foto: Kawasaki
"Wir mussten im Laufe der Saison nicht viel ändern. Die Balance war gut, das Motorrad war schnell. Sie war einfach ein wirklich gutes Motorrad. Ich erinnere mich noch gut an das Gefühl, das ich damals hatte. Es fühlte sich an, als ob ich damit alles anstellen kann, was ich will. Dieses Gefühl hatte ich auch in der Saison 2018", berichtet der Rekord-Weltmeister.
Die Schere zwischen der MotoGP und der WSBK geht auf
Technisch gab es schon immer grundlegende Unterschiede zwischen den Prototypen in der MotoGP und den vom Serien-Superbike abstammenden WSBK-Bikes. So sind die Chassis der Prototypen steifer als die der Superbikes. Auch die MotoGP-Reifen haben eine deutlich härtere Konstruktion und verlangen dadurch nach einem anderen Fahrstil.
Die Honda RC213V aus 2012 hatte noch keine Aero-Verkleidung oder Devices
Foto: Repsol
Dank der Carbon-Bremsen verzögern die MotoGP-Bikes besser als die Superbikes mit Stahl-Bremsen. Die Leistung der MotoGP-Motoren übertrifft die der WSBK-Motoren deutlich. Bei der Elektronik gibt es seit der Einführung der Einheits-ECU weniger Unterschiede.
In den zurückliegenden Jahren wurde die MotoGP aber deutlich spezieller, denn die Entwicklungen bei der Aerodynamik und der Ride-Height-Devices verlangen nach einem gewissen Fahrstil, den die Fahrer erst verstehen und lernen müssen.
Die Ducati Panigale V4R verwendet einige MotoGP-Technologien
Foto: Ducati
"Mittlerweile sind es zwei verschiedene Welten", bestätigt Rea. "Wir müssen aber auch festhalten, dass einige Technologien bei den Superbikes zum Einsatz kommen, wie zum Beispiel die Aerodynamik-Entwicklungen. Ducati und BMW haben seit einigen Jahren Winglets an ihren Superbikes."
"Der Bereich der Aerodynamik ist in der MotoGP mittlerweile der Bereich, in dem die größten Verbesserungen erzielt werden. Es ist merkwürdig, weil die Motorräder immer weniger wie richtige Motorräder sondern eher wie Autos aussehen", staunt Rea.
Aero, Devices & Co: Jonathan Rea begrüßt neue Entwicklungen
Ducati gilt als Vorreiter bei der Aerodynamik-Entwicklung, doch mittlerweile haben auch andere Hersteller verstanden, wie man die Verkleidung formen muss, um die Performance zu verbessern. Das hat zur Folge, dass sich die Motorräder untereinander stark unterscheiden.
Ride-Height-Device in der MotoGP
Foto: Motorsport Images
Rea gefällt der technische Wettbewerb: "Der Unterschied unter den Herstellern wurde in den zurückliegenden Jahren größer. Aber das ist normal, wenn neue Technologien zum Einsatz kommen."
Ducati Desmosedici: Die Verkleidung besteht aus vielen Aero-Elementen
Foto: Motorsport Images
"Ich finde es gut, dass es immer weiter geht. Natürlich wirft das einige Hersteller zurück. Doch es ist gut, wenn sich ein Motorrad durchsetzen kann, weil es sich in den einzelnen Bereichen Vorteile verschafft hat", begrüßt Rea den offenen Wettbewerb in der MotoGP.
Nach der Saison 2012 erhielt Rea nie wieder die Chance, ein MotoGP-Motorrad zu pilotieren. Im Laufe der Saison 2014 entschied sich der Nordire, Honda zu verlassen und zu Kawasaki zu wechseln. Von 2015 bis 2020 gewann er sechs WM-Titel. Die Traumehe mit Kawasaki wird in diesem Jahr geschieden. Ab 2024 startet Rea in der Superbike-WM für Yamaha.
Mit Bildmaterial von Honda.
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