MotoGP-Zukunft im Fokus: Vernachlässigt die Dorna die Superbike-WM?
Wohin steuert die Superbike-WM, wenn Liberty Media die Dorna übernimmt? WSBK-Rekordweltmeister Jonathan Rea analysiert die Situation und liefert einen Vorschlag
WSBK-Zukunft: Wohin steuert die seriennahe Meisterschaft?
Foto: WorldSBK.com WorldSBK.com
In der MotoGP ist aktuell eine gewisse Aufbruchstimmung zu spüren, denn für 2025 die geplante Übernahme von Liberty Media weckt die Hoffnung, in eine neue goldene Ära zu steuern. Das neue MotoGP-Reglement für 2027 wird mit Spannung erwartet. Mit BMW steht ein neuer Hersteller in den Startlöchern (wie Alex Hofmann die Situation einschätzt).
Weniger euphorisch ist die Stimmung im Fahrerlager der Superbike-WM, denn bei den Neuigkeiten zu Liberty wurde die WSBK maximal in Nebensätzen erwähnt. Das führt zur Frage, ob die seriennahe Meisterschaft in den zurückliegenden Jahren von Promoter Dorna vernachlässigt wurde.
Rekord-Weltmeister Jonathan Rea sprach zuletzt mehrfach über die Situation in der WSBK. Der Nordire fährt seit über 15 Jahren in der Serie, verschaffte sich in der Saison 2012 aber auch in der MotoGP einen Überblick.
"Manchmal war die Superbike-WM ein Opfer der MotoGP und wurde als kleiner Bruder angesehen", stellt Superbike-Rekordweltmeister Jonathan Rea fest. Seit 2009 ist Rea Stammpilot in der Superbike-WM und fuhr somit bereits vor der Dorna-Übernahme (Ende 2012) in der seriennahen Meisterschaft.
Jonathan Rea ist in gewisser Weise auch ein Botschafter der Superbike-WM Foto: Yamaha
"Andererseits war ich auch 2010 hier. Damals waren BMW, Aprilia, Alstare (Suzuki; Anm. d. Red.), Honda, Ducati und Kawasaki dabei. Die Ära 2010/2011 war auch eine sehr gute Zeit in der Superbike-WM. Ich kann mich glücklich schätzen, dass ich beide Situationen erleben konnte", kommentiert der sechsmalige Weltmeister.
Offensichtliche Schwäche: Der Kalender der Superbike-WM
Wie niedrig der Stellenwert der Superbike-WM bei der Dorna ist, kann man mit einem Blick auf den Kalender erkennen. In diesem Jahr gibt es auf Grund der kurzfristigen Absagen der Events in Indonesien und Argentinien nur ein Übersee-Wochenende.
Die Lücken wurden mit Pisten wie Cremona (Italien) gefüllt. Die Rennstrecke südlich des Gardasees beherbergte bisher lediglich nationale Meisterschaften. Vor wenigen Wochen folgte dann noch die Info, dass am Cremona-Wochenende nur gut 250 Kilometer weiter weg ein zusätzliches MotoGP-Event in Misano stattfindet. Im WSBK-Fahrerlager reagierte man mit Kopfschütteln.
Vor dem WSBK-Event in Misano gab es sieben Superbike-freie Wochenenden Foto: Yamaha
In dieser Pause fanden allein in der MotoGP vier Rennwochenenden statt. Der Fokus der Motorradfans richtete sich voll auf die Königsklasse, während die Superbike-WM in Vergessenheit geriet.
Es entsteht der Eindruck, dass die Dorna sich voll und ganz auf die MotoGP konzentriert und die WSBK hinten ansteht. "Das ist normal, wenn es den gleichen Besitzer gibt", bemerkt Jonathan Rea und fügt hinzu: "Die Superbike-WM kann sich in Sachen Show nicht mit der MotoGP messen. Das müssen wir akzeptieren."
Zweite Karriere in der WSBK: Warum so wenige MotoGP-Piloten wechseln
In der Ära vor der Dorna-Übernahme sah man viele große Namen in der Superbike-WM. Ehemalige Grand-Prix-Champions starteten nach ihrer Zeit in der MotoGP eine zweite Karriere und waren mal mehr und mal weniger erfolgreich.
Zweite Karriere: Max Biaggi feierte in der Superbike-WM einige Erfolge Foto: Motorsport Images
Marco Melandri fuhr in seiner WSBK-Karriere für Yamaha, BMW, Aprilia und Ducati Foto: BMW AG
Dani Pedrosa zeigte kein Interesse an der Superbike-WM Foto: Motorsport Images
Kaum Aufstiegschancen aus der Superbike-WM in die MotoGP
Zu Beginn der MotoGP-Viertaktära setzten viele Hersteller aus Fahrer aus der Superbike-WM. Doch nicht viele WSBK-Fahrer konnten sich im Grand-Prix-Sport durchsetzen. Immer weniger Talente meisterten den Sprung von den seriennahen Bikes zu den Prototypen.
Jonathan Rea fuhr 2012 für Repsol-Honda zwei MotoGP-Rennen Foto: Repsol
"Wenn alles unter dem gleichen Promoter stattfindet, dann sollte es eine Entwicklung geben. Die Dorna hätte mich auf dem Weg in die MotoGP unterstützen sollen", ärgert sich Rea. Bei Toprak Razgatlioglu sieht er ein ähnliches Bild.
Bald 28 Jahre alt: Kommt der MotoGP-Aufstieg für Toprak Razgatlioglu zu spät? Foto: BMW Motorrad
"Toprak verfügt über eine unglaubliche Persönlichkeit und unglaubliches Talent. Doch er fährt in der Superbike-WM. Deshalb können sie keinen Megastar aus ihm machen. Dafür sollte er im MotoGP-Paddock sein", erkennt Rea und ist sich bewusst, dass Razgatlioglu die Zeit davon läuft: "Er ist nicht mehr jung. Es ist schwierig."
Kritiker behaupten immer wieder, dass die Spitzenfahrer in der Superbike-WM nicht das Zeug haben, um auch in der MotoGP mitzuhalten. Eine Genugtuung empfindet Rea, wenn er sich anschaut, wie hart einige MotoGP-Spitzenfahrer kämpfen mussten. Er verweist darauf, dass selbst erfolgreiche MotoGP-Piloten nicht sofort siegfähig waren. "Das hat unsere Meisterschaft gestärkt", so Rea.
Wie kann die Superbike-WM parallel zur MotoGP überleben?
Sollte Liberty Media grünes Licht erhalten und wie geplant die Dorna übernehmen, dann wird die Vermarktung der Königsklasse in den folgenden Jahren auf die nächste Stufe gehoben, um neue Zielgruppen anzusprechen.
Es wird erwartet, dass die Lücke zwischen der MotoGP und der Superbike-WM noch größer wird. Doch wie kann die seriennahe Meisterschaft in Zukunft überleben, wenn die Hersteller den Fokus noch deutlicher auf die MotoGP richten?
Die Paddock-Show ist seit vielen Jahren ein Fanmagnet Foto: Motorsport Images
"Es sollte die Möglichkeit geben, seinen Sohn mitzubringen und ihn in der Fanzone auf eine Yamaha PW50 zu setzen", schlägt Rea vor. "Eine andere Idee wäre es, Camping und Konzerte zu kombinieren, wie es bei den 24 Stunden von Le Mans gemacht wird."
Abgesehen von der Rennaction wird laut Jonathan Rea zu wenig geboten Foto: Team Go Eleven
Jonathan Rea wünscht sich allgemein mehr Interaktion an den Wochenenden. "Es gibt wirklich viele Rennen, doch als Fan sitzt man nur auf der Tribüne", kritisiert er. "Das Fanerlebnis könnte besser sein. Sie haben mit der Paddock-Show sehr gute Arbeit geleistet, doch neben der Rennstrecke passiert nicht viel. Ich fände es gut, wenn es ein richtiges Festival-Feeling geben würde."
Superbike-WM mit einem neuen Promoter?
Ob die geplante Übernahme der Dorna von Liberty Media tatsächlich genehmigt wird, steht noch aus. In der Vergangenheit verhinderten die Wettbewerbshüter, dass die Formel 1 und die MotoGP unter einem Promoter laufen. Doch seit der Entscheidung vor knapp 20 Jahren hat sich das Umfeld stark verändert. Dennoch ist diese Gefahr noch nicht vom Tisch.
Muss Liberty Media die Superbike-WM abstoßen, um die MotoGP zu bekommen? Foto: Motorsport Images
Dennoch gibt es im WSBK-Paddock viele Beteiligte, die davon überzeugt sind, dass die Superbike-WM mit einem rivalisierenden Promoter zur MotoGP besser dastehen würde.
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