Wer letzte Nacht am schlechtesten geschlafen hat: Danilo Petrucci
Danilo Petrucci hat bei der Superbike-WM in Aragon die Chance, sich seinen Lebenstraum zu erfüllen, patzt aber im entscheidenden Moment
Liebe Freunde der Superbike-WM,
die WSBK-Saison 2023 biegt auf die Zielgerade. Nach den dramatischen Wochenenden in Most und Magny-Cours waren meine Erwartungen für Aragon deutlich geringer. Der 5,1 Kilometer lange Kurs spielte Weltmeister Alvaro Bautista und Ducati voll in die Karten. Mit Blick auf das Wochenende in Aragon wäre alles andere als drei souveräne Bautista-Siege eine Überraschung für mich gewesen. Ganz so monoton wie befürchtet wurde es dann glücklicherweise doch nicht.
Durch den Sturz am Samstag gelang es Bautista nicht, die Maximalpunktzahl zu holen. Ohne den Fehler hätte der Spanier aber auch das erste Rennen gewonnen. Dem restlichen Feld war er vor seinem Missgeschick bereits entkommen. Mit den beiden Siegen am Sonntag demonstrierte der Champion, dass ihn der Patzer am Vortag nicht aus der Ruhe gebracht hat.
Die Verschiebung des Aragon-Wochenendes in den Herbst hat am Interesse der Fans wenig bis gar nichts geändert. Weniger als 30.000 Fans kamen an den drei Veranstaltungstagen ins Motorland unweit der 16.000-Einwohner-Stadt Alcaniz.
Wer bereits einmal vor Ort war, der kann bestätigen, dass die Anreise durchaus beschwerlich ist. Zudem ist es alles andere als einfach, eine Unterkunft in der Nähe der Strecke zu finden. Sprich, ein richtiger Publikumsmagnet wird Aragon wohl so schnell nicht.
Lennox Lehmann bricht sich in Aragon den Oberschenkel
Kommen wir zum eigentlichen Thema der heutigen Kolumne. Wenn ich darüber nachdenke, wer schlecht geschlafen hat, dann denke ich zuerst an unsere Nachwuchs-Hoffnung Lennox Lehmann. Nach dem Schock am Samstag muss der gute Lennox aktuell einiges durchmachen.
Der junge Dresdner wurde im Samstags-Rennen der Supersport-300-WM zu Sturz gebracht und zog sich dabei eine wirklich schlimme Verletzung zu: Oberschenkelbruch, Operation und vorzeitiges Saisonaus.
Besonders viel Glück hatte Lennox in diesem Jahr nicht. Abgesehen vom ersten WM-Sieg beim Wochenende in Most musste der ehemalige IDM-Champion viele Rückschläge verdauen.
Ich drücke ihm die Daumen, dass er gestärkt aus dieser schwierigen Phase hervorgeht und für die kommende Saison ein gutes Team findet. Auch seiner Familie, die nach der Operation in Spanien kräftig improvisieren muss, wünsche ich für diese schwierige Phase viel Kraft.
Was ist bei BMW-Pilot Scott Redding los?
Doch auch im Feld der Superbiker gab es einige Fahrer, die durchaus schlecht geschlafen haben dürften. Nach der Pleite in Magny-Cours hätte sich Ex-Vizeweltmeister Scott Redding in Aragon erneut für die Hauptrolle in der Montags-Kolumne qualifiziert.
Scott Redding erlebte ein weiteres enttäuschendes Wochenende
Foto: Motorsport Images
Aktuell fährt der Brite seiner Form hinterher und ist weit davon entfernt, bei BMW die Rolle des Teamleaders zu übernehmen. Bonovo-Pilot Garrett Gerloff ist konstant schneller unterwegs. Und auch Michael van der Mark findet langsam zu alter Stärke und lässt seinen Teamkollegen hinter sich.
Gelingt Redding nach dem Wechsel vom Werksteam zu Bonovo im kommenden Jahr ein Neustart? Meine Zweifel hatte ich bereits vor zwei Wochen geäußert (zur Kolumne vom WSBK-Event in Magny-Cours). Doch Reddings Formtief soll heute nicht das Thema sein.
Danilo Petruccis großer Traum vom WSBK-Laufsieg
Meine Wahl fällt dieses Mal auf Danilo Petrucci, der in Aragon eine sehr gute und vielleicht sogar einmalige Chance verstreichen ließ. Für seine Zeit in der Superbike-WM hat sich "Petrux" ein großes Ziel gesetzt: Er will unbedingt ein Rennen gewinnen, um in den elitären Kreis der Fahrer aufzusteigen, die sowohl in der MotoGP als auch in der WSBK Rennen gewinnen konnte.
Danilo Petrucci hatte in Aragon das Zeug für Spitzenergebnisse
Foto: Barni
Und Aragon war die wohl bisher beste Chance, um sich diesen Traum zu erfüllen. Vom ersten Training an fuhr Petrucci gute Rundenzeiten und war bei der Musik. Den Freitag beendete Petrucci innerhalb der Top 3 und lag in Schlagdistanz zur Spitze.
Der Samstag begann vielversprechend. Bei der Generalprobe vor der Superpole holte sich Petrucci im dritten Training die Bestzeit und deutete damit an, dass er beim Kampf um die Pole ein Wörtchen mitreden möchte. Das Selbstvertrauen des zweimaligen MotoGP-Laufsiegers war groß.
Folgenschwerer Sturz am Samstagvormittag
Ein zeitiger Sturz im Qualifying ließ den Traum von der Pole platzen. Petrucci realisierte schnell, was der Ausrutscher in der ersten fliegenden Runde bedeutet: Letzter Startplatz für Lauf eins am Samstagnachmittag und das Superpole-Rennen am Sonntagvormittag.
Damit war klar, dass der erhoffte WSBK-Laufsieg plötzlich in weiter Ferne liegt. Petrucci ärgerte sich und stellte klar, dass ihm so ein Fehler noch nie passiert ist. Er tat mir richtig leid, als er die lädierte Ducati begutachtete und realsierte, was da soeben passiert war.
Den Frust fuhr er sich am Samstag in Lauf eins mit einer beeindruckenden Aufholjagd von der Seele. Besonders die ersten Runden waren sehenswert. Petrucci stürmte durch das Feld und ließ einige große Namen wie Hobbyracer aussehen. Mit P5 war Petrucci neben Sieger Michael Rinaldi der große Gewinner des ersten Rennens.
Verpasste Chance im Superpole-Rennen
Wichtiger war es jedoch, im Sprintrennen den Sprung in die Top 9 zu schaffen, um sich für Lauf zwei eine bessere Ausgangslage zu verschaffen. Theoretisch sollte das für Petrucci keine große Hürde sein. Im Samstags-Rennen lag er bereits nach fünf Runden in den Top 8.
Verpasste Chance: Danilo Petrucci sammelte in Aragon nur magere elf WM-Punkte
Foto: Barni
Doch der Einzug in die Top 9 gestaltete sich schwieriger als erwartet. Nach zehn Runden wurde Petrucci nur auf der zwölften Position geführt. Somit stand die Ducati mit der Nummer 9 beim Start des finalen Rennens erneut am Ende des Feldes.
Das finale Rennen bei der Superbike-WM in Aragon endete für Petrucci dann nach sieben Runden mit einem Defekt. Enttäuscht stellte der Barni-Pilot seine Ducati Panigale V4R in Kurve 1 ab und machte sich auf den Weg in Richtung Boxengasse.
An einem Wochenende, an dem er zu den absoluten Spitzenpiloten zählte, sammelte Petrucci somit nur magere elf Punkte. Die große Frage ist, ob sich zeitnah eine weitere Chance bietet, um ein Rennen zu gewinnen. Muss Petrucci bis zur WSBK-Saison 2024 warten, um sich diesen Traum zu erfüllen? Oder bleibt ein WSBK-Laufsieg auch darüber hinaus ein Traum?
Zählt Petrucci bei den beiden ausstehenden Wochenenden in Portimao und Jerez zu den Sieganwärtern? Wer war Ihrer Meinung nach der Verlierer des Wochenendes? Teilen Sie mir Ihre Meinung auf Facebook unter "Sebastian Fränzschky - Motorsport-Journalist" mit. Dort gibt es meine Texte, Insiderinfos, Meinungen und Einschätzungen zu aktuellen Themen. Und natürlich die Möglichkeit, diese Kolumne zu diskutieren!
Sportliche Grüße,
Sebastian Fränzschky
Mit Bildmaterial von Barni.
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