Selbstversuch: Wie fährt sich der Peugeot 308 TCR?
Motorsport.com-Redakteur Marko Knab nahm Platz im neuen Peugeot 308 TCR und wagte den Selbstversuch. Hier sind seine Eindrücke nach einigen fliegenden Runden auf dem Circuit de Ledenon in Südfrankreich!
Liebe Leser von Motorsport.com,
was bin ich angespannt, als sich der kleine Vierzylinder im Peugeot 308 TCR grollend bereit zum Dienst meldet! Mein Herz klopft und ich atme tief durch. Ein kurzer Fingerdruck auf den roten Knopf und der 350 PS starke Antrieb beginnt seine Arbeit vor mir. Gleich muss ich den Schleifpunkt der Kupplung treffen – und das in einem echten Tourenwagen! Vorsichtig lege ich den Gang über die Carbon-Schaltwippe ein, lasse den grünen Knopf für "Neutral" auf dem Lenkrad los und die Kupplung kommen. Die große Überraschung folgt: Der Löwe und ich fahren!
Ein Gefühl von Zufriedenheit macht sich in mir breit, denn jeder weiß, wie heikel Rennkupplungen eigentlich sind. Fiepend rollen wir durch die Boxengasse und ich genieße die Beschallung durch das Renngetriebe. Ich gebe das erste Mal Gas und werde in den Sitz gedrückt – wie im Flugzeug, nur dass die Flügel hier für Anpressdruck und nicht für Auftrieb sorgen. Der 308 TCR ist ein Tourenwagen, basiert also auf einem Straßenfahrzeug. Aber mit der zivilen Version hat das entkernte Geschoss nur noch wenig gemein. Und das werde ich noch früh genug feststellen. Doch von Anfang an.
Frühstart in der Provence
Kurz war die vorangegangene Nacht, schön ist der Morgen hier am Circuit de Ledenon. Wir blicken über die kleine, aber feine Strecke vor den Toren von Nimes, nördlich von Marseille. Eine Berg- und Talbahn, nur einen Steinwurf von der örtlichen Schlossruine entfernt. Golden blinzelt die Morgensonne hinter grauen Wolken auf den Kurs. Und trotzdem macht sich bei mir eine gewisse Nervosität breit. Seit Tagen hat es in Südfrankreich geregnet, auch in der vergangenen Nacht. Regen ist das Letzte, was ich gleich brauchen kann.
Im Internet habe ich Videostudium der Strecke betrieben und mir die Linie auf der kleinen Achterbahn angeschaut. Aber als uns Peugeot-Werksfahrer und WTCR-Pilot Aurelien Comte in der Straßenversion des stillgelegten Dakar-Monsters Peugeot 3008 um die Strecke fährt, wird mir klar, auf was ich mich da eingelassen habe. Auf der Rückbank des SUVs rutschen wir von rechts nach links, von links nach rechts. Und der Nieselregen fliegt auf die Frontscheibe. Ich fluche innerlich. Den Rennwagen will ich nicht in den südfranzösischen Reifenstapeln versenken. Und dieses Wetter hilft mir nicht …
Um einen letzten Eindruck vom Paket aus 308 TCR und Strecke zu bekommen, nimmt uns der Sieger des WTCR-Rennens in Zandvoort auch noch mit auf eine Taxifahrt. Und siehe da: Plötzlich ist die Strecke deutlich angenehmer. Die Rennsitze fixieren uns fest auf der Stelle, vom Rutschen auf der Rückbank des großen SUV ist nichts mehr zu spüren. Vielmehr erfährt man jetzt die Kurvengeschwindigkeit – und die ist höher als gedacht. Genauso wie die Temperatur. Das kleine Kraftwerk vor uns ist heißblütig – und wie! Durch das spartanisch eingerichtete Cockpit strahlt die Wärme bis in den Fahrgastraum.
Peugeot 308 TCR: Motor
Foto: Uli Sonntag / Peugeot Sport
Endlich geht es jetzt auch für mich los: Ich setze den Rallye-Helm mit HANS-Clips auf und fuhrwerke meine Hände in die Rennhandschuhe. Silke und Aurelie, jeweils für die Öffentlichkeitsarbeit bei Peugeot Deutschland und Peugeot Sport zuständig, haben noch eine wichtige Nachricht an mich: "Mach am Anfang langsam – und lass ihn bitte ganz!" Mit Mühe falte ich meine 1,83 Meter Körpergröße an Überrollkäfig und Lenkrad vorbei in den Fahrersitz. Kein Wunder, dass Rennfahrer alle so klein sind. Bereits das Einsteigen verlangt nach Übung.
Thibaud, der Projektmanager erklärt mir zusammen mit Aurelien noch ein paar Handgriffe und dann ist es auch so weit: Auf Regenreifen darf ich die Box verlassen. Ich atme tief durch und gehe die Startroutine durch. Power-Knopf drücken, Start-Knopf drücken, Kupplung durchdrücken, Neutral am Lenkrad wählen, Gang an der Schaltwippe einlegen – es geht los.
Gut gebrüllt, Löwe!
Kein bisschen Nervosität und Anspannung, nur ein Lebenstraum, der in Erfüllung geht. Und ein Rennwagen, der am Stück bleiben soll. Ich fahre auf die Rennstrecke hinaus und drücke das Gaspedal das erste Mal durch – was für ein Klang! Kernig röhrt der kleine 1,6-Liter-Vierzylinder auf. Neben dem Motor beginnen auch das gerade verzahnte Renngetriebe und der Turbolader zu singen: Ein Fest für die Sinne und ich weiß gar nicht, wo ich hinsehen oder hören soll!
Und da ist es auch schon passiert. Vor lauter Aufregung und der schieren Reizüberflutung habe ich mich verbremst. Der kleine Rennwagen schiebt rumpelnd über die Vorderachse und ich bin froh, nicht weiter in die Botanik zu rutschen. Durchatmen und weiterfahren. Aber vor allem: den Boliden nicht kaputtmachen. Ich denke wieder an die Worte der beiden Frauen und versuche auf der noch leicht schmierigen Strecke langsam zu machen.
Aber es geht nicht. Das Auto zieht mich in seinen Bann und ich gebe mit jeder Runde mehr Gas. Vor allem vermittelt es mir auch viel Vertrauen. Die Fehler bleiben aber dieselben: Wieder rutsche ich in den engen Haarnadeln über den Scheitelpunkt hinaus und bleibe gefühlt fast stehen. Zusätzlich drehen am Ausgang auch noch die Räder durch, ich komme auf die nassen Flächen hinaus. Erklären kann ich es mir nicht, denn ich bremse doch rechtzeitig?!
Nach acht Runden steht der Halt an der Box an. Aurelie reicht mir Wasser, das ich auch wirklich brauchen kann. Denn es stimmt, was die Rennfahrer immer wieder sagen: Im Cockpit ihrer Boliden wird es heißer, als der Laie glauben mag. Eine kurze Kontrolle noch und ich bekomme wieder das Signal, herauszufahren. Gutmütig verhält sich der Wagen, ich baue immer mehr Vertrauen auf.
Peugeot 308 TCR
Foto: Uli Sonntag / Peugeot Sport
Mit der Zeit erkenne ich ein Muster: Rennautos sind nicht dafür gemacht, um langsam gefahren zu werden. Auch der 308 TCR nicht. Obwohl er nur einen verhältnismäßig kleinen Heckflügel, einen Frontsplitter und keinen Diffusor hat, spüre ich, was die Aerodynamik an einem ausgewiesenen Rennfahrzeug macht. Je schneller, desto besser. Denn mit höherer Geschwindigkeit wird auch der Anpressdruck größer. Und der Wagen erwacht zum Leben!
Tatsächlich: Ich gebe mehr Gas und die Straßenlage wird besser. Zwar werden die Zeiten schneller und auch die Strecke trocknet weiter ab, aber in den engen Kurven rutsche ich nach wie vor. Ratlos steuere ich die Box an, in der Thibaud schon mit den Daten auf mich wartet. Er kann mich aufklären: Das Problem ist weder die Strecke noch das Auto. Vielmehr passiert der Fehler zwischen Lenkrad und Sitz. Sprich: Ich fahre das Auto nicht richtig. Doch wo genau liegt der Hund begraben? Thibaud zeigt auf den Laptop und fängt an zu erklären.
Ein Date mit den Daten
Er macht mir schnell klar, an was das lästige Untersteuern liegt. Nicht, weil der 308 TCR ein Fronttriebler ist, sondern weil ich im falschen Gang fahre. Interessiert höre ich zu und versuche Thibauds Ausführungen über Linie, Lenkeinschlag, Gang und Pedalstellung zu folgen. Alle Variablen zeichnet der Wagen auf, Fehler des Piloten werden gnadenlos aufgedeckt. Zwar ist meine Linie im Großen und Ganzen gut, aber durch zu hohe Gänge in den engen Kurven mache ich mir das Leben selbst schwer. So rutsche ich nach dem Scheitelpunkt der Kurven oft weit hinaus und verliere wertvolle Zeit.
Zu allem Überfluss drücke ich Gas und Bremse auch noch gleichzeitig. Kein Wunder, dass der Rennwagen nicht so fährt, wie ich es zuvor bei Aurelien erlebt habe. Aber im Rausch der Sinne habe ich vorhin nicht einmal bewusst wahrgenommen, welches Pedal ich in welchem Moment drücke. Von den unruhigen Lenkbewegungen ganz zu schweigen.
Marko Knab, Redakteur Motorsport.com Deutschland, bei der Datenanalyse mit dem Team
Foto: Uli Sonntag / Peugeot Sport
Aber es gibt auch positives Feedback: An manchen Stellen bin ich fast so schnell wie Aurelien. Zwar habe ich bessere Bedingungen als er, aber das Selbstvertrauen freut sich über das Lob von Thibaud. Inzwischen ist die Strecke weiter abgetrocknet und das Team entschließt sich, uns nun auf Slicks auf die Piste zu lassen. "Das ist noch mal was ganz anderes", werden mein Kollege und ich vorgewarnt. Ich bin gespannt und will mich verbessern. Das Auto kenne ich inzwischen – glaube ich jedenfalls …
Während Aurelien den 308 TCR erneut für uns warm fährt, achte ich auf seine Fahrweise und die Gasannahme. Vorsichtig bewegt er den Wagen, es scheint an bestimmten Stellen noch relativ nass zu sein. Wieder macht sich die unterschwellige Sorge breit, in den Mischbedingungen draußen etwas kaputt zu machen. Doch ich verdränge die Gedanken und lasse mich im Fünfpunktgurt fixieren. Unter der Motorhaube knistert es noch von der Hitze, die das kleine Kraftwerk vor mir neben den 350 PS produziert. Aufs Neue poltert der Motor los und wir bewegen uns in Richtung Rennstrecke. Ich will es besser machen und schalte jetzt in niedrigere Gänge. Schnell spüre ich, wie die höhere Drehzahl dem Wagen hilft, besser einzulenken.
Der 308 fährt die Krallen aus
Was ebenso schnell klar wird: Jetzt fahre ich ein anderes Auto. Gleiches Fahrzeug und dieselbe Strecke, aber auf den profillosen Slicks fährt der Löwe nun endlich seine Krallen aus. Gefühlt wird aus der großen Hauskatze jetzt ein echtes Raubtier. Mit den Trockenreifen beißt sich die Kraft von 350 Pferdestärken deutlich besser in den provenzalischen Asphalt. Vollgas in die Steigung aus der letzten Kurve und auf in eine eine neue Runde: Am Ende der Zielgeraden stehen nun auch 185 Kilometer pro Stunde an.
Ich merke, wie der 308 TCR nun deutlich aggressiver einlenkt und agiler ist. Auch das Gewicht auf der Vorderachse spüre ich nun stärker. Motor und Getriebe arbeiten ja ausschließlich an den Vorderrädern. Die Hinterräder führen den Tourenwagen hier nur in der Spur. Dabei ist das Auto immer noch gut zu kontrollieren, aber der Grenzbereich ist jetzt deutlich kleiner. Mehrmals muss ich entschlossen gegenlenken. Die inzwischen trockene Strecke und mehr Grip verleiten mich, den schnellen Linksknick über die Kuppe jetzt endlich voll zu nehmen …
Peugeot 308 TCR
Foto: Uli Sonntag / Peugeot Sport
Plötzlich sehe ich Grün anstatt Grau vor mir und irgendetwas quietscht am Fahrzeug. Wie kleine Projektile prasseln die Steinchen abseits der Ideallinie auf mich ein und mein Herz rutscht mir in die Hose. In Zeitlupe nehme ich war, wie sich der 308 unter mir dreht. Während ich noch versuche zu verstehen, was gerade passiert ist, ist der Spuk schon vorbei. Der Wagen steht wieder gerade in Fahrtrichtung. Genau das wollte ich vermeiden, aber es ist passiert: Ich habe mich weggedreht und bin mit der Front auf dem Grünstreifen der Strecke entlanggerutscht. Wie ein Wunder erscheint es mir, dass der Motor noch läuft. Erschrocken fahre ich weiter. Schnell wird mir klar, wo der Fehler lag: Vom Ehrgeiz geblendet, schneller zu werden, habe ich den Knick zu eng angefahren.
Ein Anfängerfehler und ziemlich peinlich, finde ich. Das passiert nicht wieder, sage ich zu mir selbst. Und lasse es langsamer angehen. Es funktioniert, und ich fahre meine Runden nun sicher unter dem Limit des Fahrzeugs. Ruhig biege ich wieder in den Knick ein und will die erste Kurve der folgenden Doppelrechts durchfahren. Wie zuvor nehme ich den Randstein voll mit. Plötzlich schleudert mein Kopf wieder gegen die Kopfstütze des Schalensitzes. Fassungslos blicke ich um mich. Wieder habe ich mich gedreht. Aber warum? Zu schnell war ich nicht. Sondern zu langsam, wird mir schnell klar.
Peugeot 308 TCR
Foto: Uli Sonntag / Peugeot Sport
Anstatt den Wagen mit dem Gas unter Zug zu halten und damit auch zu stabilisieren, habe ich ihn durch das rollen lassen und den Randstein ausgehebelt. Auch wirklich fokussiert war ich nicht. Wieder ein Anfängerfehler. Reumütig tuckere ich in die Box und beichte meine Taten. Aber anstatt Kritik zu ernten, schmunzelt das Team von Peugeot und meint locker: "Das haben wir schon gehört, aber du bist ja weitergefahren. Und es ist gar nichts passiert!" Die scheinen Erfahrung mit uns Journalisten zu haben, denke ich mir und versuche meine Verlegenheit wegzulächeln. In der Luft liegt noch leichter Geruch von verbranntem Gummi.
Fazit: Rennfahren? Ein schmaler Grat ...
Auf meinen letzten Runden spüre ich die Folgen der zwei Fehler: Beim Beschleunigen sind jetzt Vibrationen im Fahrzeug. Angenehm ist das nicht, und ich verstehe, warum bei Bremsplatten in der Formel 1 direkt in der Box gestoppt wird. Und auch an mir realisiere ich einen Unterschied. Der (Über-)Mut der Jugend ist mir jetzt ausgetrieben und ich traue mich nicht, weiter zu attackieren. Meine Zeit verbessere ich auch nicht mehr – oder kann es einfach nicht mehr. Nicht zu langsam, aber auch nicht zu schnell absolviere ich nun die restlichen Runden. Zwar war ich ein paar Sekunden flotter als der Kollege, aber als Aurelien am Ende nochmal ins Lenkrad greift, kommt die Ernüchterung. Aus ehemals zwei Sekunden Rückstand werden plötzlich sieben. Puh, das war also bei weitem nicht das Limit des Autos … sondern mein eigenes.
Drei Stunden später sitzen wir wieder im Flugzeug nach Deutschland und ich sinniere nochmals über den vergangen Tag. Ein Lebenstraum ist da heute in Erfüllung gegangen. Dass ich schneller als der Kollege war, ist dabei ein kleiner Erfolg. Aber reichlich unbedeutend. Vielmehr beschäftigen mich die Erinnerungen an das Fahrverhalten. Faszinierend ist, in welch kleinem Bereich sich Rennfahrer dabei bewegen müssen. Sind sie zu langsam, funktionieren die Aerodynamik und damit das Auto nicht. Abgesehen davon wäre ihre Karriere schnell vorbei. Gleiches gilt für zu hohe Geschwindigkeit: Geht man über das Limit, bleibt nur sehr wenig Zeit zu reagieren.
Marko Knab, Redakteur Motorsport.com Deutschland, mit dem Peugeot 308 TCR
Foto: Uli Sonntag / Peugeot Sport
Diesen Ritt auf der Rasierklinge beinahe jedes Wochenende? Mein Respekt vor den Piloten wächst an diesem Tag extrem. Und mir wird klar: Vom Sofa aus zu kritisieren und auf Rennfahrer einzuprügeln ist leicht. Vom Schreibtisch aus Fehler sehen und thematisieren? Ebenso einfach, aber nicht wirklich fair. Unter Stress, permanent am Limit, nicht darunter oder darüber fahren – das kann nicht jeder. Beim Klassiker in Macau, wo Aurelien Comte bald am Start sein wird, hätten meine Fehler zu einem Totalschaden geführt. Über 100.000 Euro für die Schrottpresse. Ich bin froh, dass wir heute in Lédenon und nicht dort waren. Rennen zu fahren ist ein Gesamtkunstwerk, wird mir klar. Es braucht mehr, als einfach schnell oder besonders mutig zu sein. Technisches Verständnis und eine Übersicht sind unabdingbar.
Unser Airbus beginnt loszurollen und presst uns in die Sitze. Zufrieden denke ich noch einmal an die Beschleunigung im 308 TCR. Der Regen, der inzwischen fällt, perlt an der Scheibe nach hinten weg. Zum Glück hat das Wetter gehalten. Aber leider ist dieser einzigartige Tag schon vorbei ...
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