Kolumne: Tourenwagensport im Tal der Tränen (3/4): Marktdynamiken
Der Markt für Serienautos spielt beim Niedergang des Tourenwagensports eine zentrale Rolle - Mittel- und Kompaktklasse für Hersteller kaum noch interessant
Liebe Freunde der engen Rad-an-Rad-Duelle,
Im zweiten Teil haben wir die systeminternen Gründe für den Zusammenbruch des professionellen Tourenwagensports behandelt. Aber auch das von innen am meisten erodierte System ist überlebensfähig, solange es nicht von außen zum Kollaps gezwungen wird.
Hier wurde der Tourenwagensport in die Zange genommen: In die Lücke eines fehlenden weltweiten Tourenwagen-Reglements ist die GT3-Kategorie gestoßen, die zudem mit der GT4 und einigen hochkarätigen Markenpokalen über einen stabilen Unterbau verfügt. Die GT3 hat inzwischen die Rolle übernommen, die früher der Tourenwagensport mit Gruppe A und Super Touring innehatte.
Für die Hersteller ist das sogar eine erfreuliche Entwicklung. Denn Tourenwagen repräsentierten Volumenmodelle, die in den großen Stückzahlen nicht mehr verkauft werden. Ob Kompakt-, Mittel- oder Obere Mittelklasse: Das Segment der klassischen Limousinen und Kompaktfahrzeuge hat für die Hersteller an Bedeutung verloren.
Schuld daran ist natürlich der SUV-Boom seit der Jahrtausendwende. Mit Limousinen machen die Hersteller schon lange keine großen Umsätze mehr, schon gar nicht in Europa. Kompaktwagen laufen in Europa gut, sind aber im Rest der Welt nicht gefragt.
SUVs haben den PKW-Markt in den vergangenen 20 Jahren völlig verändert Foto: Motor1.com Hersteller
Nun sind SUVs kaum für die Rennstrecke geeignet, das wissen auch die Hersteller. Rundstreckenrennen mit SUVs wären eine Karikatur des Motorsports. Deshalb setzen die Hersteller auf eine andere Strategie: Emotionale Sportwagen, die einen "Wow"-Effekt auslösen, sprechen auch Kunden an, die privat SUV fahren.
Und das weltweit - auch in Asien und Amerika, wo klassische Limousinen noch deutlich stärker gefragt sind als auf dem europäischen Markt. Fakt ist: Das GT3-Segment übt rund um den Globus eine Faszination aus, unabhängig davon, welches Fahrzeug der Kunde auf der Straße bevorzugt. Das macht es dem klassischen Tourenwagen zunehmend schwer.
PS-Boom in der Serie macht Abgrenzung schwierig
Ein weiterer Faktor, der mit der Serienentwicklung zusammenhängt: In den 2000er Jahren erlebte die Serienproduktion einen PS-Boom. Dadurch waren die Fahrzeuge auf der Rennstrecke kaum mehr stärker als die Serienautos.
Spektakuläre GT3-Sportwagen liefern ähnliche Action wie früher Tourenwagen Foto: ADAC GT Masters
Der stärkste M3 anno 2023 leistet 550 PS. Das ist schon GT3-Niveau. Um sich so deutlich vom Serienmodell abzusetzen wie der E30 DTM, müsste ein Tourenwagen-M3 also mindestens 800 PS leisten. Das ist weit jenseits aller aktuellen Tourenwagen-Reglements.
Und wenn man heute die Audioaufnahme eines TCR-Rennens akustisch nicht mehr von einem GTI-Tuningtreffen unterscheiden kann, dann zeigt das, dass die Faszination der Renntourenwagen verloren gegangen ist, weil die Serie aufgeholt hat. Auch wenn ein TCR-Auto optisch ein Leckerbissen sein kann.
Es spricht also wenig dafür, dass der Tourenwagensport seine frühere Rolle wieder einnehmen kann. Wäre da nicht eine Entwicklung, die wir im letzten Teil unserer Serie unter die Lupe nehmen.
Euer
Heiko Stritzke
Mit Bildmaterial von Motorsport Images.
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