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Großes Interview mit Volker Strycek: Elektro und Hybrid in VLN/NLS

Volker Strycek erklärt ausführlich, wie das Thema Hybrid- und Elektroklasse auf der Nürburgring-Nordschleife angegangen werden - Und wie es auf der Straße weitergeht

Die Nürburgring-Langstrecken-Serie (NLS) wagt sich an das Thema Elektro- und Hybridantrieb heran. Erstmals wird es 2022 eine eigene Klasse für serienbasierte Hybridfahrzeuge geben. Außerdem soll möglichst bald eine Elektroklasse folgen.

Im Interview mit 'Motorsport-Total.com' erklärt Volker Strycek, Opel-Rennlegende und derzeitiger Leiter Technik in der NLS-Dachorganisation VLN, ausführlich den Stand der Dinge, warum Elektroantriebe und Langstreckensport sich nicht ausschließen, und wie es insbesondere beim Thema Sound weitergehen wird.

Frage: "In der NLS wird es künftig jeweils eine Hybrid- und Elektroklasse geben. Wie lange war das geplant und wie lange haben Sie sich damit auseinandergesetzt?"

Volker Strycek: "Auseinandergesetzt haben wir uns damit schon sehr lange. Aus dem einfachen Grund: Der Motorsport muss in meinen Augen immer eine Vorreiterrolle spielen."

"Und natürlich auch gerade in der jetzigen Diskussion, inwieweit man seitens des Motorsports Zeichen setzen kann. a) in der Entwicklung, b) aber auch zukunftsorientierend in dem Thema, grüner zu werden. Das war das Thema, das wir vor einiger Zeit schon intern besprochen haben."

"Wir haben uns sehr intensiv damit auseinandergesetzt, welche Möglichkeiten bestehen und wollen jetzt ganz einfach den Anfang machen. Wir haben ein sehr einfaches Reglement für die Hybridklasse geschrieben. Dieses Reglement wurde mit dem DMSB [Deutscher Motor Sport Bund] diskutiert und ist jetzt erst einmal in trockenen Tüchern."

Frage: "Warum wurde der Schritt genau jetzt gemacht?"

Strycek: "Wir wollen ganz klar ein Zeichen setzen, dass Elektrifizierung im Motorsport kein No-Go ist. Wenn ich ein bisschen abdriften darf: Ich bin ja auch in die Entwicklung des Opel Corsa-e Rally eingebunden gewesen, und wir haben bewiesen, dass auch Rallyesport mit einem Pionierprojekt erfolgreich möglich ist."

"Das Gleiche gilt auch für die Langstrecke. Deshalb brauchen wir jetzt einfach einen Anfang, auch um klare Signale zu setzen, dass der Motorsport auch dort wieder eine Vorreiterrolle spielt. Das ist der Grund, warum wir uns dazu entschieden haben, so etwas zu tun."

"Das Nächste, was jetzt hinterherkommen wird, ist ein Reglement für Elektrofahrzeuge. Auch, um ihnen die Chance zu geben, im Motorsport in einer Langstreckenserie den Anfang zu machen. Ganz neu ist es ja nicht, das sehen wir an der Formel E. Das sind aber stets Sprintrennen."

BMW i8 von Sorg Rennsport auf der Nürburgring-Nordschleife

BMW i8 von Sorg Rennsport sorgte als Vorreiter für hochgezogene Augenbrauen

Foto: VLN

"Wir wollen überlegen: Wie kriegen wir das auch für eine Langstreckenserie hin? Und da kommt in meinen Augen zum Tragen, dass am Ende auch die Infrastruktur dafür bereitstehen muss. Dass, wenn Fahrzeuge kommen, wir sie am Ende auch bedienen können. Das andere ist, alles so attraktiv zu gestalten, dass es Sinn macht, mit einem Elektrofahrzeug zu fahren - ohne dass man am Ende mit zehn Runden Rückstand immer der Letzte ist."

Offene Fragen bei der Elektroklasse

Frage: "Elektro und Langstrecke klingt wie etwas, das sich gegenseitig ausschließt. Wie soll das gehen?"

Strycek: "Da muss man überlegen, ob man das Ganze vielleicht splitten kann. Etwa, dass die Standzeit für das Laden vielleicht mit einem anderen Auto überbrückt werden kann. Wir sind gerade in der Phase des Überlegens und sind noch nicht so ganz auf den Punkt gekommen."

"Aber es besteht auch die Möglichkeit, dass die Standzeit in dem Moment als Rennzeit gewertet wird. Dementsprechend muss man jetzt noch einmal tief reindenken: Was hat Sinn? Was kann man den Teams zumuten? Was ist am Ende auch realistisch umsetzbar? Das ist genau der Punkt - wir müssen einen Anfang haben."

"Wir sind da sehr offen und würden gerne, wenn Teams sich dafür interessieren, mit den Teams in den Dialog treten. Wir werden so flexibel sein, dass wir ein Reglement auch entsprechend nachschärfen können, in der Annahme das Nachschärfungen notwendig sind, um am Ende dann auch gemeinsam so etwas zu realisieren."

Frage: "Wäre es eine Möglichkeit, das Problem über einen Wechselakku zu lösen?"

Strycek: "Das wäre eine Möglichkeit. Aber wer sich einmal intensiv damit beschäftigt: Er ist ein fester Bestandteil der gesamten Konstruktion. Das ist allein schon aus Crash-Gründen notwendig. Ich kenne mich in dem Thema Batterie gut aus, weil ich es [beim Opel Corsa-e Rally] mitentwickelt habe. Das ist nicht so einfach."

Frage: "Schublade auf, Akku raus, Akku rein, und zu geht also nicht?"

Strycek: "Die Sicherheit muss am Ende gewährleistet sein. Wir arbeiten da mit Hochvolt-Technik. Und da gehört mehr dazu, als anzuhalten, den Stecker abzuziehen und eine Batterie zu tauschen."

"Wir haben als NLS schon sehr viel geleistet. Wir haben Schulungen für die Sportwarte und Techniker durchgeführt. Das heißt also, wir haben auch da schon sehr viel Vorarbeit geleistet, um auch DMSB-gerecht zu sein. Damit in dem Moment, in dem das erste Auto da ist, wir auch die Legitimation dazu haben, den Anforderungen, die mit der Hochvolt-Technik verbunden sind, gerecht zu werden."

Bei der RCN-GLP waren 2021 erstmals reine Elektrofahrzeuge zugelassen

Bei der RCN-GLP waren 2021 erstmals reine Elektrofahrzeuge zugelassen

Foto: Wolfgang Förster/RCN

"Dementsprechend ist das nicht bloß eine Geschichte, die rein technisch zu sehen ist. Wir reden da natürlich auch über die Sicherheit von Menschen. Deswegen findet der Wechselakku aufgrund der Gesamtstruktur eines Elektrofahrzeugs nicht statt."

"Es wäre natürlich eine Möglichkeit, wenn man Elektroautos auf einer Einheitsbasis entwickelt und dann ein elektrisches Auto mit Silhouette hat. Das wollen wir aber nicht. Wir als VLN sind ja für die V-Klassen-Regularien [Serienwagen] verantwortlich. Wir können kein SP-Reglement machen, das liegt nicht in unseren Händen. Dementsprechend müssen wir basierend auf dem V-Reglement aufbauen."

Hybridklasse wird Fahrt aufnehmen

Frage: "Die Seriennähe bleibt erst einmal trotz aller Besonderheiten bestehen?"

Strycek: "Das muss sie, sonst reden wir nicht mehr von einer V-Klasse. Wir müssen natürlich sehen, wie wir das auch beim Hybrid-Reglement gut verpackt bekommen. Da gibt es Freiheiten, die wir extra geschaffen haben - allein schon deshalb, weil wir ja über ein sehr hohes Zusatzgewicht reden."

"Jeder, der sich mit der Hybridisierung auskennt, weiß, dass so ein Auto selbst dann, wenn es nur einen kleinen Akku hat, immer noch mehr als 200 Kilogramm oder sogar bis zu 400 Kilogramm schwerer [als ein konventionell Betriebenes] ist. Auch das haben wir mitberücksichtigt."

"Wir öffnen das V-Reglement diesbezüglich schon ein wenig. Denn wir wollen natürlich auch keine Autos rumfahren haben, die am Ende knapp drei Tonnen wiegen und bei denen kein Reifen mehr hält."

Frage: Wird es 2022 'nur' das Hybrid- oder auch schon ein Elektro-Reglement geben?"

Strycek: "Das Hybrid-Reglement kommt definitiv, das ist fertig. Beim Elektro-Reglement sind wir noch in der Findungsphase. Ich würde es ganz gerne schon für 2022 schreiben, auch wenn es vielleicht erst zeitverzögert kommen kann. Wir wollen die Plattform schon bieten.

"Wer aufmerksam war und das Reglement 2021 gelesen hat: Auch da war die Hybridklasse schon angekündigt. Wenn man auf die Klasseneinteilung 2021 schaut, dann gab es dort schon die Klasse 'VT-Hybrid-Performance'. Auch das haben wir bewusst gemacht, um zu signalisieren: Da kommt etwas."

"Und jetzt schieben wir das Reglement einfach hinterher, was heißt: Wir können 2022 starten. So ähnlich stelle ich mir das auch mit dem Elektro-Reglement vor."

Frage: "Wie groß ist das Interesse an der Hybrid-Klasse?"

Strycek: "Interessant ist, dass nach der Vorstellung des Autos [BMW i8 von 828/Sorg] auf einmal einige Anfragen schriftlich, aber auch per Telefon kamen: 'Kannst du uns schon mehr dazu sagen? Können wir das Reglement bald sehen? Wir haben Interesse an sowas.' Vom Bauchgefühl her wäre es schön, wenn wir es 2022 schaffen, schon einmal ein, zwei Autos [regelmäßig] zu sehen."

Opel Corsa-e Rallye

Volker Strycek hat den Opel Corsa-e Rally mitentwickelt

Foto: Stellantis

"Ich glaube aber, dass das ein großes Thema werden wird. Ich bin auch in eine Nachhaltigkeits-Kommission eingebunden. Dort erzähle ich immer wieder, dass die Entwicklung des elektrischen Rallyeautos eine enge Synergie mit der Serie hatte. Ich habe ja schon viele Motorsport-Projekte gemacht. Aber die Synergie war noch nie so eng wie beim elektrifizierten Rallyeauto."

"Und es ist für mich immer wieder ein klares Argument, dass der Motorsport der Serie durch diese Verknüpfung, dieses gegenseitige Lernen, zu einer derartigen Entwicklungsgeschwindigkeit verhilft. Da kann man zu Recht sagen, dass der Motorsport bei diesem Thema eine Vorreiterrolle spielt."

"Deswegen gibt es viele Ansätze, dass der Motorsport 'Pacemacher' ist. Wir werden in Zukunft auch AT-Klassen mit anderen Kraftstoffen sehen. All das sind in meinen Augen wichtige Bausteine, die dann auch die Daseinsberechtigung gerade auch für eine Langstreckenserie dokumentieren."

Frage: "Elektrische Antriebe sind ja für Rallye ideal, weil es dort auf viel 'Bums' aus engen Ecken ankommt. Auf der Rundstrecke zählt die Leistung 'obenrum'. Welche Herausforderungen gibt es diesbezüglich beim Elektroantrieb zu lösen?"

Strycek: "Jeder, der sich mit dem Thema auskennt weiß, dass bei Elektroautos häufig eine Geschwindigkeitsbegrenzung mit drin ist, weil der Elektromotor bei höheren Drehzahlen nachlässt. Ich bin selbst bereits einen Test gefahren. Man kann sich denken, was das für ein Auto war."

"Man ist bei den Rundenzeiten tritz der Geschwindigkeitsbegrenzung recht flott unterwegs. Wir müssen schauen, wie wir das am Ende regeln. Diese Autos dürfen auf der Strecke kein Problem darstellen [wenn sie auf den Geraden zu langsam sind]. Das muss man jetzt erarbeiten, zum Teil auch in Hersteller-Gesprächen, welche Möglichkeiten es da gibt."

Thema Sound: "Müssen an die Fans denken"

Frage: Sie sind auch den 24-Stunden-Eco-Grand-Prix am Nürburgring mitgefahren ..."

Strycek: "Genau, um weiter zu lernen. Und siehe da: Da sind interessante Autos dabei, die tatsächlich auch schon in der Lage wären, rein elektrisch einen sehr hohen Speed zu fahren. Das muss eruiert werden, es gibt noch kein Patentrezept."

"Aber wir müssen den Anfang machen. Da müssen wir auch mal echte Testergebnisse analysieren, welche Maßnahmen getroffen werden müssen, damit es am Ende ein Selbstläufer wird."

Frage: "Besorgte Fans werden sich fragen: Was wird aus dem Sound?"

Strycek: "Wir können immer sagen: Früher war alles besser. Aber die Zukunft müssen wir auch gestalten. Wir haben im Rallyebereich gezeigt, dass Sound möglich ist. Dort müssen wir Sound produzieren, aus Gründen der Zuschauer-Sicherheit."

"Dementsprechend ist das auch für ein Elektroauto [möglich]. Beim Hybrid ohnehin, der hat ja seinen Motorsound nach wie vor. Wir werden Sound kreieren können, die Hersteller sind dran. Das ist dann natürlich ein synthetischer Sound."

"Auf der anderen Seite müssen wir uns davon freimachen, dass Motorsport nur über Geräusch möglich ist. Ich glaube, die Faszination ist [bei elektrifizierten Autos] genauso wie bei einem schreienden Verbrennungsmotor bei 12.000 Umdrehungen vorhanden - von denen wir ohnehin immer weniger sehen werden, weil es immer mehr Turbomotoren gibt."

"Aber wir müssen an die Fans denken. Wir brauchen die Fans, wir machen den Sport für die Fans. Dementsprechend müssen wir da kreativ werden. Deswegen ist 'Thinking out of the box' erforderlich, um so etwas am Ende auch schön darzustellen, sodass sich jeder auch damit identifizieren kann."

E-Fuels und Wasserstoff schaffen weitere Komplexität

Frage: "Sind E-Fuels ein Thema in der VLN?"

Strycek: "Natürlich. Wir haben auch Anfragen im Bereich E-Fuels. Die Quantität ist am Ende das Problem. Wir müssen sehen, wie viele unterschiedliche Kraftstoffe im nächsten Jahr am Start sein werden. Wir wissen ja, dass einige Teams schon erfolgreich mit Bio-Kraftstoff unterwegs sind."

"Wir müssen aufpassen, dass wir die Nachfrage am Ende auch bedienen können. Im Moment ist es ja so, dass diese Teams den Kraftstoff selbst mitbringen müssen. Dafür haben wir den Boxenplatz vor der eigentlichen Boxenanlage. Wir müssen aufpassen, dass es nicht am Ende nicht mehr möglich ist, die Teams zu platzieren. Aber auch da werden wir Lösungen finden."

"E-Fuel ist in der Quantität nicht so einfach zu bekommen. Wir werden uns definitiv darauf einlassen und uns öffnen für Teams, die damit fahren möchten und wollen."

Frage: In diese ganze Gemengelage kommt Toyota jetzt auch noch mit dem Thema Wasserstoff. Ihr Job wird nicht langweilig ..."

Strycek (lacht): "Es wäre schlecht, wenn er das werden würde! Wir müssen an alles denken. Auch das ist ein alternativer Antrieb, der in meinen Augen genauso durchleuchtet werden muss."

"Wichtig ist, dass das Ganze am Ende auch abgedeckt werden kann. So, wie wir für die Verbrenner Benzin brauchen, brauchen wir für Elektroautos Strom. Und für die Hybridisierung beides, Strom und Benzin. Dann noch der neue Kraftstoff der Zukunft, egal wie er aussehen wird. All das muss erst einmal geliefert werden."

"Wenn Wasserstoff auch noch dazu kommt: Herzlich gern. Wir müssen uns dann aber wirklich Gedanken machen, wie wir das Thema Sicherheit hinbekommen, mit der Speicherung von Wasserstoff und so weiter. Wir sind aber vollkommen offen dafür und werden Vollgas geben, um so etwas zu realisieren."

Frage: "Ihre persönliche Einschätzung: Wie lange geben Sie dem Verbrenner noch, egal mit welchem Kraftstoff?"

Strycek: "Ich bin der festen Überzeugung, auch aufgrund dessen, was ich beruflich über Jahrzehnte gemacht habe: Für mich wird die Elektrifizierung eine Notwendigkeit sein. In der Übergangslösung auch sehr stark, aber wir werden letztlich mit der Hybridisierung enden. Da bin ich ganz sicher."

"Die Formel 1 macht es vor. Zwei Hybridsysteme, einmal Hitze, einmal Kinetik. Wir können rekuperieren und beide Antriebssysteme einsetzen. Für mich wird die Zukunft genau in der Mitte liegen: Ein kleiner Verbrennungsmotor mit hoher Leistung und einem Energiepaket, mit dem ich elektrisch durch die Innenstädte segeln kann."

Mit Bildmaterial von Stellantis.

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