Doppel-Champion Ben Keating: "GTE ist eine ganz besondere Spezifikation"
WEC-Doppel-Champion Ben Keating erinnert sich zum Ende der GTE-Ära an seine Erfolge sowie Höhepunkte und verrät, was die GTE-Klasse so besonders macht
Die Motorsport-Welt verabschiedet sich von der GTE-Klasse, die 2024 von den GT3-Boliden abgelöst wird. Ben Keating, der sich 2022 mit Aston Martin und 2023 mit Corvette zum Champion in der LMGTE-Am-Klasse krönte, ist betrübt. "Die GTE ist eine ganz besondere Spezifikation, einfach anders", schwärmt der US-Amerikaner im Gespräch mit Motorsport-Total.com.
Der Privatier, der seit 2015 beim 24h-Rennen in Le Mans startet, kennt die GTE-Klasse wie kaum ein anderer. "Zu Hause in meiner Garage stehen die GT3-Version einer Viper von 2015 und auch die GTE-Version einer Viper von 2015", verrät Keating. "Somit kann ich beide Spezifikationen direkt miteinander vergleichen. Ich muss schon sagen, dass die GTE einen besonderen Platz in meinem Herzen hat."
Ben Keating startete seine GTE-Karriere 2015 mit der Viper
Foto: Motorsport Images
"In der IMSA-Serie in den USA habe ich sieben Jahre lang GT3-Autos pilotiert", erinnert Keating daran, dass er in beiden Fahrzeugtypen erfolgreich war. Doch die GTE-Klasse hat ihn besonders überzeugt. "Der technische Aspekt ist etwas, was mir sehr gut gefällt", erklärt der Unternehmer.
"GT3-Autos möglicherweise schneller als die GTE-Autos"
"Die Idee, dass jeder Hersteller mit dem Reifenhersteller, also Michelin, zusammenarbeiten kann, um einen Reifen speziell für ihr jeweiliges Auto zu entwickeln, ist etwas Besonderes", so Keating. "Ich habe fast alle der GTE-Autos ausprobiert, nur den BMW nicht."
"Wenn ich die Autos direkt miteinander vergleiche, zum Beispiel in Le Mans, dann verblüfft es mich, wie groß die Unterschiede der Michelin-Varianten sind, vom Aston Martin über die Corvette, den Ford GT, den Ferrari, bis hin zur Viper. Jeder Reifen ist speziell auf das jeweilige Auto zugeschnitten. Und dann hast du für jeden Reifen noch drei unterschiedliche Mischungen, nämlich soft, medium und hard."
"Dadurch kommt die Performance der Autos auf den unterschiedlichen Strecken wirklich gut zum Tragen", weiß der 52-Jährige aus eigener Erfahrung. "Und das eröffnet natürlich auch jede Menge Möglichkeiten hinsichtlich der Strategie. Es ist wirklich ein Haufen Faktoren, der da mit reinspielt. Das macht es so interessant."
In der WEC-Saison 2023 startete Keating mit der Corvette
Foto: Motorsport Images
"Wenn sie alle mit derselben Reifenspezifikation fahren würden, dann wären die GT3-Autos möglicherweise schneller als die GTE-Autos", glaubt Keating. "Der große Unterschied mit Blick auf die Rundenzeiten sind wirklich die speziell auf die Autos zugeschnittenen Michelin-Reifen. Das ist etwas, was mir immer sehr gut gefallen hat, eben weil es wie schon gesagt alles viel interessanter macht."
Bremsen "ist das größte Unterscheidungsmerkmal"
Hinzu kommt, dass die GTE-Autos ohne ABS fahren, während die Fahrhilfen in der GT3-Klasse erlaubt sind. "Ich habe eigentlich nichts gegen ABS, aber meiner Meinung nach ist das größte Unterscheidungsmerkmal im Feld der Bronze-Fahrer nun mal das Bremsen", sagt Keating gegenüber Motorsport-Total.com. "Du musst am Limit bremsen, du darfst die Bremsen nicht blockieren lassen und du musst die Kurve kriegen."
Keating im Ferrari - gemeinsam mit Jeroen Bleekemolen & Luca Stolz
Foto: Motorsport Images
"Das ist wirklich der Bereich, in dem man die größten Unterschiede der Bronze-Fahrer untereinander sehen kann." Daran musste sich auch Keating erst gewöhnen, dessen Karriere durch ein Weihnachtsgeschenk seiner Ehefrau begann. "Ich habe hart gearbeitet, um auf der Bremse so gut zu sein, wie ich es jetzt bin."
"Wenn jetzt ABS kommt, dann steigen einfach alle wie ein Gorilla auf das Bremspedal, den Rest erledigt der Computer. Das gefällt mir nicht", kritisiert der zweifache GTE-Champion. "Meiner Meinung nach sollte im Hinblick auf die Performance der menschliche Faktor den Unterschied machen, anstatt dass einfach alles dem Computer überlassen wird."
Keating mit eindrucksvoller GTE-Karriere
Dass sich auch ein Privatier in der GTE-Klasse behaupten kann, stellte Keating in den letzten Jahren eindrucksvoll unter Beweis. Beim 24h-Rennen in Le Mans stand er mehrfach auf dem Podium, feierte in den letzten beiden Jahren sogar den Klassensieg. Kein Wunder, dass es schwerfällt, das persönliche Highlight zu finden. "Da müsste ich fast Jahr für Jahr durchgehen", schmunzelt Keating - und legt direkt los.
Keating (hier 2023 im Aston Martin) fuhr fast alle GTE-Boliden - nur BMW nicht
Foto: Motorsport Images
"Von 2009 bis 2017 war ich der größte Viper-Händler der Welt", erinnert der Autoverkäufer aus Amerika. "Dass ich 2015 mit der Viper angetreten bin, das war etwas ganz Besonderes für mich." Sein Le-Mans-Debüt mit der Dodge Viper SRT GTS-R, die er sich mit Jeroen Bleekemolen und Marc Miller teilte, endete jedoch mit Getriebeschaden.
"Heute bin ich ein Ford-Händler in dritter Generation", so Keating weiter. "Ich bin der einzige Privatier, der in Le Mans den Ford pilotiert hat. Auch das war etwas ganz Besonderes, und zwar trotz dessen, dass wir am Montag nach dem Rennen disqualifiziert wurden. Wir haben uns damals in der Schlussphase des Rennens mehrere Strafen eingefangen. Eine Stunde vor Schluss kam ich nach zwei Boxenstopps auf die Strecke zurück."
Keating ist der einzige Privatier, der in Le Mans mit Ford fuhr
Foto: Motorsport Images
"Die Leute in der Box gaben mir durch, dass Jörg Bergmeister 15 Sekunden hinter mir liegt", erinnert sich der 52-Jährige. "Da schrieben sie mich im Grunde schon ab. Sie glaubten nicht, dass ich überhaupt eine Chance haben würde. Tatsächlich aber ist es mir als Bronze-Fahrer gelungen, einen Platin-Fahrer, der mit allen Wassern gewaschen ist, hinter mir zu halten. Das ist wirklich eine wunderbare Erinnerung."
Keating mit doppeltem GTE-Titel zum Abschluss
"2018 saß ich im Ferrari. Es war damals mein erstes Podium in Le Mans", blickt der Unternehmer zurück. "Ich bin Autohändler aus Texas und fuhr damals für Risi Competizione, das Team von Giuseppe Risi. Auch er hat einen Autohandel in Texas, nämlich in Houston. Dass wir damals zusammengespannt haben, das war schon eine tolle Sache."
Die Karriere Keatings war allerdings nicht nur von Highlights gespickt. "2020 war vielleicht mein schlechtestes Jahr in Le Mans, aber es war meine erste volle Saison in der WEC", gibt der Amerika, der für das deutsche Project-1-Team fuhr, zu. "Ich saß damals im Porsche RSR und hatte wirklich eine Menge Spaß."
Mit dem Porsche RSR lief es 2020 in Le Mans nicht gut
Foto: Motorsport Images
"2022 habe ich im Aston Martin in Le Mans gewonnen und in dem Fall durfte ich den Pokal auch tatsächlich behalten. Am Saisonende waren wir Weltmeister", erinnert Keating an einen seiner größten Erfolge. "Und dennoch: Ich weiß nicht, wie man das Jahr 2023 in der Corvette überhaupt toppen kann."
"Ich saß wieder in einem Auto, das ich selber verkaufe. Die Ergebnisse auf der Strecke waren einfach unglaublich", sagt der mittlerweile erfahrene GT-Pilot zu Motorsport-Total.com. "Ich ärgere mich einfach nur total darüber, dass ich nicht das ganze Jahr ein Filmteam um mich herum hatte. Das wäre eine richtig gute Dokumentation geworden, weil das Jahr so unglaublich gut war."
GTE-Champion: Keating mit Nick Catsburg (li.) und Nico Varrone (re.)
Foto: Motorsport Images
"Le Mans zu gewinnen für ein Team aus den USA, mit einem Auto aus den USA und noch dazu einem, das ich selber verkaufe, dort ganz oben auf dem Podium gestanden zu haben, mit der amerikanischen Flagge hinter mir und dabei dem Klang der amerikanischen Nationalhymne zu lauschen, das war schon gewaltig."
"Dass ich die GTE-Ära mit zwei aufeinanderfolgenden Titelgewinnen abgeschlossen habe, das macht mich sehr stolz", so Keating, der weiter gefahren wäre, wenn die GTE-Autos wieder zum Einsatz gekommen wären. "Da das aber nicht der Fall ist, habe ich jetzt tatsächlich mal ein bisschen mehr Zeit für andere Dinge und muss nicht mehr versuchen, zwei volle Saisons in einem Jahr zu fahren."
Mit Bildmaterial von Motorsport Images.
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