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Kolumne

Porsche 919 Hybrid erlebt: Wehe, wenn Mulsanne näher kommt

Eine besondere Simulatorsession bei Porsche in Weissach: Redakteur Roman Wittemeier mit dem 919 Hybrid in Le Mans immerhin (fast) auf LMP2-Niveau

Porsche Team simulator

Foto: Porsche AG

Le Mans 2018 liegt hinter uns, leider mit sehr wenig Wettbewerb an der Spitze des Feldes. Toyota konnte den großen Pokal vergleichsweise easy endlich mal einfahren, weil die Konkurrenz schlichtweg nicht vorhanden war. Schade, dass Porsche zum Ende der vergangenen Saison aus der Szene verschwunden ist. Die Zuffenhausener treten in der WEC nicht mehr an, aber der 919 Hybrid lebt dennoch weiter. Bei Rekordfahrten und auch im Simulator in Weissach.

Wie nahe die Simulation an die Realität herankommt, durfte ich kürzlich erleben. Eine Session im virtuellen 919 Hybrid auf der legendären Strecke von Le Mans - ein Traum! Ich durfte die enorme Beschleunigung des LMP1-Geschosses spüren, habe die wilden Übergänge von permanenter Strecke zu öffentlicher Landstraße erlebt und wurde auf den harten Bodenwellen der Hunaudieres-Geraden geschüttelt - und war am Ende gerührt. Aber der Reihe nach.

Porsche Motorsport building

Porsche Motorsport building

Foto: Porsche

Ein wolkiger Montag Ende Juni. Das kleine Nest Weissach kommt nicht zur Ruhe. Je näher man dem Porsche-Entwicklungsstandort kommt, desto höher wird die dichte von Cayennes, Panameras und natürlich 911ern - eine Soundkulisse, die für mich als Gast reinste Musik in den Ohren ist. Ankunft am riesigen Werksgelände. Parkplätze ohne Ende, denn immerhin arbeiten mittlerweile rund 5.000 Porsche-Mitarbeiter am Standort Weissach. Besucherparkplatz gefunden, ab zur Anmeldung.

Nach kurzer Abarbeitung der notwendigen Formularien werde ich am Empfang abgeholt. Ich bin auf einen kurzen Fußmarsch eingestellt, liege damit aber grundsätzlich falsch. In einem Cayenne Turbo geht es nach Flacht - so nennen die Porsche-Angestellten den südlichen Teil der Anlage in Weissach. Dort sind die Entwicklungszentren für GT-Rennfahrzeuge und auch der bisherige LMP-Bereich untergebracht. Es sind auch schon Vorboten des Formel-E-Programmes zu erkennen.

An 919-Bauteilen vorbei in das Heiligtum der Simulation

Es geht vorbei an einigen Erlkönigen, auf der linken Seite stapeln sich Reifen. Dort werden die Fahrzeuge für die Erprobungsfahrten auf der hauseigenen Teststrecke vorbereitet. Wir halten am hintersten Gebäude an, gehen vorbei an einer großen Kantine. Es ist gerade Mittagspause, die Sonne findet eine größere Lücke zwischen den Wolken, alle Plätze vor dem LMP-Entwicklungsbau sind von Sonnenanbetern besetzt. Wir gehen in ein unscheinbares Nachbargebäude.

Hier ist sie: Die Werkstatt, in der die 919 Hybrid aufgebaut, verbessert und revidiert werden. An der Wand hängen unzählige Frontpartien, teils vom originalen 919er, teils von der neuen Evo-Version. Auf dem Boden steht ein Chassis ohne Räder und mit nicht ganz komplettem Antriebsstrang. "Das Gerät ist für den Windkanal präpariert", sagt man mir. Es geht weiter durch eine schlicht weiße Tür, hinein in das Reich der Simulationsexperten.

Porsche Team building

Porsche Team building

Foto: Porsche

Ein schmaler Raum direkt hinter der Tür, nach links ein Durchgang zum Heiligtum der LMP1-Simulation. Auf mehreren Hydraulikstempeln ist eine Plattform samt originalem 919-Cockpit installiert. Die offene Tür des Chassis lädt zum Einsteigen ein. Aber für mich ist es noch nicht ganz soweit. Zuerst ist Werkspilot Neel Jani dran. Er soll den Simulator "einfahren" und eine Referenzrunde markieren. Der Schweizer zieht feuerfestes Unterhemd und Rennfahrer-Schuhe an und gleitet ins Cockpit.

Da der Simulatorraum für die Fahrten komplett abgedunkelt wird und die Tür zum Kontrollraum verschlossen bleiben muss, ziehe ich mich zusammen mit allen anderen in den kleinen "Schlauch" mit all den Steuerungs- und Beobachtungseinrichtungen zurück. "Ignition on, Hybrid on" funkt der Ingenieur ins Cockpit. Die Lampen gehen aus, nur die zahlreichen Datenbildschirme erhellen den Kontrollraum noch. Die Hydraulikanlage bewegt das 919-Cockpit mit Neel Jani ins Zentrum des Raumes.

Mit Leichtigkeit: Neel Jani fährt Referenzrunde in Le Mans

Fünf große Beamer werfen die Umgebung der Le-Mans-Boxengasse auf die im Halbkreis gebauten Wände des Simulationsraumes. "Ich starte dich in 3, 2, 1 ...", ertönt es im Funk. Der virtuelle Porsche-LMP1-Bolide startet mit langsamen Tempo in der Boxengasse, Neel Jani bewegt den Wagen in den Grenzen des Speedlimiters am Michelin-Positionsanzeiger vorbei in Richtung Ausfahrt. In der Dunkelheit ist deutlich erkennbar, wie sich das Chassis auf dem Hydraulikgestell des Herstellers VI-Grade bewegt.

Der Schweizer agiert im 919 so selbstverständlich wie meine Oma an der Häkelnadel. Von wegen langsames Einrollen. Es geht sofort mit maximalem Tempo über den Kurs. Klar, auf Reifen muss hier heute niemand Rücksicht nehmen. Es sind genügend vorhanden! Und außerdem muss hier kein Satz über drei oder vier komplette Le-Mans-Stints möglichst konstant bleiben. Neel Jani gibt ordentlich Gas, ich schaue mir den eigentlich bekannten Streckenverlauf noch einmal genau an.

Porsche Team simulator

Porsche Team simulator

Foto: Porsche

Die Simulations-Software basiert auf der gängigen "rfPro"-Plattform, die ihre Wurzeln im PC-Simulationsspiel rFactor hat. Die meisten Hersteller und Teams nutzen dieses Tool. Porsche hat die Software in mühevoller Arbeit über ein Jahr lang mit immer mehr Daten gefüttert, die Systeme immer weiter auf Realität getrimmt. Set-up-Veränderungen lassen sich ebenso präzise darstellen wie das Verhalten der Michelin-Reifen und die Auswirkungen von verschiedenen Betriebsstrategien.

Neel Jani ist bereits auf seiner fliegenden Runde. "Viel Bewegung im Auto, recht viel Untersteuern und wenig Topspeed", meldet der Schweizer. Trotz dieser Voraussetzungen gelingt dem Le-Mans-Champion von 2016 auf Anhieb eine Rundenzeit von 3:24.4 Minuten. Jani steigt aus. "Ich war irgendwie noch im Rebellion-Modus", lacht der frisch gebackene Vater eines Sohnes. "Die Umstellung war schon enorm, ich bräuchte vielleicht noch eine Runde, um wieder voll im Porsche-919-Modus zu sein."

Vorsichtsmaßnahme: Kaugummi gegen Simulatorkrankheit

Auch wenn Jani gern noch einige Runden in Le Mans gefahren wäre und seine Zeit sehr wahrscheinlich noch um ein deutliches Maß gedrückt hätte, so ist für ihn Schluss mit dem aktiven Part der Simulatiorsession. Jetzt bin ich dran! "Den Gürtel deiner Jeanshose sollte du entweder öffnen, oder besser ganz ablegen", sagt mir der Techniker, der befürchtet, ich könnte mir in der für mich engen Sitzschale (Neel Jani grinsend: "Das ist die von Webber, eine größere haben wir nicht!") Druckstellen holen.

Balaclava auf, Helm drüber und los geht sie, die Kletterpartie ins LMP1-Cockpit. Die Hydraulikstempel haben das Chassis wieder in die Einsteigeposition gefahren. Über vier gelb markierte Metallstufen geht es in das Highspeed-Auto mit seinen 1.000 PS Systemleistung (real und virtuell). Mit einiger Mühe bringe ich meine alten Gräten im engen Cockpit unter. Das Lenkrad, das Neel mir kurz in seinen Grundfunktionen erklärt hat, wird aufgesteckt. Der Stecker des Funks gleitet in die entsprechende Buchse auf meiner rechten Seite.

Porsche Team simulator detail

Porsche Team simulator detail

Foto: Porsche

Oft habe ich schon Fahrer verschiedener Motorsportarten klagen hören. Die sogenannte Simulatorkrankheit kann für mächtige Übelkeit sorgen. Ich habe entsprechende Erlebnisse bereits gehabt, bin deshalb diesmal mit einem Kaugummi gegen Reiseübelkeit gerüstet. Nervös kaue ich darauf herum. "Bitte, lieber Magen, blieb ganz entspannt", denke ich. Die Cockpittür geht zu. Plötzlich bin ich allein, ganz allein. Der Raum wird abgedunkelt. Alles, was nun noch bleibt, sind die beleuchteten Schalter und diverse Anzeigen - und natürlich die Umgebung. Aus dieser Perspektive ist es Wahnsinn. Ich bin in Le Mans! Live und in Farbe!

"Ignition on, Hybrid on", höre ich im Funk. Ich lege die entsprechenden Kippschalter um, die Anzeigen wechseln in den Betriebsmodus. "Ich fahre dich jetzt in die Sim-Position", sagt der Ingenieur. Prompt setzt sich die gesamte Plattform mit mir und meiner Nervosität in Bewegung. Spacig! Ein anderes Wort fällt mir dafür gerade nicht ein. Ich aktiviere den Pitlimiter über einen Druck auf den entsprechenden Lenkrad-Knopf. "Ich lasse dich los in 3, 2, 1 ..." Boom! Ich fahre!

Erfahrungen: Wer besser bremst ist wirklich schnell

Wer bewegt sich hier wie? Das ist die Frage, die mir sofort durch den Kopf schießt. Ich bin in einer eigenen Welt. Dies ist nicht mehr Weissach, sondern Le Mans. Ich cruise an den Boxenausgang, gewöhne mich dabei etwas mehr an die optischen Eindrücke aus Cockpitperspektive. Da ist die Linie, Pitlimiter aus. Der 919 schießt ordentlich nach vorn, die Beschleunigung wird vom Sound des V4-Verbrenners und des E-Antriebs begleitet. Auch der Sound ist realitätsgetreu. What a feeling!

Vor mir liegt die Dunlop-Schikane. Einmal links, danach rechts. Ich fahre leicht über die Randsteine, es rüttelt mich durch, die Welt scheint an den Seiten zu kippen. Meine Augen, mein Hirn und mein Magen - all das ist noch nicht wirklich auf diese Erfahrung eingestellt. Aber es wird schnell besser. Im vierten Gang durch die Esses in Richtung Tertre Rouge. Wie hat Neel das eben gemacht? Tertre Rouge im sechsten Gang? Und schon gefühlt 20 Meter später Vollgas im siebten Gang? Wie soll das gehen?

Porsche Team simulator

Porsche Team simulator

Foto: Porsche

Ich arbeite mich vorsichtig im Fünften durch die berühmte Kurve, die auf die Landstraße und somit auf die langen Teile der Hunaudieres-Geraden führt. Vollgas! Die gewaltige Power schiebt den 919 nach vorn, der Boost wird körperlich spürbar. Innerhalb weniger Sekunden muss ich zweimal hochschalten. Mit gut 300 km/h fliege ich auf die Playstation-Schikane zu. "Kurz vor dem 100-Meter-Schild den Anker werfen", so lautete die Ansage von Neel Jani. An mir fliegen die Schilder einfach vorbei. Ich steige brutal in die Eisen. Die Räder blockieren. Ich segle schnell auf ein schwarzes Playstation-Werbeschild zu.

Wow, was ist das denn? Wieso verzögert das Ding nicht? Keine Zeit für die Beantwortung der Fragen. Gerade so rette ich mich zurück auf die Strecke. Mund abputzen, weitermachen. Das war eine Warnung. Ich habe sie verinnerlicht. Mit erneut hohem Tempo fliege ich im siebten Gang auf die zweite Schikane zu. In die Eisen, vorsichtshalber mal schon bei 200 Metern. Der 919 wird schnell langsamer, wieder blockieren am Ende des Bremsvorgangs die Räder, aber ich arbeite mich ganz gut im dritten Gang durch die Links-Rechts-Links-Kombination.

Mulsanne Corner: Ich werde sie niemals lieben lernen

Wieder volle Lotte bis in den siebten Gang. Vor der berühmten Mulsanne-Kurve ist der kleine Rechtsknick. Ich weiß, dass dieser Bogen dort ist - und dennoch irritiert er mich ohne Ende. Gerade noch eben schaffe ich den Bremsvorgang, schalte zurück bis in den dritten Gang und werfe das virtuelle (fühlt sich gar nicht so an!) Auto um die Ecke. Es geht wieder auf volle Attacke. Das Pfeifen des Hybridboosts lässt die Beschleunigung noch mächtiger erscheinen.

Es ist doch erst die Einrollrunde, rufe ich mir in den Kopf. Also mach mal easy. Ich "gleite" mit Tempo 310 km/h in Richtung Indianapolis, agiere dann übervorsichtig. Noch vor dem schnellen Rechtsknick bremse ich und schalte gleich mal zwei Gänge zurück, dann nochmal Anker werfen und zurück in den dritten Gang. Mit reichlich Abstand zum Limit fahre ich durch Indianapolis, arbeite mich anschließend zu meiner bisherigen Hasskurve Arnage vor und gehe am Ende des engen Rechtsbogens vorsichtig auf das Gas.

Porsche Team simulator

Porsche Team simulator

Foto: Porsche

Und jetzt kommen sie, die Porsche-Kurven. Legendär, ultraschnell und unheimlich gefährlich. Ich habe zuvor beobachtet, wie Neel diesen Bereich durchfährt. Ziehe ich mal lieber für mich an allen Stellen vorsichtshalber mindestens 20 km/h und einen Gang ab. Also gehe ich im fünften Gang durch die Rechtskurve und die doppelte Links danach. Dann wird es etwas enger, aber dennoch bleibe ich auf Halbgas. Alles ganz einfach! War ein Scherz, denn nun kommt der letzte Linksbogen, den man zu diesem Jahr neu gestaltet hat.

Der Eingang der letzten Kurve ist extrem spät zu sehen. Und da ich nicht auf Verdacht einlenke, sondern nur auf Sicht fahre, bin ich viel zu spät dran. Der Porsche 919 untersteuert spürbar, das Abreißen des Grips wird im Cockpit mit hellen Dioden signalisiert. Schaffe ich das noch? Ja, auf dem äußeren Randstein fängt sich der Wagen. Es geht im schnellen Geschlängel mit Vollgas in die Ford-Schikanen. "Du bist fünfmal besser als die Leute, die vor dir im Simulator waren", sagt Neel über Funk. Ich grinse. Macht unfassbar viel Laune. Und jetzt auf Zeit!

Erste Rundenzeiten: Immerhin auf dem Niveau eines GTE-Autos

3:24.4 Minuten war die Referenz von Neel. Werde ich sowieso um Welten drüber liegen! Wenigstens eine Zeit, mit der ich nicht hinter dem langsamsten GTE-Amateur sein würde. Das ist erst einmal das Ziel. Mit voller Konzentration geht es auf die erste fliegende Runde. Ups, viel zu schnell in den ersten Bogen der Dunlop-Schikane. Der 919 untersteuert, rutscht deutlich auf die "Baguettes" auf der Innenseite der folgenden Rechts zu. Ich bekomme den Knick gerade noch so. Jetzt aber mal Hirn einschalten und etwas vorsichtiger!

Ohne größere Probleme - allerdings auch weit weg vom wahren Limit - arbeite ich mich bis auf die lange Hunaudieres vor. Wo sind die Bremsmarker? War das schon das 300-Meter-Schild? In die Eisen! Ich bin etwas orientierungslos und bremse viel zu früh und viel zu stark. Die Zufahrt auf die erste Schikane wird ein Kapitel aus dem Buch "Die Entdeckung der Langsamkeit" - und genauso geht es auch durch die zweite Schikane. Dann Mulsanne-Corner. Blockierende Räder, Einschlag gerade so verhindert. Meine neue Hasskurve in Le Mans.

Porsche Team simulator

Porsche Team simulator

Foto: Porsche

Mit solider und recht sauberer Fahrt geht es durch Indianapolis, Arnage, die Porsche-Kurven und die Ford-Schikane. "3:51er-Zeit. Damit wärst du schon bei der GTE ganz gut dabei", lacht Neel im Funk. Da muss mehr gehen. Noch eine schnelle Runde. Ich werde sicherer im Umgang mit dem 919. Ich erwische die Kurvenausgänge viel besser, bin früher am Gas. Der Erfolg: Endlich geht der 919 am Ende der Geraden ins automatische Segeln über. Das hört sich ja genauso an wie bei Neel eben! Ist es auch genauso schnell? Nein: 3:42.2 Minuten. Da muss noch mehr gehen!

Ich versuche es sofort nochmal, gehe überall etwas weiter ans Limit. Meine Fahrt endet abrupt. Wo? Natürlich in Mulsanne. Ich bin viel zu lang viel zu stark auf der Bremse. Die Räder blockieren, und ich bin auf dem Weg geradeaus nur noch Passagier. "Willkommen im Club", lacht Neel im Funk. "Ist schon fast allen mal so passiert an der Stelle. Vor allem nachts ist das ganz schwierig, weil es dort so unwahrscheinlich dunkel ist." Der Simulator stellt bei Abflügen ab. Wir machen Pause. Datenanalyse steht auf dem Programm.

Wenn der Porsche 919 Hybrid doch nur ein ABS hätte ...

Die Techniker rufen diverse Diagramme auf, aus denen ich auf den ersten Blick nicht ganz schlau werde. Neel und der leitende Ingenieure erklären mir die Daten und die entsprechende Darstellung. Meine Runde gegen seine Runde. "Schau bei der Tempokurve. Auf den Geraden reizt du den 919 aus, aber in den Kurven bist du noch weit weg. Das ist ganz natürlich. Aber nun schauen wir uns die Bremszonen an", sagt Neel Jani. Es wird klar, dass ich quasi überhaupt kein Gefühl für das LMP1-Bremsverhalten habe.

Porsche Team simulator steering wheel

Porsche Team simulator steering wheel

Foto: Porsche

Mein Gaststart im Audi Sport TT Cup vor knapp einem Jahr hat meinen Umgang mit der Bremse etwas versaut. Dort konnte ich mit aller Wucht auf das Pedal treten. Die Verzögerung war gut, alles andere hat das ABS geregelt. Und hier? Ich steige wie irre in die Eisen, baue im ersten Moment oft höheren Bremsdruck auf als Neel, aber dann passiert es: die Räder blockieren. "Bedenke: Je langsamer du wirst, desto weniger Abtrieb. Weniger Abtrieb heißt auch weniger Möglichkeit zum Verzögern. Die Räder blockieren dann einfach", erklärt mir der Schweizer. Gefragt ist Gefühl. Erst voll rein, dann Bremsdruck linear reduzieren.

"Wenn du dir das jetzt mal vornimmst und das gut umsetzt, dann bist du gleich mal ein paar Sekunden schneller", stellt mir der Porsche-Werkspilot in Aussicht. Eine halbe Flasche Mineralwasser auf ex, dann wieder ins Auto. Ich will den Ratschlag bewusst umsetzen. In der Einführungsrunde teste ich das "neue Bremsen", aber es geht schief. Ein Grund: Ich habe keine Rennfahrer-Schuhe an. Meine Sneakers sind vorn zu breit, ich bleibe mit dem "Gasfuß" immer am Bremspedal hängen. War mir vorher nicht so aufgefallen.

Erfolg für den Amateur: Die LMP1-Rakete konstant auf LMP2-Niveau

Es geht auf die erste gezeitete Runde. Ich werde mutiger, auch im Dunlop-Bogen und in den Porsche-Kurven, ich lege dort bestimmt um eine Sekunde zu. Den Brems-Tipp von Neel versuche ich bewusst umzusetzen. Gelingt nicht immer - vor allem nicht auf der Zufahrt meiner "Lieblingskurve" Mulsanne -, aber immer öfter. Erste Runde 3:36.4 Minuten, dann 3:36.2, 3:36.1, 3:36.2. "Immerhin fast LMP2-Niveau", sage ich im Funk. Meine beste Rundenzeit am Ende des Tages: 3:36.155 Minuten.

Ich steige aus, bin durchgeschwitzt und etwas ausgelaugt. Anstrengungen fast so wie im echten Auto. Warm ist es auch. Es hat einen guten Grund, warum im 919-Simulator-Cockpit der gleiche "Fan-Button" verbaut ist wie im echten Auto. Ich hätte die Frischluft-Zufuhr durchaus auf maximale Stufe stellen sollen. Keine Zeit für so etwas. "Wir haben dich schwer atmen hören im Funk", lacht Neel Jani am Ende der Session.

"Hast du gut gemacht. Würden wir jetzt weiter in die Datenanalyse gehen, könntest du bestimmt noch einige Sekunden finden. Nur die letzten zwei Sekunden bis zu unseren Rundenzeiten würden schwierig", meint der Fachmann und langjährige Racer. Und genau das ist es, was bei mir neben den Eindrücken der fantastischen Simulation hängen bleibt. Ob virtuell oder in der Realität: Es gibt einen riesigen Unterschied zwischen Profi und Amateur. Egal, ich war in Le Mans. Ganz in echt. So fühlte es sich an!

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