Registrieren

Kostenlos registrieren

  • Direkt zu Deinen Lieblingsartikeln!

  • Benachrichtigungen für Top-News und Lieblingsfahrer verwalten

  • Artikel kommentieren

Motorsport Prime

Premium-Inhalte entdecken
Registrieren

Edition

Deutschland

Vier Unfälle in Spa: Ist der Porsche 911 RSR-19 zu "scharf" für Amateure?

Vier Unfälle bei der WEC in Spa mit dem Porsche 911 RSR-19 geben zu denken - War es eine Kombination von Faktoren oder ist das Auto für Amateure zu kritisch?

Es herrscht Kopfkratzen bei Porsche nach den 6 Stunden von Spa 2021. "Das ist in einer Häufigkeit passiert, die wirklich interessant ist", sagt Alexander Stehlig, WEC-Einsatzleiter bei Porsche, gegenüber 'Motorsport.com Deutschland'. Warum genau vier Amateure auf dem Circuit de Spa-Francorchamps die Kontrolle über den Porsche 911 RSR-19 verloren haben, ist noch unklar, die Analysearbeit läuft.

Warum haben Anders Buchardt, Christian Ried, Egidio Perfetti und Michael Wainwright ihre Fahrzeuge teils so heftig in die Wand gepfeffert, dass das Chassis unbrauchbar geworden ist? Die 2019er-Variante des 911 RSR kommt in der GTE Am der Langstrecken-Weltmeisterschaft (WEC) dieses Jahr erstmals zum Einsatz. Der Bolide ist eine starke Überarbeitung des 2017er-Modells und eigentlich in vielen Bereichen besser.

Aber vielleicht zu viel besser für Amateure? Es gilt festzuhalten, dass mit Ausnahme von Buchardt alle Fahrer erfahrene WEC- und Porsche-Piloten sind. Buchardt zerlegte es Informationen von 'Motorsport.com Deutschland' zufolge im Streckenabschnitt Malmedy, weil er zu weit innen auf den Randstein in der verwirbelten Luft eines vorausfahrenden LMP2-Boliden kam. Ob das Chassis zu retten ist, wird derzeit eruiert.

Der Unfall von Ried in Raidillon verlief relativ glimpflich. Er schlug mit der Front zuerst ein. Das erwies sich als Glücksfall. Perfetti hingegen erwischte die Reifenstapel mit der Seite und dem Heck zuerst. Das sorgte für einen Schaden, der so gewaltig ist, dass der Project-1-Porsche #56 (Perfetti/Cairoli/Pera) ein neues Chassis braucht. Wainwright drehte sich im Warm-up vor dem Rennstart in Les Combes und schlug ebenfalls seitlich ein.

Hinzu kommt, dass mit Ben Keating schon am ersten Tag des Prologs ein weiterer hocherfahrener Amateurpilot die Kontrolle über einen Aston Martin in der Eau Rouge verlor - Satoshi Hoshino kopierte den Unfall wohl aufgrund eines Reifenschadens in einem weiteren Vantage AMR.

2019er-Modell sollte einfacher zu fahren sein

Stehlig betont, dass die Porsche-Kunden ihre Autos nicht erst seit Spa haben: "Die Kunden besitzen das Auto schon länger und damit bereits einige Testfahrten hinter sich. Sie haben auch das ELMS-Rennen in Barcelona absolviert. Sowohl wir als auch die Kunden haben bisher nie die Erfahrung gemacht, dass das Auto fahrdynamisch instabil wäre - auch nicht von Christian Ried." Das Auto wird seit 2018 getestet und und befindet sich seit Mitte 2019 im Rennbetrieb.

Eigentlich sollte der Porsche 911 RSR-19 einfacher zu fahren sein. Der Fokus beim 911 RSR-19 lag darauf, dass die Performance in Kurven zu Beginn linearer abgerufen wird. Das sollte den Boliden eigentlich vorhersehbarer machen, auch für Amateure. Spa-Streckenrekordfahrer Kevin Estre bestätigt gegenüber 'Motorsport.com Deutschland': "Das Auto ist ein bisschen berechenbarer als der 2017er-RSR."

Im Detail: Wie der Porsche 911 RSR-19 Kurven linearer durchfährt

Stehlig ergänzt: "Ein Hauptfokus bei dem Auto war ganz klar die Fahrbarkeit, vor allem durch Kurven hindurch. Dass die Phase von der Vollgasfahrt, dann Einleitung Bremsvorgang, Bremse-Einlenken, Mid-Corner, dann aufs Gas - dass das linearer und vorhersehbarer ist. Wir wollten aerodynamisch und mechanisch eine bessere Balance erzielen. Das ist uns definitiv gelungen."

Richtig ist aber auch, dass der Bolide zu 95 Prozent neu gemacht wurde. Stehlig entgegnet: "'Neu' heißt nicht, dass wir das Auto völlig auf den Kopf stellen. Wir schauen uns natürlich vom Vorgängerauto an, was uns gut und was nicht so gut gefällt. Diese Dinge entwickelt man natürlich weiter. Dinge, die einem prinzipiell gut gefallen, lässt man in der Logik und Basisauslegung gleich."

"Es heißt aber nicht, dass wenn 95 Prozent der Teile neu sind, die ganze Grundauslegung neu ist. Das haben wir natürlich nicht gemacht. Es sind die gleichen Leute, die das Auto entwickeln. Da wird natürlich nicht das ganze Auto auf den Kopf gedreht und gesagt, dass wir mit einer komplett neuen Philosophie anfangen. Dann würden wir ja alles an Erfahrungen und gemessenen Werten verlieren."

Kein GT3, aber Kunden im Fokus

Es ist auch kein Geheimnis, dass Teile des Ende 2017 aufgelösten LMP1-Teams ihr Know-how in den RSR-19 haben einfließen lassen. Der Porsche holt seine Zeit vor allem in schnellen und mittelschnellen Kurven, wo Aero gefragt ist.

Das zeigte sich, als der Porsche #91 (Bruni/Lietz) in der GTE Pro zu Beginn des Rennens lange hinter den Ferraris festhing, die auf den Geraden schneller waren. Aber natürlich an Sektoren und Mikrosektoren.

Natürlich sind aerodynamiklastige Fahrzeuge leicht zu handeln - bis zu dem Moment, in dem man über das Limit hinausgeht. Dann reißt der Grip schlagartig ab. Und die Eau Rouge wird mit einer Geschwindigkeit durchfahren, die man sonst nur ganz selten in Kurven erlebt. Doch zwei der Unfälle ereigneten sich an deutlich langsameren Stellen.

Anders als ein GT3-Fahrzeug ist ein GTE-Bolide nicht explizit auf Amateure ausgelegt, sondern deutlich mehr Renngerät. Er ist so gesehen "schärfer". Stehlig versichert aber, dass die Amateure mit in den Entwicklungsprozess beim RSR-19 eingebunden gewesen sind.

"Wir haben die Kunden mit ins Boot genommen, als wir das Auto auf Kiel gelegt haben und haben aktiv mit ihnen besprochen, was sie gegenüber dem 2017er-RSR verbessert haben wollten. Das sind natürlich Themen rund ums Handling, die Fahrbarkeit und Bedienung des Autos. Das haben wir schon sehr umfangreich gemacht."

Michael Wainwright

Die Eau Rouge stellt eine enorme Belastung für die Hinterreifen dar

Foto: Motorsport Images

"Man darf nicht vergessen, dass die Anzahl der Kundenfahrzeuge genauso groß war wie die der Werksautos - und jetzt durch den werksseitigen Ausstieg aus der IMSA sogar noch größer ist. Der Kunde ist also kein Beiprodukt, sondern integraler Bestandteil bei der Entwicklung des Autos."

"Dass LMP1-Leute mitgearbeitet haben, bedeutet auch nicht, dass sie kein gutes GT-Auto bauen können. Es gilt nicht, dass ein LMP1-Ingenieur ein Auto entwickelt, das schwieriger zu fahren ist. Die physikalischen Prinzipien sind ja gleich, egal was für ein Rennauto man entwickelt. Dafür gibt es Lastenhefte und Anforderungsprofile, wie wir ein Auto entwickeln wollen. Da sind die Kundenwünsche definitiv mit drin oder wurden integriert."

Mehrere Faktoren im Fokus

Die Arbeitshypothese lautet daher momentan, dass es eine Verkettung mehrerer Faktoren gewesen ist: Es war sehr kühl in Spa und der erste Renneinsatz in der Konstellation der Fahrer und Ingenieure miteinander. Und zumindest im Qualifying kam der Faktor hinzu, dass der neue Modus in Spa debütierte, in dem Amateure die Qualifying-Session alleine fahren müssen. Das dürfte für eine Extraportion Entschlossenheit gesorgt haben.

Ebenso neu ist das 10-minütige Warm-up, das Wainwright zum Verhängnis wurde. Es hat sich aus der Abschaffung des Startprozederes aufgrund der Geisterrennen der WEC seit Ausbruch der COVID-19-Pandemie entwickelt. Jetzt haben die Piloten eine Session, in der sie Last-Minute-Änderungen am Set-up vornehmen können, um die Abstimmung perfekt auf die Bedingungen am Renntag anzupassen. Das verführt zum Pushen.

Und das auf dem Circuit de Spa-Francorchamps. "Das ist klar die schwierigste Strecke der WEC und nach der Nordschleife wahrscheinlich die schwierigste Strecke der Welt", sagt Estre. "Eau Rouge, wenig Erfahrung der Amateure in diesem Auto, die dazu aufgrund des neuen Qualifying-Modus hochmotiviert waren - das plus das plus das gibt sicherlich den Ausschlag."

Ben Keating, Dylan Pereira, Abschleppwagen

Am ersten Tag des Prologs flogen zwei Aston Martin in Eau Rouge ab

Foto: Erik Junius

Er nennt einen weiteren möglichen Aspekt aufgrund der kühlen Bedingungen: "Im Qualifying ist der Reifen zwar vorgewärmt, aber man startet mit einem geringeren Luftdruck. Auch ich habe das Auto im Freien Training auf meiner Outlap beinahe verloren und ich musste ganz schnell korrigieren. Ich habe das Auto gerade wieder einfangen können. Vielleicht haben sie es nicht mehr geschafft."

Der Circuit de Spa-Francorchamps stellt eine enorme Belastung für die Reifen dar, weil direkt nach dem Boxenausgang die Kompression der Eau Rouge auf dem Programm steht, in der auch noch ein Lastwechsel stattfindet. Mit geringem Druck ergibt sich eine extreme Belastung für den Hinterreifen. Und der Luftdruck ist mindestens genauso wichtig wie die Temperatur.

Wie geht es nun weiter? Stehlig: "Wir fangen jetzt mit der Analyse erst an; wir müssen erst die Daten suchen. Das Auto ist - und hinter dieser Aussage stehe ich - entwickelt worden, eine bessere und einfachere Performanceabgabe zu entwickeln. Es war auch die Rückmeldung aller, dass das so passiert ist. Wir müssen jetzt abwarten, was unsere Leute aus den Daten herausfinden."

"Ich persönlich glaube, dass es verschiedene Faktoren waren. Ich glaube nicht, dass es ein fundamentales Problem gibt - weder mit unserem Fahrzeug, noch mit dem Aston Martin."

Mit Bildmaterial von Motorsport Images.

Vorheriger Artikel "Nicht überall großartig": Toyota übt nach 6h Spa Selbstkritik
Nächster Artikel Glickenhaus: WEC-Teilnahmen in Fuji und Bahrain kommerziell nicht sinnvoll

Kostenlos registrieren

  • Direkt zu Deinen Lieblingsartikeln!

  • Benachrichtigungen für Top-News und Lieblingsfahrer verwalten

  • Artikel kommentieren

Motorsport Prime

Premium-Inhalte entdecken
Registrieren

Edition

Deutschland