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Interview

Oliver Ciesla im Interview: Bilanz nach acht Jahren als WRC-Promoter

Oliver Ciesla spricht im Interview über die schwierige Kalender-Situation der WRC aufgrund der COVID-19-Pandemie und blickt auf das neue Hybrid-Reglement 2022

Eigentlich hatte Oliver Ciesla vorgehabt, Ende April nach acht Jahren seinen Posten als Geschäftsführer der WRC Promoter GmbH abzugeben. Doch die COVID-19-Pandemie und die damit verbundenen Probleme für die Rallye-Weltmeisterschaft haben ihn zu einer Verlängerung seines Engagements veranlasst.

Im Interview mit 'Motorsport-Total.com', welches vor der offiziellen Absage der Rallye Finnland geführt wurde, zieht Ciesla eine Bilanz seiner Jahre als WRC-Promoter, äußert sich zur aktuellen Kalender-Situation und erklärt, warum die Einführung des neuen Hybrid-Reglements für die WRC-Saison 2022 so wichtig war.

Frage: "Herr Ciesla, welche Art von Lockdown haben Sie erlebt, seit die Rallye-Weltmeisterschaft unterbrochen ist?

Oliver Ciesla: "Seit der Rallye Mexiko ist alles anders. Wir mussten sie abbrechen. Als wir in zurück nach Europa kamen, war alles anders. Uns fehlt etwas, seit wir keine Rallyes mehr veranstalten können."

"Wir haben jetzt die Aufgabe, den 2020er-Kalender neu zu organisieren. Und wie man sich denken kann, ändert das auch die Situation für 2021. Jetzt sieht es so aus, dass sich die Dinge verbessern und wir Licht am Ende des Tunnels sehen."

Warum mit Absagen gezögert wird

Frage: "Wie sieht es mit den verschobenen Rallyes heute aus?"

Ciesla: "Wir versuchen, neue Termine zu finden. Aber bevor wir eine Entscheidung treffen können, müssen wir herausfinden, ob wir einreisen können. Das heißt, wie sehen die Regeln in den Ländern aus, in denen wir fahren wollen - Finnland, Deutschland, England, Türkei, Japan, Italien ..."

"Aber wir müssen uns auch damit beschäftigen, was die möglichen Restriktionen bei der Rückkehr in unsere Länder sein werden. Wir müssen mögliche Quarantänen berücksichtigen. Wir müssen sehen, wie sich die Dinge in den kommenden Monaten verändern, bevor wir Entscheidungen für den September, Oktober, November fällen."

"Wir sind gezwungen, bis zur letzten Sekunde zu warten, bevor wir eine Entscheidung treffen können. Wir wollen es vermeiden, die Rallyes zu früh abzusagen. Das wäre das Schlechteste. Andererseits brauchen auch wir Zeit für die Logistik unseres Materials, wie Teams und Fans auch. In Europa ist das einfacher, außerhalb wird es schwierig."

Frage: "Kann es passieren, dass wir aus logistischen Gründen in der zweiten Jahreshälfte 2020 nur noch Rallyes in Europa sehen werden?"

Ciesla: "Es wäre ja schon ohne das Virus beinahe so gewesen, wenn man sich vor Augen führt, dass wir aktuell nur Neuseeland und Japan als nicht-europäische Austragungsorte im Kalender haben. Alle anderen werden in Europa stattfinden."

"Dann wäre da noch die Rallye Argentinien als Möglichkeit, aber auch dort hängt alles von der Logistik ab. Wir werden sehen müssen, ob wir überhaupt in Südamerika fahren können. Ganz ehrlich, ich sehe das als eher unwahrscheinlich an. Aber wir wollen nicht vorschnell absagen, sondern werden bis zur letzten möglichen Minute warten, bis wir es tun."

Vier bis sechs WM-Läufe wären ein Erfolg

Frage: "Wie viele Rallyes schweben Ihnen noch vor, wenn man sich die Situation ansieht?"

Ciesla: "Wenn ich sagen soll, was mein Wunsch ist, dann sind es sieben bis neun Läufe. Aber die Realität sieht nun einmal so aus, dass es schon ein Erfolg wäre, wenn wir zwischen vier und sechs Läufe ausrichten könnten."

Frage: "Könnten die Rallyes 2020 gekürzt werden, um den Teams und der Organisation Kosten zu ersparen?"

Ciesla: "Wir haben diese Möglichkeit in Betracht gezogen - die Anzahl der Kilometer zu reduzieren oder die Rallyes um einen Tag zu kürze. Aber letztendlich haben wir eingesehen, dass uns das nicht allzu viel Einsparungen einbringen würde. Aber wir haben es in Betracht gezogen."

"Man muss auch dazu sagen, dass wir bei kürzeren Rallyes auch mehr Termine hätten wahrnehmen können, weil wir uns zwischen den Rallyes schneller bewegen könnten. Wir haben uns mit unserer Arbeit auf ein solches Szenario vorbereitet."

"Natürlich müssen wir jede Rallye einzeln betrachten. Manche Leute wollen vielleicht eher kürzere Läufe, um Geld zu sparen. Andere sagen vielleicht nein, weil es ihnen die Sache dann nicht wert ist. Es gibt keine Lösung für jeden einzelnen. Wir müssen damit sparsam umgehen und auf verschiedene Situationen reagieren."

Frage: "Welche Forderungen stellen die Teams in diesen Monaten der Pandemie?"

Ciesla: "Als WRC-Veranstalter halten wir wöchentlich mit der WRC-Abteilung der FIA und den Teams Videokonferenzen ab und geben uns gegenseitig Updates zur Situation. Wir stehen beinahe enger zusammen als je zuvor!"

"Ich kann auch die Kalender-Situation nachvollziehen. Wir geben Informationen zu den verschiedenen Ländern weiter und entscheiden dann, wie wir mit dieser Situation umgehen. Es ein Teamarbeit. So haben wir auch die Gelegenheit, uns anzuhören, was sie brauchen. Wir reden über Kosten, aber auch über die Tatsache, dass wir Rallyes für die Weltmeisterschaft brauchen. Das Ziel bleibt, so viele Läufe wie möglich auszurichten."

Coronakrise kann Auswirkungen auf Kalender 2021 haben

Frage: "Wie ist die Situation in Neuseeland?"

Ciesla: "Für die Rallye Neuseeland haben wir ein anderes Zeitfester als in Europa. Weil sie außerhalb Europas liegt, müssen wir das Material hinüber transportieren. Ihre Situation sieht ziemlich gut aus. Sie haben nur wenige Fälle und ihr Ziel ist, die Zahl niedrig zu halten und nicht mehr Infektionen zu bekommen, als sie derzeit haben. 700 bis 1.000 Europäer ins Land zu holen, ist da nicht förderlich."

"Wir erwarten, dass sie im Juni entscheiden werden, Reisen von Australien nach Neuseeland ohne Quarantäne zu erlauben. Alle anderen müssten zwei Wochen Quarantäne auf sich nehmen. Wenn es so bleibt, können wir unmöglich arbeiten. Wir müssen die Entscheidung der Regierung Anfang Juni abwarten."

Frage: "Ist es möglich, dass der Kalender 2021 weniger als 14 Läufe beinhalten wird?"

Ciesla: "Das ist eine Möglichkeit, die wir mit den Teams in unseren Meetings besprechen. Uns, den Teams und den Fernsehsendern entstehen Kosten. Weniger Läufe bedeuten weniger Kosten. Wegen des Virus stehen alle unsere Budgets unter Druck. Außerdem verlangen wir von den Teams, neue Autos für 2022 zu entwickeln, wenn die neuen technischen Regularien in Kraft treten werden."

"Aus diesem Grund haben wir in Betracht gezogen, zwei Läufe weniger als die geplanten 14 zu haben. Aber wir stehen erst Anfang Juni. Wir werden dem FIA-Motorsport-Weltrat diesen Monat einen ersten Kalenderentwurf vorlegen. Dann können wir einen zweiten im September machen. Wir werden sehen, wie sich die Situation um das Budget bis dahin entwickelt."

"Es wird auch von den verschiedenen Ländern abhängen. Dort kommt man auch nicht mehr so einfach an Förder- oder Sponsorengelder heran wie noch vor ein paar Monaten. Für sie hat sich auch alles geändert. Es wäre keine Überraschung, wenn eine oder zwei geplante Rallyes auf uns zukommen und uns um eine Pause bitten, weil sie durch die Pandemie kein Geld mehr haben."

Weshalb Ciesla noch nicht abgetreten ist

Frage: "Wir wissen, dass Sie ihren Posten dieses Jahr räumen wollten. Werden Sie wegen der COVID-19-Pandemie länger im Amt bleiben?"

Ciesla: "Dieser Schritt wurde bereits unternommen. Eigentlich sollte ich Ende april aufhören. Aber wir haben uns dazu entschieden, die Rallye-WM nicht in dieser schwierigen Situation zurückzulassen. Ich bleibe erst einmal bis Ende Juli. Dann werden wir sehen ..."

Frage: "Was war das schönste Erlebnis in Ihren acht Jahren als WRC-Promoter?"

Ciesla: "Es waren acht lange Jahre. Als ich begonnen habe, ist Volkswagen eingestiegen. Ich muss sagen, dass ihr Einstieg der Meisterschaft sehr geholfen hat. Dann habe ich mit meinen Kollegen und der FIA begonnen, an den sportlichen Aspekten zu arbeiten."

"Wir haben das Powerstage-Modell für Sonntagmittag eingeführt - als festen Zeitpunkt. Dann haben wir eine Startreihenfolge für den Freitag festgelegt. Das hat sehr geholfen, die Rallyes unvorhersehbarer zu machen. Es waren kleine Änderungen - eine Evolution des Sports, keine Revolution. Jetzt ist der Sport viel spannender mit vielen verschiedenen Siegern."

"Die Chance, dass derselbe Fahrer immer wieder gewinnt, ist deutlich kleiner geworden. Das ist auch für die Teamchefs eine gute Nachricht. Sie können jetzt fast alle zu ihren Vorgesetzten gehen und ihnen sagen: 'Wir haben dieses Jahr zwei bis drei Rallyes gewonnen.' Das ist auf jeden Fall besser als in der Vergangenheit, als das nicht der Fall gewesen ist."

"Wir haben viele Schritte unternommen, um die Rallye-Weltmeisterschaft spannender zu machen. Wir haben auch stark an der Kommunikation gearbeitet. Wir haben unser Hauptaugenmerk auf Videoclips und Live-Videos gelegt. Heute kann man alles in Echtzeit verfolgen. Das war eine irre Investition, 25 Stunden Liveübertragung von unzugänglichen Orten aus zu garantieren. Es ist uns gelungen."

Revolution bei der TV- und Online-Übertragung

"So haben wir das Erlebnis, die Rallyes zu verfolgen, komplett verändert. Jetzt stehen uns die Fernsehstationen mehr Sendezeit zu, was wiederum perfekt für unsere Teams ist. Die Sichtbarkeit ist größer, ebenso der Return of Investment für uns und die Hersteller."

"Wir haben uns sehr auf die Weiterentwicklung unserer digitalen Plattformen konzentriert und insbesondere auf die sozialen Medien. Wir sind da jetzt in einer anderen Welt und viele Fans finden unsere Arbeit gut, da wir sie auf ganze andere Weise involvieren. Zahlreiche Partner unterstützen uns dabei."

"Wir haben WRC+ gestartet. Wir organisieren diesen Kanal, wo es mit einem Abonnement unseren gesamten produzierten Content zu sehen gibt, auch 'on demand'. Das ist stark gewachsen. Auch die Teams, Fahrer und Journalisten mögen das. Man hat die Chance, wesentlich näher ans Geschehen heranzukommen. Es hat sich stark geändert, wie wir den Rallyes folgen. Das ist vielleicht das Schönste."

WRC auch für die Serienproduktion relevant

Frage: "Die Einführung des Hybrid-Antriebs im Jahr 2022 hat einige bereits jetzt in der WRC aktive Hersteller dazu bewogen, ihr Engagement fortzusetzen. Aber rechnen Sie damit, dass dadurch in den kommenden Jahren auch weitere Hersteller in die WM kommen?"

Ciesla: "Hybrid wird sicherlich ein Aspekt sein, wenn ein Hersteller darüber entscheidet, ob er in die WRC geht oder nicht. Aber Hybrid ist auch nur ein Element eines viel größeren Projekts."

"Wir haben die besten Fahrer der Welt, aber liefern auch die spektakulärsten Bilder. Wir bieten darüber hinaus den Herstellern sowie den Reifen- und Benzinlieferanten eine gute Plattform, auf der sie Produkte für den Automarkt entwickeln können. Wir sind eine große Forschungs- und Entwicklungs-Plattform."

"Bei uns kann man unter allen Bedingungen testen: Sand, Eis, Schnee, loser Untergrund, Asphalt, Hitze und Kälte. Diese Erfahrungen kann man auf Straßenautos übertragen. Ich spreche dabei nicht nur von den Autoherstellern, sondern auch Reifen etc. Das haben wir bisher nicht in den Vordergrund gestellt, haben nicht damit geworben. Aber das werden wir tun."

"Denken Sie nur an den Audi Quattro. Der Allradantrieb wurde in der Rallye-WM geboren. Und auch beim Hybrid nutzen wir ein neues System. Experten zu Folge werden in den nächsten zehn Jahren 30 bis 40 Prozent aller Autos damit fahren. Das ist ein wichtiger Baustein der Mobilität. Darüber hinaus können wir den Fans erklären, wie diese Dinge funktionieren. Wir dürfen keine Angst haben. Das sind Neuerungen, die uns nicht weh tun. Sie können Spaß machen."

"Die Autos werden jede Menge PS haben. Wir müssen allen zeigen, dass die 2022er-Autos sportlich sind. Wir verbinden eine neue Technologie mit Systemen, die jeden Tag auf der Straße genutzt werden. Wir sind sehr nahe an der Massenproduktion dran. Und davon werden wir in Zukunft noch mehr sehen."

"Darüber hinaus müssen wir dafür sorgen, dass der Sport für die Hersteller nachhaltig bleibt. Sie müssen ihre Investitionen in den Sport rechtfertigen. Dabei sind wir auf dem richtigen Weg, wir sind eine nachhaltige Meisterschaft. Hybrid ist ein Teil davon, aber es geht noch weiter. Wenn wir über Nachhaltigkeit reden, müssen wir auch über den Serviepark sprechen, darüber mit welchen Trucks wir dort auftauchen, welche Energie wir nutzen."

"Wenn wir diesen grünen Aspekt berücksichtigen, werden wir auch zukünftig attraktiv sein. Dann werden wir die Hersteller behalten und bekommen vielleicht Subaru, Volkswagen, Citroen oder neue Partner wie Nissan hinzu. Es geht nicht darum, Leute zu begeistern, die sich ohnehin schon interessieren, sondern darum neue Hersteller anzusprechen."

USA und China als wichtige Märkte

"Und noch ein letzter Punkt: Wir müssen Rallyes in die größten Märkte der Welt bringen: Die USA und China. COVID-19 hat uns dabei zurückgeworfen, aber das ist unser Ziel. Wir wollen dort Rallyes fahren, damit wir noch besser wahrgenommen werden. Auch für die beteiligten Hersteller ist das wichtig."

Frage: "Gibt es Hersteller, die bereits Interesse an einem Einstieg im Jahr 2022 gezeigt haben?"

Ciesla: "Da ist noch nichts spruchreif. Ich bin mit den aktuellen Herstellern sehr glücklich, denn wir arbeiten bei der Entwicklung der neuen Autos sehr gut mit ihnen zusammen. Da gibt es Synergieeffekte. Aber klarerweise müssen wir darüber hinaus blicken."

Frage: "Gibt es etwas, was Sie in all den Jahren tun wollten, aber nicht geschafft haben?"

Ciesla: "Da gibt es sicherlich zwei oder drei Dinge, die ich gerne gemacht hätte. Wir haben zusammen mit meinen Kollegen aber beachtliches erreicht. Ich hätte die WRC gerne in China oder in diesem Jahr in Kenia gesehen. Schade, dass es nicht dazu kommen wird, das tut mir leid."

Mit Bildmaterial von LAT.

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