Toyota-Teamchef: WM-Chancen nach Ogier-Rolle "so gut wie dahin"
Sebastien Ogier holt sich im Anschluss an die Akropolis-Rallye eine Strafe ab, Toyota schaut nicht mehr auf die WM: Wunden lecken nach Griechenland-Fiasko
Sebastien Ogier verunfallte auf der letzten Wertungsprüfung der Akropolis-Rallye
Foto: Toyota Toyota
Ein Reifenschaden war der Grund für Sebastien Ogiers Rolle auf der Powerstage der Akropolis-Rallye 2024. Der Überschlag kostete den achtmaligen Weltmeister alle Punkte für den Sonntag, immerhin nahm er noch 13 Zähler vom Samstag mit, weil er ins Ziel kam.
Das Drama begann eine Kurve vorher, wie er erklärt: "Ich wusste, dass überall Steine herumlagen, aber an dieser Stelle muss man einfach schneiden. Und genau in diesem Loch wimmelte es von Steinen. Da geht es um Zentimeter, ob man sie richtig trifft oder nicht."
Ogier, der nach zwei WP-Siegen am Sonntag voll angreifen und die dritte Bestzeit holen wollte, schlitzte sich an seinem Toyota GR Yaris Rally1 einen Reifen auf. "Das habe ich erst beim nächsten Bremsmanöver gemerkt. Ich habe einfach nicht weit genug vorausgeschaut."
"Es ist eine ziemlich schnelle Passage über eine Kuppe. Ich konnte nicht bremsen und bekam Untersteuern, was zum Überschlag führte. Zum Glück konnte ich das Auto reparieren, denn es sah nicht gut aus. Ein Rad war fast komplett weg, ich war nicht sehr zuversichtlich. Aber die Reparatur war erfolgreich und ich konnte für das Team retten, was zu retten war."
Ogier fuhr die Prüfung zu Ende, doch die Reparatur dauerte mehr als 20 Minuten. Damit waren natürlich alle "Super-Sunday"-Punkte weg, von den Punkten für die Powerstage ganz zu schweigen. "Ich habe kein Problem damit, die Verantwortung für diesen Unfall zu übernehmen", sagt er. "Ich habe nach dem Reifenschaden nicht schnell genug angehalten, um den Reifen zu wechseln."
Toyota schreibt beide WM-Titel ab
Teamchef Jari-Matti Latvala räumt ein, dass die Chancen in beiden Weltmeisterschaften drei Rallyes vor Schluss so gering sind, dass sich die Herangehensweise von nun an ändern wird.
"Es ist schön, dass er die Punkte vom Samstag gerettet hat, aber die Realität ist, dass unsere Punkte für den Sonntag und die Powerstage weg sind", sagt er gegenüber Motorsport.com Global, einer Schwesterpublikation von Motorsport-Total.com im Motorsport Network.
"Mit dem aktuellen Punktesystem kann Hyundai die Führung in den letzten drei Rallyes ohne großes Risiko verteidigen. Sie werden also kein großes Risiko mehr eingehen. Unsere Titelchancen sind so gut wie dahin, also müssen wir unser Ziel ändern und von nun an versuchen, einzelne Rallyes zu gewinnen."
"Wir müssen beide Meisterschaften für eine Weile vergessen. Wir können es nicht mehr erzwingen. Unsere einzige Chance ist, dass bei Hyundai etwas schief geht. Im Moment müssen die Meisterschaftspunkte in den Hinterkopf rücken."
Ogier, der eigentlich nur auf Teilzeitbasis an der Rallye-Weltmeisterschaft (WRC) 2024 teilnehmen wollte, aber nach dem Fehler von Elfyn Evans in Finnland von Toyota für die restlichen Rallyes nominiert wurde, nimmt den Rückschlag auf die leichte Schulter: "Es sah schon vor der Rallye [bezüglich der WM-Chancen] nicht so gut aus, und jetzt ist es sicher nicht in die richtige Richtung gegangen", sagt er.
"Für mich ist das keine große Sache, weil [die Chancen] ohnehin aus dem Nichts kamen. - Ich habe mir gesagt: 'Mal sehen, was an diesem Wochenende passiert', weil ich wusste, dass der Faktor Glück hier eine große Rolle spielt. Für das Team war es natürlich hart, vor allem am Sonntag, der heutzutage so wichtig ist. Wir haben uns in eine schlechte Position in der Meisterschaft gebracht."
Es wäre leicht, Ogier die Schuld in die Schuhe zu schieben - vor allem nach einem ähnlichen Missgeschick auf der Powerstage in Spanien 2015. Doch der Grund, warum er überhaupt voll auf Angriff fuhr, war, dass ihn sein Auto am Freitag im Stich gelassen hatte. In Führung liegend hatte er wie zuvor Evans Probleme mit dem Turbolader.
Latvala spricht von einem "schwarzen Freitag" für Toyota in Griechenland: "Es lief von Anfang an in die falsche Richtung, und von da an ging es nur noch steiler bergab. Aber so ist das Leben. Es gibt gute und schlechte Zeiten, es kann nicht jedes Jahr alles perfekt laufen. Wir hatten drei unglaubliche Saisons, da ist es klar, dass irgendwann die schlechten Momente kommen, und die haben wir jetzt."
Deshalb nimmt er auch Ogier in Schutz: "Wir hatten keine Wahl, Seb musste da raus und Vollgas geben, denn wir brauchten diese Punkte für den Sonntag und die Powerstage. Mit diesen Punkten hätten wir eine aussichtsreiche Position in der Meisterschaft halten können. Leider hat es nicht geklappt und wir haben den Preis dafür bezahlt."
30.000 Euro Strafe - Auf Bewährung
Als wäre das nicht schon ärgerlich genug, bekam Ogier am Freitag auch noch eine Strafe aufgebrummt. Die Sportkommissare verurteilten den Franzosen wegen Beschimpfung der Organisatoren zu einer Geldstrafe von 30.000 Euro auf Bewährung. Zwei Jahre lang darf er sich in dieser Richtung nichts mehr zu Schulden kommen lassen, sonst wird die Strafe fällig.
Ogier hatte sich nach der ersten Wertungsprüfung über Staubwolken von vorausfahrenden Fahrzeugen beschwert - ein seit langem bekanntes Problem bei der Akropolis-Rallye. Nach heftigen Beschwerden der Fahrer wurden die Abstände zwischen den Fahrzeugen ab der zweiten Wertungsprüfung von drei auf vier Minuten verlängert.
Ogier war nach der ersten Prüfung außer sich: "Es ärgert mich, dass in diesem Sport niemand lernfähig ist. Wir haben darum gebeten [die Intervalle zu strecken], weil wir die Staubfahnen gesehen haben. Aber die sagen nur: 'Nö.' Habt ihr denn nichts im Kopf? Verrückt!"
Toyota-Teamchef Kaj Lindström musste anschließend die Wogen glätten. Er bat die Sportkommissare zu berücksichtigen, dass Ogier sich nach der zweiten Prüfung lobend über die Entscheidung geäußert hatte, die Intervalle zu verlängern.
Zudem entschuldigte sich Ogier und sagte, er habe niemanden konkret gemeint, sondern sich im Eifer des Gefechts zu einem sicherheitsrelevanten Aspekt geäußert. Die Stewards ließen dies jedoch nicht als mildernden Umstand gelten.
"Die Stewards kommen zu dem Schluss, dass die Aussage von Herrn Ogier, auch wenn sie nicht persönlich an jemanden gerichtet ist, voreingenommen gegenüber der FIA und ihren Offiziellen sowie gegenüber den lokalen Offiziellen und den Hunderten von Freiwilligen, die an der Rallye mitwirken, ist."
"Die Organisationsstruktur von Motorsportveranstaltungen ist allen bestens bekannt. Es gibt klare Abläufe für Wünsche oder Forderungen. Es steht jedem frei, seine Meinung zu äußern, aber nicht in Form von allgemeinen Anfeindungen oder Handlungen gegen die Interessen des Sports. Alle Äußerungen im Fernsehen und/oder in den sozialen Medien werden von Millionen Zuschauern weltweit gehört."
Ogier ist in der WM-Tabelle noch immer bester Toyota-Fahrer, hat aber mittlerweile 38 Punkte Rückstand auf Tabellenführer Thierry Neuville. Aufgrund des diesjährigen Punktesystems ist es besonders schwer, größere Rückstände aufzuholen.Diese Story teilen oder speichern
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