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Formel-1-Technik: Das steckt hinter den Balance-Problemen der Autos

Red Bull hat ein "Monster", Ferrari Schwierigkeiten mit Bouncing und Aston Martin ist völlig aus dem Tritt geraten: Warum sind die aktuellen Autos kaum beherrschbar?

Formel-1-Technik: Was hinter den Balance-Problemen steckt

Ein Thema zieht sich wie ein roter Faden durch die Formel-1-Saison 2024: Dass sich die Teams schwer damit tun, ihre Fahrzeuge gut abzustimmen. Fast alle Fahrer beklagen sich über die Balance, und das häufig nach Updates, die ihre Autos eigentlich schneller machen sollen. Da zeigt sich ein Muster.

Denn dass so viele Teams Balance-Probleme bekommen haben, das ist kein Zufall: Es zeigt grundlegende Schwierigkeiten mit der aktuellen Fahrzeug-Generation auf, die sich den sogenannten Ground-Effect zunutze macht.

Entscheidend ist hier, wie zwei Faktoren das Handling der Fahrzeuge beeinflussen. Da wäre zum einen, wie unterschiedliche Abtriebsniveaus das Auto je nach Geschwindigkeit auf die Fahrbahn drücken. Damit eng verknüpft ist die Frage, wie sich die Reifentemperaturen über eine Runde entwickeln.

Beides ist dynamisch und zwingt die Teams dazu, einen Kompromiss zu wählen. Denn die perfekte Lösung gibt es hier nicht. Und das wissen die technischen Verantwortlichen schon seit geraumer Zeit.

Mercedes-Technikchef James Allison etwa sprach schon Ende 2023 ausführlich über die Problematik der aktuellen Formel-1-Autos und sagte: "Die grundlegende Schwierigkeit mit den Regeln ist, dass ein Auto mehr Abtrieb generiert, je tiefer es über der Fahrbahn liegt."

 
 

"Doch das hat auch Grenzen. Du willst ja kein Auto, das am Ende der Geraden an der Fahrbahn klebt. Denn am Ende der Geraden fährst du nicht um die Kurve. Wenn du also an diesem Punkt dein bestes Abtriebsniveau hast, dann hast du vor allem Luftwiderstand."

"Um also dem vielen Abtrieb am Ende der Geraden Herr zu werden, brauchst du eine steife Federung oder eine größere Fahrwerkshöhe. Wenn du aber eine größere Fahrwerkshöhe hast, dann generiert das Auto + nicht so viel Abtrieb."

"Das heißt: Mit diesen Autos kannst du dicht über der Fahrbahn richtig viel Abtrieb generieren, aber du musst eben auch das Ende der Geraden überstehen. Das kostet dich Fahrwerkshöhe, und das ärgert dich dann in langsamen Passagen. Du kommst also an einen Punkt, dass du durch den vielen Abtrieb am Ende der Geraden insgesamt nicht schneller bist, weil es dich in langsamen Passagen zu viel kostet."

 

Fernando Alonso beim Formel-1-Rennen in Monza 2024

Fernando Alonso beim Formel-1-Rennen in Monza 2024

Foto: circuitpics.de

"Deshalb versuchen alle, am Ende der Geraden nicht mehr so viel Abtrieb zu generieren, aber genug Abtrieb zu haben für die schnellen Kurven, die auf die Geraden folgen. Und natürlich soll dein Auto auch in langsamen Passagen noch genug Abtrieb bieten, obwohl es in diesem Zustand viel Abtrieb verliert, weil es sich dort wieder von der Fahrbahn entfernt."

"Das ist die große Herausforderung", sagt Allison. "Und das ist, womit alle in der Boxengasse zu kämpfen haben."

Warum die Autos extremer sind denn je

In der Saison 2024 scheint dieses Problem aber ausgeprägter zu sein als in den Vorjahren. Und laut Luca Furbatto als technischem Verantwortlichen bei Aston Martin lässt sich das zwar leicht erklären, aber eben nicht leicht beheben.

Er meint: "Der Kurveneingang ist das große Thema mit diesen Autos. Sagen wir es so: Die aerodynamische Plattform hilft dem Auto dabei, in diesem Moment genug Abtrieb an der Hinterachse zu haben, aber zum Nachteil der Vorderachse. Du hast also mitunter ein neutrales Auto am Kurveneingang, das dann bis zum Scheitelpunkt untersteuert und anschließend eine Tendenz zum Übersteuern entwickelt."

"Dieser Übergang war in der Vergangenheit nie so extrem. Aber die aktuellen Autos erzielen eben unheimlich hohe Abtriebswerte, dass das jetzt umso deutlicher wird."

Furbatto schätzt, die Formel-1-Autos der Generation 2024 entwickeln rund 45 Prozent mehr Abtrieb als zu Beginn des aktuellen Regelzyklus mit Ground-Effect in der Saison 2022. Für die Teams bedeutet das einen Drahtseilakt bei der Entwicklung: Es gibt zwar mehr Leistung, aber auch mehr Probleme wie das unbeliebte Porpoising, das Hüpfen der Fahrzeuge bei hoher Geschwindigkeit.

Furbatto meint. "Wenn du das Bouncing ein bisschen reduzierst, indem du die Aerodynamik unter dem Auto auf den Punkt bringst, dann ist es nur natürlich, dass du mit einem Update versuchst, den Abtrieb zu erhöhen. Aber dann kriegst du wieder Porpoising."

"Je mehr du unter den aktuellen Regeln ans Limit gehst, umso größer wird das Risiko, dass Bouncing auftritt. Aber damit müssen wir bis Ende 2025 klarkommen. Es ist wohl einer der Gründe, weshalb wir [unter dem dann neuen Formel-1-Reglement] 2026 einen anderen Weg einschlagen."

"Denn die Fahrer sagen es vielleicht nicht öffentlich, aber sie beschweren sich sehr wohl über das Porpoising und über Rückenschmerzen. Und das müssen wir durch die Regeln in den Griff kriegen."

Auch das Reifenverhalten spielt eine Rolle

Doch der Abtrieb ist nur die halbe Miete für eine schnelle Runde. Ebenso entscheidend ist das Verhalten der Reifen. Oder ganz grundlegend: Wenn die Reifen an einer Achse heißer werden als an der anderen Achse, dann wird es schwierig. Entweder entsteht zu viel Untersteuern oder zu viel Übersteuern.

"Es ist deshalb keine Überraschung, dass die Aufwärmrunde im Qualifying in Monza ganz unterschiedlich angegangen wurde", sagt Furbatto. "Du versuchst, die Reifen auf eine bestimmte Temperatur zu bringen, um deine Balance-Probleme zu kaschieren. Denn im Qualifying treten diese Probleme noch extremer auf als im Rennen."

Was die Suche nach Lösungen für die anhaltenden Balance-Schwierigkeiten noch kniffliger macht: Die entscheidenden Elemente des Fahrzeugs sind jetzt andere als früher unter älteren Reglements. Denn jetzt kommt es vor allem auf den Unterboden an. In der Vergangenheit zum Beispiel wurde dem Frontflügel deutlich mehr Bedeutung beigemessen, um das Auto auszubalancieren.

"Unter dem Reglement bis 2021 hat der Frontflügel ungefähr ein Drittel zum Abtrieb beigetragen. Ein weiteres Drittel kam vom Unterboden und das dritte Drittel vom Heckflügel", sagt Furbatto. "Die Flügel waren also sehr relevant für eine Balance-Anpassung."

"Heute aber stammen 70 Prozent des Abtriebs vom Unterboden. Wir haben also praktisch nur noch die Hälfte der bisherigen Möglichkeiten, um mit dem Frontflügel die Balance zu beeinflussen."

Was die Flexi-Flügel für die Balance bedeuten

An dieser Stelle kommen die "Flexi-Flügel" ins Spiel: Frontflügel, die sich während der Fahrt verbiegen, aber nicht zu sehr, um als illegal eingestuft zu werden. Die Teams versuchen damit, Untersteuern in langsamen Passagen und Übersteuern in schnellen Passagen entgegenzuwirken.

Das bedeutet in der Praxis: Bei langsamer Fahrt haben die Fahrer einen Tick mehr Abtrieb an der Vorderachse zur Verfügung, weil der Frontflügel seinen normalen Anstellwinkel hat. Bei schneller Fahrt aber senkt sich der Flügel leicht ab und verringert den Luftwiderstand, was den Abtrieb an der Vorderachse senkt.

Ist das im Sinne des Reglements? Das hat der Automobil-Weltverband (FIA) seit dem Belgien-Grand-Prix untersucht. Auch, um herauszufinden, ob Regeländerungen notwendig werden für die Formel-1-Saison 2025.

Furbatto rechnet aber mit einem Verbleib beim Ist-Zustand und sagt: "Ich glaube nicht, dass man die Regeln ändern will. Denn die Flügel verbiegen sich ja innerhalb der erlaubten Toleranz, und das stellt nur einen Versuch dar, die Autos besser zu balancieren. Ich würde daher sagen: Es handelt sich hier um ein notwendiges Übel bei den aktuellen Ground-Effect-Autos."

"Wenn wir ansonsten steifere Flügel hätten, dann würden unsere Fahrer keine sinnvolle Abstimmung finden, um das Auto kontrollierbar zu machen."

Und das heißt im Umkehrschluss: Mindestens bis Ende 2025 müssen Fahrer und Teams mit den aktuellen Gegebenheiten und anhaltenden Balance-Problemen leben. Abhilfe ist wohl erst 2026 in Sicht unter dem dann neuen Formel-1-Reglement.

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