Große GTD-Pro-Analyse 24h Daytona: Dickes Sandbagging durch Ferrari!
Fast zwei Drittel aller Risi-Runden bei den 24 Stunden von Daytona 2022 waren schneller als die Beste im Qualifikationsrennen - Die große Analyse der GTD Pro
Mit Begeisterung hat die Motorsportwelt vor allem vom gigantischen Duell zwischen Laurens Vanthoor und Mathieu Jaminet gesprochen. Nach allen motorsportlichen Träumereien ist es nun an der Zeit, zu den unbequemeren Themen zurückzukehren. Die Auswertung des Rennens zeigt, dass "Sandbagging", obwohl strafbar, noch immer ein großes Thema in der IMSA SportsCar Championship ist.
Zunächst zu den reinen Performance-Zahlen. Zum Vergleich haben wir die 40 Prozent schnellsten Runden herangezogen. Wir konzentrieren uns auf die GTD Pro, weil in der GTD-Klasse auch Amateure fahren und das Bild daher verzerrt werden würde. In der GTD Pro hingegen kann davon ausgegangen werden, dass alle Runden am Limit gefahren werden.
Zu bedenken ist außerdem, dass der Heart-of-Racing-Aston-Martin #23 (Gunn/Riberas/Martin; 103 Runden), der TR3-Lamborghini #63 (Mapelli/Caldarelli/Bortolotti/Ineichen; 400 Runden) und der Weathertech-Mercedes #97 (MacNeil/Juncadella/Engel/Gounon; 487 Runden) vorzeitig ausgeschieden sind.
Analyse 40 Prozent beste Rundenzeiten: Ferrari knapp vor Porsche, BMW weit abgeschlagen
Foto: smg/Stritzke
Weil weniger Runden gefahren wurden, sind die Daten bei diesen Fahrzeugen, insbesondere beim Aston, etwas weniger reliabel. Alle anderen Fahrzeuge haben mehr als 600 Runden zurückgelegt, sodass in allen Fällen ein reliabler Datensatz vorliegt, selbst wenn Verzögerungen durch unplanmäßige Boxenstopps vorgelegen haben.
Ferrari war sogar schneller als Porsche
Die Zahlen zeigen, dass die drei schnellsten Fahrzeuge auf dem Podium gelandet sind. Dass der Risi-Ferrari #62 (Pier Guidi/Calado/Serra/Rigon) vom reinen Speed her schneller war als die beiden Porsche, die um den Sieg gekämpft haben, überrascht dann aber schon.
Das Ergebnis wiederholt sich, wenn man die zehn Prozent schnellsten Runden heranzieht (komplette Ergebnisse siehe Ende des Artikels): Der Ferrari ist immer ein kleines Stückchen schneller als die beiden Spitzen-Porsches. Warum es trotzdem nicht für den Sieg gereicht hat? Das magische Wort lautet "Track Position".
Analyse 40 Prozent beste Sektor-1-Zeiten: Lamborghini wieder vorne mit dabei
Foto: smg/Stritzke
Der Ferrari sprang beim vorletzten Boxenstopp bei der vorletzten Gelbphase nicht sofort wieder an. Das warf Risi Competizione nicht nur in der GTD Pro hinter den Vasser-Sullivan-Lexus #14 (Hawksworth/Barnicoat/Kirkwood) zurück.
Auch konnten sich mehrere weitere, überrundete Porsche zwischen das Führungsduo aus dem KCMG-Porsche #2 (Vanthoor/Pilet/Olsen/Imperatori) sowie dem Pfaff-Porsche #9 (Campbell/Jaminet/Nasr) und die restlichen GTD-Pro-Fahrzeuge schieben.
Dieses Porsche-Bollwerk wurde bis kurz vor Schluss von den dahinter fahrenden GTD-Pro-Fahrzeugen nicht geknackt. So war der Zweikampf an der Spitze lange Zeit nach hinten abgeschirmt, während der Wright-Porsche seinerseits durch die dahinter liegenden GTD-Pro-Boliden einen Puffer auf seine direkten Klassengegner hatte.
Analyse 40 Prozent beste Sektor-2-Zeiten: Nur mit Mühe passt das 1-Sekunden-Intervall
Foto: smg/Stritzke
Außerdem dauerte es für den Ferrari zu lange, am Lexus vorbeizukommen. Wäre das Manöver früher gelungen, hätte Risi Competizione das Rennen gewinnen können. Was bei aller Begeisterung um den Porsche-Zweikampf untergeht: Mathieu Jaminet hatte im Ziel gerade noch 2,185 Sekunden Vorsprung auf Alessandro Pier Guidi.
Ferrari schlägt Porsche im "Porsche-Sektor"
Die Sektoranalyse zeigt, dass Ferrari in den Kurven im Vorteil war. Die #62 war sowohl im ersten als auch zweiten Sektor schnellstes Fahrzeug im Feld. Betrachtet wurden ebenfalls die 40 Prozent schnellsten Runden. Auch hier ändert sich das Bild nur insignifikant, wenn man lediglich die besten zehn Prozent heranzieht.
Bemerkenswert ist, dass Ferrari Porsche sogar im zweiten Sektor (Ausgang "International Horseshoe" bis Anbremszone Le-Mans-Schikane) bezwungen hat. Gerade hier können die 911 GT3 R eigentlich von ihrem Heckmotor aus den engen Spitzkehren heraus profitieren. Die Porsche reihen sich knapp hinter dem Ferrari ein.
Analyse 40 Prozent beste Sektor-3-Zeiten: Ferrari und Porsche auch hier stark
Foto: smg/Stritzke
Beide Fahrzeuge sind auch im dritten Sektor vorne mit dabei, in dem es vor allem um Topspeed geht. Porsche verliert allerdings ein wenig im ersten Sektor, wo wie schon im Qualifikationsrennen der Lamborghini ganz vorne mitgespielt hat. Zur Erinnerung: Der TR3-Lambo #63 schied vorzeitig aus und wäre wahrscheinlich schnellstes Fahrzeug in Sektor 1 geworden, hätte er mehr Runden abgespult.
Klarer Fall von Sandbagging
Doch wo kam die Performance von Ferrari her? Beim Qualifikationsrennen war der 488 GT3 unauffällig im Mittelfeld zu finden. Genau wie der Porsche, der im Qualirennen zusammen mit Lamborghini schnellstes Fahrzeug gewesen ist, wurde der Ferrari keiner Änderung in der Balance of Performance (BoP) unterzogen.
Dennoch fuhren Alessandro Pier Guidi, James Calado, Daniel Serra und Davide Rigon in fast zwei Drittel aller Runden schneller als in ihrer schnellsten Runde des Qualifikationsrennens (1:47.554 Minuten). Dieser Wert wurde im Rennen in 469 von 711 absolvierten Runden unterboten - in 66 Prozent der Fälle.
Damit schlägt Ferrari in dieser Hinsicht sogar noch Corvette C8.R, die zwischen Qualifikations- und Hauptrennen eine BoP-Anpassung bekommen hat. Wie die Analyse zeigt, bewirkt der flachere Heckflügel auf dem Daytona International Speedway mehr als die 15 zusätzlichen Kilogramm an Bord. Beide Vetten fuhren in rund der Hälfte aller Runden im Hauptevent schneller als im Qualifikationsrennen.
Prozentsatz von Runden unter Qualirennen-Bestzeit; *=steilerer Flügel, **=flacherer Flügel (+Ballast), ***=frühes Aus
Foto: smg/Stritzke
Ferrari steht in der Langstrecken-Weltmeisterschaft (WEC) bereits länger unter Verdacht des Sandbaggings. Es heißt, die Italiener hätten einen Weg gefunden, die Performance so intelligent zu verschleiern, dass selbst die automatisierte BoP des ACO nicht dahinterkommt. Der Ferrari 488 GTE und die GT3-Version sind Zwillinge mit nur minimalen Unterschieden.
Eigentlich ist Sandbagging bei den 24 Stunden von Daytona strafbar. Alle Lamborghinis wurden 2016 mit einer 5-Minuten-Strafe belegt. Dass Ferrari ungeschoren davonkommt, spricht für die Theorie, dass Ferrari seine Performance so geschickt verschleiern kann, dass es selbst bei der Analyse von Mikrosektoren nicht auffällt. Oder dass IMSA und ACO den Italienern den Hypercar-Einstieg nicht versauern möchte.
BMW hinkt weit hinterher
Hinter Ferrari und Corvette folgen bereits die Porsche 911 GT3 R von KCMG und Pfaff, die beide noch in mehr als einem Drittel der Runden schneller waren als beim Qualifikationsrennen. Sie liegen damit knapp über dem Durchschnittswert. Das Rennen war aufgrund seiner kalten Bedingungen ein sehr Schnelles, in mehreren Klassen wurden Rundenrekorde gefahren.
Die übrigen Fahrzeuge konnten nicht um den Sieg mitreden. Der Lexus wurde in der Schlussphase genau auf den Platz verwiesen, auf den er auch laut der Speed-Auswertung hingehört, nachdem der Weathertech-Porsche #79 (MacNeil/Andlauer/Cairoli/Picariello) für Reparaturen am Abend in die Box geschoben werden musste.
Corvette und Mercedes-AMG hatten im Rennen nicht die ausreichende Pace. Während die C8.R frisch in ihr zweites Leben als GTE/GT3-Zwitter gestartet ist, war Mercedes-AMG womöglich im Qualifikationsrennen zu ehrlich.
Die AMGs - auch aus der GTD-Klasse - waren beim Qualirennen bei den schnellsten Fahrzeugen dabei und bekamen in der BoP einen ab. Sie mussten den Flügel steiler stellen. Das Ergebnis: Der Weathertech-Mercedes #97 (MacNeil/Juncadella/Engel/Gounon) war im Rennen nur in 17,7 Prozent seiner Runden schneller als in der schnellsten Runde im im Qualirennen. Allerdings schied er vorzeitig aus.
Auch der Proton-Mercedes #15 D. (Müller/Assenheimer/Cindric), der auf Platz fünf die Zielflagge sah, lag mit 26 Prozent schnelleren Runden unter dem Durchschnitt. In seiner Performance konnte er so gerade eben Corvette hinter sich halten.
Das Schicksal teilt sich Mercedes-AMG mit Lamborghini. Auch beim Huracan GT3 Evo musste der Flügel nach dem Qualirennen steiler gestellt werden. Und auch TR3 schied vorzeitig aus. In 16,8 Prozent seiner Runden war der giftgrüne Bolide schneller als bei der schnellsten Runde auf seinem Weg zum Sieg im Qualifikationsrennen.
In beiden Fällen war die BoP-Bremse wohl nicht gerechtfertigt, allerdings macht das vorzeitige Aus jeweils einen Vergleich schwierig. Zwar kann durch den Prozentwert der Rundenverlust korrigiert werden. Nicht aber die Tatsache, dass die Strecke am Sonntagvormittag am schnellsten war. Aus diesem Grund lässt sich das Ergebnis für den früh ausgeschiedenen Aston Martin so gut wie gar nicht interpretieren.
Die Einstufung des BMW M4 GT3 erweist sich noch als schwierig. Die RLL-Boliden liegen bei den schnellsten Runden weit zurück und das über alle Sektoren hinweg. Natürlich lässt sich noch nicht sagen, ob das an einer schlechten Einstufung oder der Unerfahrenheit der Einsatzteams liegt.
Auch ein Vergleich mit dem Turner-BMW #96 (Foley/Auberlen/Dinan/Klingmann) ist nicht möglich, da dieser vorzeitig ausschied. Beim Qualirennen war dieser schneller als die werkseingesetzten RLL-Boliden. Die Arbeit mit dem neuen Fahrzeug hat gerade erst begonnen.
Weitere Auswertungsdaten (nicht aus Grafiken ersichtlich)
Top 10 Prozent schnellste Runden
1. Risi-Ferrari #62 - 1:45.618
2. KCMG-Porsche #2 - 1:45.677
3. Pfaff-Porsche #9 - 1:45.770
4. Vasser-Sullivan-Lexus #14 - 1:45.944
5. Weathertech-Porsche #79 - 1:46.010
6. Weathertech-Mercedes #97 - 1:46.080
7. TR3-Lamborghini #63 - 1:46.090
8. Proton-Mercedes #15 - 1:46.263
9. Corvette #3 - 1:46.413
10. Corvette #4 - 1:46.431
11. Heart-of-Racing-Aston-Martin #23 - 1:46.458
12. RLL-BMW #25 - 1:47.426
13. RLL-BMW #24 - 1:47.446
Top 10 Prozent Sektor 1
1. Risi-Ferrari #62 - 24,962
2. TR3-Lamborghini #63 - 24,977
3. Pfaff-Porsche #9 - 24,983
4. Weathertech-Porsche #79 - 25,004
5. Corvette #4 - 25,013
5. KCMG-Porsche #2 - 25,028
7 Vasser-Sullivan-Lexus #14 - 25,088
8. Corvette #3 - 25,108
9. Weathertech-Mercedes #97 - 25,131
10. Heart-of-Racing-Aston-Martin #23 - 25,193
11. Proton-Mercedes #15 - 25,220
12. RLL-BMW #24 - 25,379
13. RLL-BMW #25 - 25,407
Top 10 Prozent Sektor 2
1. Risi-Ferrari #62 - 49,168
2. KCMG-Porsche #2 - 49,221
3. Pfaff-Porsche #9 - 49,301
4. Weathertech-Porsche #79 - 49,331
5. TR3-Lamborghini #63 - 49,385
6. Vasser-Sullivan-Lexus #14 - 49,416
7. Weathertech-Mercedes #97 - 49,438
8. Proton-Mercedes #15 - 49,491
9. Heart-of-Racing-Aston-Martin #23 - 49,549
10. Corvette #3 - 49,607
11. Corvette #4 - 49,658
13. RLL-BMW #25 - 50,105
12. RLL-BMW #24 - 50,121
Top 10 Prozent Sektor 3
1. Vasser-Sullivan-Lexus #14 - 31,239
2. KCMG-Porsche #2 - 31,265
3. Weathertech-Mercedes #97 - 31,293
4. Risi-Ferrari #62 - 31,295
5. Pfaff-Porsche #9 - 31,298
6. Proton-Mercedes #15 - 31,309
7. Corvette #4 - 31,427
8. Corvette #3 - 31,448
9. Weathertech-Porsche #79 - 31,450
10. Heart-of-Racing-Aston-Martin #23 - 31,493
11. TR3-Lamborghini #63 - 31,544
12. RLL-BMW #25 - 31,748
13. RLL-BMW #24 - 31,750
Runden Schneller als schnellste Runde Qualirennen:
1. Risi-Ferrari #62 - 469 von 711 Runden schneller als 1:47.554
2. Corvette #4 - 342 von 626 Runden schneller als 1:47.430
3. Corvette #3 - 324 von 698 Runden schneller als 1:47.290
4. KCMG-Porsche #2 - 261 von 711 Runden schneller als 1:46.399
5. Pfaff-Porsche #9 - 245 von 711 Runden schneller als 1:46.515
6. Vasser-Sullivan-Lexus #14 - 216 von 711 Runden schneller als 1:46.727
7. RLL-BMW #24 - 201 von 665 Runden schneller als 1:47.903
8. Proton-Mercedes #15 - 184 von 709 Runden schneller als 1:46.883
9. RLL-BMW #25 - 159 von 698 Runden schneller als 1:48.210
10. Weathertech-Porsche #79 - 133 von 673 Runden schneller als 1:46.436
11. Weathertech-Mercedes #97 - 119 von 487 Runden schneller als 1:46.625
12. TR3-Lamborghini #63 - 67 von 400 Runden schneller als 1:46.466
13. Heart-of-Racing-Aston-Martin #23 - 4 von 103 Runden schneller als 1:46.517
Mit Bildmaterial von Motorsport Images.
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