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Analyse

Wer sollte über die Zukunft der Formel 1 entscheiden?

In der neuesten Episode unserer Interviewreihe #ThinkingForward sprechen Rodi Basso und Nick Turner über das "Zauberwerkzeug" Szenarioplanung

Thinking Forward

Interviewreihe #ThinkingForward mit Führungspersönlichkeiten aus dem internationalen Motorsport.

Die Coronakrise hat Gesellschaften und Geschäftszweige auf der ganzen Welt in einen mächtigen Schock versetzt. Auch der Motorsport war und ist nicht immun dagegen. Wenn wir uns anschauen, wie die Formel 1 reagiert hat, stellen wir fest, dass schon sehr früh auf die Bremse getreten wurde.

Man hat beispiellose Maßnahmen zum Schutz der Teams ergriffen. Man hat sich auf eine vernünftige Budgetobergrenze geeinigt. Man hat das kostenintensive neue Reglement um ein Jahr verschoben, weshalb die Teams das (weitestgehend) gleiche Auto zwei Saisons lang fahren.

Darüber hinaus geben die FIA-Richtlinien "Rückkehr zum Motorsport" zahlreichen Rennserien einen Rahmen und Protokolle vor, um trotz der weiterhin andauernden COVID-19-Pandemie auf sichere Art Motorsport betreiben zu können.

Von Woche zu Woche kehren mehr Rennserien in den Rennbetrieb zurück. Wie aber wird es mit ihnen weitergehen? Welche sind die richtigen Entscheidungen für die Zukunft, um einen gesunden Sport und eine größere Widerstandsfähigkeit zu gewährleisten, wenn die nächste Krise kommt?

In der zweiten von mittlerweile 14 Episoden unserer Interviewreihe #ThinkingForward hatte Alejandro Agag, Gründer und Vorsitzender der Formel E, herausgestellt, dass die Welt deshalb so stark von der Coronakrise in Mitleidenschaft gezogen wurde, weil es keine angemessene langfristige Planung gab.

Agag dachte im wahrsten Sinne des Wortes vorwärts, insbesondere wenn es darum geht, wie die Welt nun die nächste drohende Krise und den Klimawandel angehen müsse und in diesem Zusammenhang eine CO2-ärmere Zukunft richtig planen müsse.

Wie aber geht man eine solche langfristige Planung auf dem Sektor des Motorsports an? Und welche Instrumente stehen dafür zur Verfügung?

Für die neueste #ThinkingForward-Episode haben wir uns unterhalten mit Rodi Basso, der als ehemaliger Leiter von McLaren Applied Technologies für die Entwicklung der ein Rennen lang haltenden Formel-E-Batterie verantwortlich zeichnete. Zum anderen haben wir gesprochen mit Nick Turner von Stratforma. Sein Aufgabengebiet liegt an der Wall-Street und im Silicon-Valley und mit dem Imperial-College und INSEAD arbeitet er an strategischen Beratungsprogrammen.

"Nach der heutigen Krise ist es wichtig zu verstehen, welche Variablen eine Umgebung und eine Branche beeinflussen. Es ist an der Zeit für strategisches Denken", sagt Basso. Das Werkzeug dafür ist Szenarioplanung. Dieses Tool ermöglicht es den Menschen, über Ungewissheit nachzudenken und Vertrauen zu gewinnen, um die richtigen Entscheidungen zu treffen. Mit anderen Worten: Es gibt einem die Möglichkeit, durch den Nebel zu navigieren.

"Zukunft ist zu unsicher, um sie vorherzusagen"

"Die Zukunft ist zu unsicher, um sie regelmäßig und zuverlässig vorhersagen zu können", sagt Turner und leitet daraus ab: "Erstens muss man die Tatsache akzeptieren, dass man das nicht tun kann. Man muss über mehrere plausible Zukunftsszenarien nachdenken und darüber, wie sie sich entfalten werden. Und zweitens muss man akzeptieren, dass es besser ist, ungefähr richtig zu liegen als komplett falsch zu liegen."

"Szenarioplanung ermöglicht es einem, mit Kollegen eine andere Art von Gespräch zu führen", so Turner weiter. "Das Gespräch wendet sich von 'Ich weiß', 'Ich glaube' und 'Ich sage voraus' ab. Es mündet in eine viel offenere Gesprächsrunde. Die Herausforderung besteht darin, den Blick über den Horizont hinaus zu richten."

In der Formel 1 beispielsweise könnte ein Szenarioplaner zwei Ungewissheiten betrachten und sie zusammen auf einem Diagramm darstellen - mit Kontrolle und Beteiligung auf einer Achse und Publikumswirkung auf der anderen - mit positiven Szenarien am einen und negativen Szenarien am anderen Ende. Daraus ergäben sich dann vier Quadranten.

Vier mögliche Szenarien

In einem dieser Quadranten hätte man zum Beispiel ein sehr positives Szenario: Alle auf einer Wellenlänge mit einem gutem Kräfteverhältnis der Formel-1-Verantwortlichen, der FIA und den Teams. Es gäbe eine gemeinsame Zukunftsvision mit großer Öffentlichkeitswirkung. Es würden aufregende Rennen auf kreativen neuen Kanälen und Technologien gezeigt und der Sport wäre relevant und zeitgemäß, während die Welt insgesamt grüner wird.

Dieses Szenario schafft eine Perspektive für die Zukunft, die es den Beteiligten erlaubt, die richtigen Entscheidungen zu treffen. Es gibt den Regelhütern das Vertrauen, das Reglement so zu gestalten, dass kommende technische Plattformen bedient werden, um damit positive Ergebnisse hinsichtlich Zuschauer- und Sponsorenwachstum zu erzielen.

Chase Carey, Ross Brawn

Wie wird es für die Formel 1 langfristig gesehen weitergehen?

Foto: Motorsport Images

In einem negativeren Szenario wären die Interessenvertreter gespalten und würden in ihrem eigenen Interesse handeln. Die Prioritäten wären nicht aufeinander abgestimmt und die Teams würden um ihr Überleben kämpfen. Der Sport würde als weniger relevant angesehen werden und die Fans würden aufgrund von schlechten Formaten, fehlendem Zugang zu Übertragungen der Rennen und Rückzug der Hersteller das Interesse verlieren. Ein solches Szenario haben wir in der DTM beobachtet.

Vorstellbar sind auch andere Szenarien. Als da wäre eine immer engere Bindung zwischen Herstellern und Kundenteams, wie wir sie heute bei Mercedes und Racing Point erleben. Ein viertes Szenario wäre jenes, wie es der ehemalige Ferrari-Präsident Luca di Montezemolo stets verfolgte: Die kleinen unabhängigen Teams spalten sich ab und die Werksteams treten mit drei statt mit zwei Autos an.

"Wenn der Kampf um das Überleben der kleineren Teams weitergeht, könnte eine Lösung vielleicht darin bestehen, weniger Mitspieler zu haben, sodass die Hersteller wie Ferrari oder Mercedes vielleicht mehr Autos einsetzen", sagt auch Basso, merkt aber an: "Andererseits ist dies ein Modell, das wir in der DTM gesehen haben und das sich auf lange Sicht nicht ausgezahlt hat."

Jetzt ist der Zeitpunkt für langfristige Planungen

Fakt ist: Das sind kritische Entscheidungen. Und da die Fassade der Selbstgefälligkeit nach dem Schock von 2020 und der Pandemie aus dem Sport verschwunden ist, ist jetzt der Zeitpunkt für eine klare strategische Langzeitplanung gekommen. Es gilt einzuordnen, wie sich der Sport aufstellen muss.

Und jetzt ist auch die Zeit, um zu erkennen, dass der Motorsport eine stark fragmentierte Welt ist, in der viel zu viele Rennserien einzeln betrieben werden, welche die Budgets und die Aufmerksamkeit der Zuschauer strapazieren. In gewisser Weise ist diese Vielfalt eine Stärke. So bekommen Fans, die Rallyes oder Tourenwagen- oder Langstreckenrennen gegenüber der Formel 1 vorziehen, genau das, was sie wollen.

Es ist aber von entscheidender Bedeutung, die unterschiedlichen Rennserien auf ein nachhaltiges und vielfältiges Angebot auszurichten. Und es ist entscheidend, dass alle mit einem einheitlichen Blick in Richtung Zukunft agieren anstatt in ihren eigenen eingezäunten Bereichen zu werkeln.

Start der Formel E 2019/20 in Riad

Wird es die Formel E über kurz oder lang mit der Formel 1 aufnehmen können?

Foto: LAT

"Es wird interessant sein zu sehen, wie die Formel E und die Formel 1 künftig stärker miteinander konkurrieren", sagt Basso und erklärt: "Sie nähern sich jetzt in Bezug auf das Budget an. Das wiederum bedeutet auch eine Annäherung in Bezug auf die Technologie."

Und der ehemalige Leiter von McLaren Applied Technologies fügt hinzu, dass es für beide Rennserien von entscheidender Bedeutung sei, die Technologie als Vorbild zu nutzen, ohne dabei in die Falle zu tappen, die Technologie zum Hauptaugenmerk zu machen. Gleichzeitig müsse man versuchen, das Publikum anzuziehen und den Einstieg für potenzielle Teilnehmer offener gestalten.

Mehr Diveristät - nicht nur in Bezug auf Rassen

Das Thema eines offeneren Zugangs zum Sport für Fans und Teilnehmer gleichermaßen, und damit einer größeren Vielfalt, ist ein relevantes. So setzt sich Lewis Hamilton aktiv dafür ein, einen offeneren Zugang für dunkelhäutige Menschen und ethnische Minderheiten zu schaffen. Laut Turner aber ist die Vielfalt nicht nur in Bezug auf die Rassen entscheidend.

"Es gibt im Großen und Ganzen drei Gruppen von Menschen, die einbezogen werden sollten", sagt Turner und präzisiert: "Eine davon sind die Hauptakteure, für die das Ergebnis unterm Strich zählt. Dann sind es die sogenannten 'Wissensträger', also Menschen mit echtem Fachwissen zum Thema, das diskutiert wird. Und drittens sind es die Menschen, die wir als die 'Kreativen und Neugierigen' bezeichnen."

"Letztgenannte Gruppe", so Turner, "sind Menschen, die die Welt auf eine andere Art und Weise sehen. Sie können jünger sein, sie können von außerhalb der Organisation kommen - einfach Leute, die eine klare Perspektive haben, wie sich die Welt entwickelt. Denn es ist wirklich wichtig, diese Außenperspektive einzunehmen, um das Umfeld zu verstehen, in welchem man sich bewegen muss."

"Ich glaube, eine der Herausforderungen für die Formel 1 im Speziellen besteht darin, dass sie weitgehend von weißen Männern dominiert wird", bemerkt Turner. "Deshalb kommt es nicht zur Vielfalt, die momentan heiß diskutiert wird. Es geht aber nicht nur um rassische Vielfalt. Es geht auch um kognitive Vielfalt, also darum, Menschen zu haben, die auf ganz unterschiedliche Weise denken."

Die Formel 1 kann zurecht stolz sein auf die Arbeit, die sie zu Beginn der Krise geleistet hat, um das Schiff zu stabilisieren. Damit hat man auf die Forderung von Jean Todt reagiert. Der FIA-Präsident hatte im April in Episode 1 unserer Interviewreihe #ThinkingForward einen "neuen Deal" im Motorsport gefordert.

Um sicherzustellen, dass der Sport in zehn Jahren vor dem Hintergrund des Klimawandels, des Konkurrierens von Formel 1 und Formel E um Hersteller und Marken, des Zugangs für TV-Zuschauer hinter einer Paywall sowie einer Reihe weiterer Überlegungen gesund dasteht, ist jetzt jede Menge langfristiger Planung notwendig.

Unsere vollständige Diskussion mit Rodi Basso und Nick Turner über langfristige Szenarioplanung lässt sich im ganz oben eingebetteten Video nachverfolgen.

Mit Bildmaterial von McLaren.

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