Alejandro Agag: Warum die Formel E jetzt erwachsen wird
Formel-E-Boss Alejandro Agag schreibt in seiner Kolumne über die Zukunft der Elektroserie: Welche Gefahren der Spanier sieht und warum die Zukunft bald da ist
In der Saison 5 wird die Formel E erwachsen, das kann man so sagen. Für uns wird es der Start in eine neue Ära. In den ersten vier Jahren ging es lediglich darum, die Meisterschaft aufzubauen - und zwar von Null. Wir hatten nichts, mussten aber etwas erschaffen und dafür sorgen, dass es existiert. Aber mit dem Auto der zweiten Generation, das wir am 6. März beim Genfer Autosalon vorstellen werden, werden wir die Zukunft des Motorsports präsentieren.
Beim Design sind wir ein paar Risiken eingegangen und haben die Grenzen ausgereizt. Dadurch können wir zeigen, wie sehr die Technologie schrittgehalten hat. Mit der neuen Batterie im Gen2-Auto können wir eine komplette Renndistanz fahren, ohne dass wir zu Rennmitte das Auto wechseln müssen.
Vielleicht gibt es mit einer Batterie weniger Drama, weil die Fahrzeugwechsel zu einem spannenden Moment geworden sind - speziell in Chile, wo es für die Piloten keine Mindestzeit mehr gab und es daher Teil des Rennens war. In dieser Hinsicht ist es etwas traurig, diesen Aspekt des Rennens zu verlieren, gleichzeitig bin ich aber glücklich, weil wir zeigen, wie sehr die Technologie voranschreitet. Wir haben ohnehin ein paar Ideen, wie wir die Rennen noch aufregender gestalten können.
Neues Auto zu schnell für bisherige Kurse?
Mit dem neuen Fahrzeug haben wir theoretisch eine Höchstgeschwindigkeit von 300 km/h (derzeit rund 220 km/h; Anm. d. Red.). Das ist natürlich schneller und wird aufregender sein. Sollte das Gen2-Auto aber unglaublich schnell werden, wird es aus allen derzeitigen Strecken wachsen, und wir müssten uns neue Austragungsorte suchen. Für den Moment bleiben wir aber dort, wo wir sind. Die Fahrer werden ihren Speed einfach an die Strecke anpassen müssen, wie sie es in jeder Meisterschaft tun. Sie wissen wann sie bremsen und wann sie Gas geben müssen.
Genau das wollten wir auch von Beginn an zeigen, doch damals wussten wir noch nicht, ob wir unsere Versprechen auch halten können oder nicht. Jetzt können wir es: Das neue Image des Autos und die erhöhte Batteriekapazität werden uns ermöglichen, die Meisterschaft an neue Orte zu bringen. Saison fünf wird für uns der große Durchbruch werden, nachdem wir vier harte, aber aufregende Jahre hatten.
Wir wussten eigentlich niemals wirklich, in welcher Position wir uns zu diesem Zeitpunkt befinden würden. Wir dachten, dass wir in der ersten Saison für etwas Aufregung sorgen und Beachtung bekommen würden, weil wir etwas Neues sind. Aber dann wäre vielleicht alles langsam im Sand verlaufen, und in der fünften Saison wäre es vorbei gewesen. Doch stattdessen steht die Formel E so gut wie nie da.
Wir haben mehr Momentum denn je, mehr Hersteller denn je, mehr Partner denn je und mehr Follower. Unsere digitalen Zahlen gehen durch die Decke, und großartige Rennen wie in Chile helfen uns wirklich.
Privatteams müssen geschützt werden
Der Doppelerfolg von Techeetah - es war der erste Doppelerfolg der Formel-E-Geschichte - zeigt, wie wichtig es für uns ist, die unabhängigen Teams zu beschützen. Dies ist ein Beispiel dafür, wie Regeln die Meisterschaft in Zukunft zum Funktionieren bringen können - mit einem geschützten Platz für Privatteams, die dank der engen Budgetkontrollen immer konkurrenzfähig sein sollten.
Das wird besonders wichtig sein, wenn weitere Hersteller dazukommen: BMW kommt in Saison 5, Porsche in Saison 6 und Mercedes entweder als Hersteller in Saison 6 oder durch HWA in Saison 5. Wenn wir nicht aufpassen, herrscht großes Potenzial, dass die Formel E zu einer Herstellermeisterschaft wird, aber solange wir einen Rahmen haben, durch den Privatteams teilnehmen und die Werksteams möglicherweise ersetzen können, sollten sie die Serie verlassen, dann werden wir im grünen Bereich sein.
Wenn wir acht Hersteller haben, wird nur einer gewinnen, nur einer Zweiter werden und nur einer Dritter werden. Vielleicht werden einige von ihnen daher frustriert und hören auf. Doch solange wir starke Privatteams haben, ist alles okay, weil die Meisterschaft ordentlich weiterlaufen wird. Im Moment bin ich wirklich glücklich, dass alle da sind.
Situation in den Städten akzeptieren
Doch natürlich gibt es auch andere Herausforderungen für uns. Städte sind DIE Herausforderung, weil wir lernen müssen, mit veränderten Situationen zu leben - sie sind lebendige Einheiten. Wenn ein neuer Bürgermeister kommt, kommt vielleicht auch eine andere Meinung über die Formel E. Wir haben gelernt, damit zu leben. Wir hätten gerne einen konstanten Kalender, haben aber akzeptiert, dass das nicht möglich sein wird.
Das ist einfach Teil von dem, was wir sind. Wir haben die Teilhaber - Teams, Sponsoren und so weiter - gefragt: "Was präferiert ihr? Eine Rennstrecke und einen permanenten Kalender? Oder bleiben wir in den Stadtzentren und haben ein wenig Veränderung und weniger Stabilität?" Jedes Mal entscheiden sie sich für die zweite Option. Sie wollen in den Stadtzentren bleiben.
Für die Mitarbeiter ist das ein Albtraum, weil es wirklich hart ist, in den Städten zu arbeiten. Es ist einfach viel komplizierter und eine logistische Herausforderung. Aber wir nehmen uns dieser an, denn das ist, was wir sind.
Die Zukunft ist da!
Fans sind unsere nächste große Herausforderung. Wir haben viele Fans, besonders im explodierenden digitalen Raum - aber wir benötigen natürlich mehr. Die nächste Phase des Unternehmens ist daher, die Reichweite und das Markenbewusstsein der Formel E zu vergrößern. Und das braucht ebenfalls Zeit.
Das neue Auto wird eine großartige Hilfe sein, Vorstellungen einzufangen. Es wird uns dabei helfen, viel mehr Fans zu bekommen. Sie werden es lieben, es in den Städten fahren zu sehen. Und das wird am 6. März in Genf die Message sein: Die Zukunft des Motorsports ist da. Sie ist angekommen. Du kannst sie im Fernsehen anschauen, du kannst sie in Städten auf der ganzen Welt anschauen. So wird Rennsport aussehen, und wir haben ihn schon jetzt.
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