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Interview

Formel-E-Rennleiter Scot Elkins im Interview: "Etwas ziemlich Einmaliges!"

Formel-E-Rennleiter Scot Elkins spricht im Interview über die Herausforderungen in der Elektroserie, sein verrücktestes Erlebnis und seinen persönlichen Werdegang

An diesem Wochenende findet das große Finale der Formel-E-Saison 2018/19 in New York statt. Wir haben uns am vorletzten Rennwochenende der Saison in Bern mit Scot Elkins getroffen und über seinen Job als Rennleiter der Elektroserie gesprochen. Dabei hat der US-Amerikaner unter anderem verraten, dass er auch in manchen Situationen noch ins Regelbuch schauen muss ...

Frage: "Was macht es besonders, Rennleiter in der Formel E zu sein?"

Scot Elkins: "Nun, das Format macht es ganz besonders. Die Rennen sind kurz, dauern nur 45 Minuten. Daher ist wichtig für uns, Entscheidungen schnell zu treffen. Das Eintagesformat ist etwas sehr Spezielles, etwas ziemlich Einmaliges. Es ist sehr gut, macht viel Spaß."

Frage: "Was ist das Komplizierteste an der Formel E?"

Elkins: "Da gibt es leider nicht nur ein Thema, das kompliziert wäre. Ich würde sagen: Besonders an eine neue Strecke zu kommen, das ist schwierig. Denn alles wird dann zum ersten Mal gemacht. Aber wir kennen das ja von vielen anderen Rennen. Es gibt eben kein Training am Freitag und das Rennen am Sonntag, sondern alles findet an nur einem Tag statt. Das gestaltet es schwierig."

Frage: "Was war ihr erstes Rennen?"

Elkins: "Mein erstes Rennen war Paris in Saison 3."

Frage: "Was war das für eine Erfahrung für Sie?"

Elkins: "Es war klasse. Und jetzt ist das meine Hauptaufgabe. Ich mag es wirklich. Etwas peinliche Geschichte: Als ich das erste Mal bei einem Formel-E-Rennen war, hatte ich die Aufgabe, das Rennen zu starten. Vor dem Start fragte ich nach Kopfhörern für mein Funkgerät. Die Antwort lautete: 'Die Autos fahren elektrisch, du brauchst keine Kopfhörer.' Das war ein etwas doofer Einstand. Aber ja, es ist gut. Das Racing, was wir hier in 45 Minuten sehen, ist klasse. Das Racing ist toll und das Fahrerniveau ist wirklich hoch. Das macht die Sache so besonders, und damit auch meine Arbeit."

Frage: "Wie können Sie erklären, dass Entscheidungen der Rennleitung manchmal quasi sofort, siehe Wehrlein in Mexiko-Stadt, manchmal aber auch erst nach Stunden getroffen werden, wie in Hongkong?"

Elkins: "Wie ihr sicherlich wisst, treffe ich keine Entscheidungen. Das ist die Aufgabe der Rennkommissare. Bei Wehrlein gab es nur Schwarz oder Weiß: Er hat in der Schikane abgekürzt, klarer Fall. Bei Bird in Hongkong dagegen war es weitaus schwieriger. Es brauchte Videoaufnahmen, beide Fahrer mussten zur Anhörung. Man musste der Sache wirklich auf den Grund gehen, den Zwischenfall rekonstruieren, um dann eine Entscheidung zu treffen. Ja, das zog sich länger hin als es jeder sich wünschen würde. Ich denke aber, die Abläufe wurden korrekt eingehalten. Alles hat so funktioniert, wie es funktionieren sollte."

"Da stolpert man schon mal über Kleinigkeiten ..."

Frage: "Die Formel E bewegt sich auf sehr hohem Niveau, ist sehr professionell aufgestellt. Doch dann gibt es Geschichten wie in Monaco, der Protest von Mahindra in Sachen Reifendruck. Doch der Protest wurde nicht korrekt eingereicht. Wie kann so etwas in der Formel E passieren?"

Elkins: "Konkret auf den genannten Fall bezogen: Generell kommt ein Protest nicht sehr oft vor. Wenn es aber doch vorkommt, dann steckt jeder seine Nase ins Reglement. Manchmal liest man dann vielleicht zum ersten Mal, wie es eigentlich ablaufen sollte. Da stolpert man schon mal über Kleinigkeiten. Das kommt vor, selbst bei uns in der Rennleitung."

"Die Rotphase in Hongkong in Saison 4 war beispielsweise die erste Rotphase überhaupt in der Formel E. Wir sitzen da alle im selben Boot. Auch wir fragten uns da: 'So, und was ist jetzt zu tun?' Das ist wahrscheinlich, was bei Mahindra passiert ist. Als Offizieller willst du natürlich keine Proteste sehen. Als Teilnehmer willst du diesen Weg natürlich beschreiten. Und wenn man sich dazu entschied, dann werden schon mal die eigentlichen Abläufe vergessen. Das ist zumindest meine Theorie."

Frage: "Ist es schwieriger für die Rennkommissare in der Formel E als in anderen Rennserien?"

Elkins: "Ich glaube ja. Denn das Rennen ist so kurz. Das macht es schwierig. Es bedeutet: Die Entscheidungen müssen rasch getroffen werden. Das Ziel ist immer, Entscheidungen vor dem Ende des Rennens zu haben. Einfach, damit jeder weiß, wer der Sieger ist. Manchmal ist es aber schwieriger, wie zum Beispiel im Fall von Bird. Da war es kompliziert, zu einer Entscheidung zu gelangen. In meinen Augen ist aber genau das die größte Herausforderung für die Rennkommissare: Sie müssen alles sehr schnell bearbeiten."

Frage: "Die Formel E entwickelt sich rasant. Was hat das für Auswirkungen auf das Reglement? Wie werden sich die Spielregeln ändern?"

Elkins: "Da ist die Formel E einmalig, würde ich sagen. Man hat hier eine ganz andere Herangehensweise. FanBoost oder AttackMode gibt es in anderen Rennserien einfach nicht. Das schafft einen offenen Horizont dafür, neue Möglichkeiten im Motorsport auszuprobieren. Das ist wahrscheinlich das Schöne an der Zukunft der Formel E: Es gibt Möglichkeiten für uns, die Fahrzeuge zu ändern. Wir können auch die Energiemenge der Batterie kontrollieren. Einen vollen Benzintank dagegen kannst du nicht kontrollieren. Du kannst den Sprit schließlich nicht mehr rausholen, wenn er erst mal im Tank ist. Es gibt also Möglichkeiten in der Formel E, die ziemlich einmalig sind."

Die Unterschiede zwischen Formel E und Formel 1

Frage: "Sie sind nach wie vor in die Formel 1 involviert, richtig?"

Elkins: "Ja. Vergangenes Jahr war ich mehrmals der Stellvertreter von Charlie [Whiting]. Ich werde diese Rolle auch in diesem Jahr ein paar Mal ausüben."

Frage: "Was sind für Sie die Hauptunterschiede zwischen ihrer Arbeit in der Formel E und in der Formel 1? Gibt es besonders große Unterschiede?"

Elkins: "Ich muss mich da wiederholen. Tut mir leid, wenn die Antwort wieder gleich ausfällt. Aber die Formel 1 wird über drei Tage ausgetragen. Die Formel E dagegen ist eine Eintagesveranstaltung. Das ist ein großer Unterschied. Weil außerdem alle Formel-E-Rennen auf Stadtkursen ausgetragen werden, ist die Aufgabenstellung der Rennleitung eine ganz andere. Die Fahrer haben kaum Platz für Fehler. Die Mauern sind allgegenwärtig. Das schafft ein Szenario in der Formel E, in dem es vielleicht zu mehr Kontakt kommt als in anderen Serien wie der Formel 1, wo die Strecken breiter sind und es auch mehr Auslauf gibt. Das ist der größte Unterschied, solche Sachen."

Frage: "In der DTM wird gerade über das Safety-Car und virtuelle Safety-Cars diskutiert. Wie stehen Sie generell zu Safety-Cars im Motorsport?"

Elkins: "Nun, ich kenne keinen Verantwortlichen, der das Safety-Car auf die Strecke schickt, wenn es nicht notwendig ist. Das ist gewissermaßen die letzte Option, das Rennen zu neutralisieren. Das will niemand gerne tun. Du willst, dass die Fahrer im Idealfall immer Racing zeigen können. Das ist das Ziel. In der Formel E gibt es kein virtuelles Safety-Car. Wir haben aber ein Full-Course-Yellow, was fast das gleiche ist. Wir haben es aber noch nicht verwendet."

"In der Formel E haben wir die Möglichkeit, das Feld so zusammenzuführen, dass die Abstände weg sind - wie es in anderen Serien mit dem Safety-Car gemacht wird. Das haben wir noch nicht gemacht, aber wir könnten es tun. Das Safety-Car ist eine Notwendigkeit. Aber nochmal: Man schickt es nicht einfach so auf die Strecke, außer es muss sein. Ich persönlich bin immer sehr enttäuscht, wenn es so weit ist, weil es die Renndynamik verändert."

Frage: "Gibt es gerade auf Stadtkursen mehr Safety-Car-Phasen, weil eben der Raum fehlt?"

Elkins: "Vielleicht, ja. Es kommt aber auch auf das Streckenlayout und vor allem auf den jeweiligen Zwischenfall an. Was müssen wir tun? Wie schnell müssen wir es tun? Das sind Fragen, die zu einer Safety-Car-Phase führen können."

Frage: "In dieser Saison gab es schon viele Unterbrechungen, Safety-Cars etc. Viele Fahrer haben sich beschwert, es war ein großes Thema. Wie ist ihre Meinung dazu?"

Elkins: "Schwierig. Bei drei der vier Rotphasen wären wir auch in Saison 3 oder 4 zu einer Rotphase übergegangen. In Mexiko-Stadt hatten wir den furchtbaren Unfall von Nelson Piquet. Wir mussten das Rennen stoppen, da gab es keine andere Wahl. Rom war das gleiche Thema: Die Strecke war komplett blockiert. Gleiche Story auch in Hongkong: Die Strecke war zu. Dann kannst du nichts anderes machen. In Sania hatten wir eine Situation, in der die Sportwarte sehr langsam gearbeitet haben. In diesem Fall kam die rote Flagge zum Einsatz, dass wir das Rennen anhalten konnten, um am Ende noch mehr Racing zu bieten."

"Diese Rotphase kam also aus anderen Gründen zustande. Die Ursachen sind generell unterschiedlich. Einer der Hauptgründe [für die vielen Unterbrechungen] ist, dass die Rennserie so sehr umkämpft ist. Das Racing ist ungeheuer eng. Jeder kämpft um jede Position. Du musst auch mit deiner Energie haushalten, was sehr schwierig ist. Das ändert auch die Herangehensweise eines Fahrers an das Rennen. Und das resultiert dann auch mal in Rotphasen. Aber jedes Mal, wenn ich eine Rotphase ausrufen muss, dann ist das, als würde man mich erdolchen. Du willst es einfach nicht tun. Du willst Rennen unter Grün sehen, fertig."

Elinks: Ein echter Petrolhead in der Formel E

Frage: "Eine persönliche Frage: Sind Sie ein Petrolhead und wenn ja, was hat Sie dazu gemacht? Außerdem: Gibt es nun mehr Respekt für die Formel E als noch 2014?"

Elkins: "Ja. Das Standing der Formel E hat sich zwischen Saison 3 und Saison 5 dramatisch verändert. Das ganz große Thema, das jeder zu jeder Zeit anspricht, das ist das Geräusch. Das Gen2-Auto hat da eine gewisse Veränderung herbeigeführt, weil dieses Fahrzeug tatsächlich einen gewissen Lärm verursacht. Generell steht die Formel E inzwischen aber deutlich höher im Kurs, was den Sport anbelangt. Ich als Petrolhead bin [im US-Bundesstaat] Indiana aufgewachsen. Daher bin ich zum Indianapolis 500 gegangen. Bei meinem ersten Besuch war ich etwa zwölf Jahre alt. Das hat mich zum Fan gemacht. Deshalb sitze ich heute hier."

Frage: "Viele Motorsport-Fans aus dem Mittleren Westen der USA sind Klimawandelleugner. Die Formel E promotet neue Energien, um den Klimawandel aufzuhalten. Wo stehen Sie selbst in dieser Debatte?"

Elkins: "Man soll nie über Politik reden. Und jetzt werde ich nach Politik gefragt. Ich glaube wirklich, dass wir ein Problem haben. Ich glaube ebenso sehr, dass wir etwas tun müssen. Wer das verneint, mit dem komme ich nicht gut klar. Fakt ist doch: Es muss etwas passieren. Egal, wie klein oder groß. Mein Gefühl ist: Jeder muss seinen Beitrag leisten. Es spielt keine Rolle, wie groß das Problem ist, aber man sollte auf jeden Fall etwas unternehmen, um eine Lösung zu finden. So denke ich darüber. Ich lebe inzwischen in Kalifornien, bin also so etwas wie ein Hippie!"

Frage: "Was war der verrückteste Zwischenfall oder die wildeste Strafe, an die Sie sich erinnern können? Eine Unterwäsche-Strafe in Höhe von 10.000 Euro, keine Startampeln in Hongkong in Saison 4. Da waren schon ein paar wilde Sachen dabei ..."

Elkins: "Wahrscheinlich die Startampel-Sache. Das hat mich persönlich betroffen, deshalb. Ich bin schließlich der Mann, der den Knopf drückt. Das war ein Albtraum. Damals hatten wir keinerlei Ersatz dabei. Wir versuchten daher, den Technikern die Zeit zu geben, die Ampel zu reparieren. Ein gutes Beispiel. Das war wahrscheinlich die größte Aufgabe, die ich zu bewältigen hatte. Wir entschieden dann auf einen Start hinter dem Safety-Car. Das ist professioneller als einfach nur eine Flagge zu schwenken bei einem stehenden Start."

Mit Bildmaterial von voestalpine.

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