Sepang: Wer letzte Nacht am besten geschlafen hat
In der Montagskolumne dreht sich alles um einen Fahrer, der beim Malaysia-Grand-Prix eine tadellose Bewerbung für die MotoGP-Saison 2020 abgegeben hat
Liebe Motorradfreunde,
ich freue mich, verkünden zu können, dass Johann Zarco zurück ist. Beim Malaysia-Grand-Prix in Sepang zeigte der Franzose mit der LCR-Honda eine blitzsaubere Vorstellung. Lediglich der Übereifer von Suzuki-Rookie Joan Mir verhinderte, dass Zarco für seine Anstrengungen mit einem Top-8-Ergebnis belohnt wird. Dennoch gehe ich davon aus, dass der zweimalige Moto2-Weltmeister äußerst gut geschlafen hat. Er empfiehlt sich somit für unsere traditionelle Montagskolumne.
Bereits beim ersten Einsatz für Lucio Cecchinellos LCR-Team in Australien gefiel mir, was Zarco mit der Honda RC213V anstellte. Ohne Training und Vorbereitung tastete sich der ehemalige KTM-Pilot ans Limit seines neuen Arbeitsgeräts und entschied zumindest das Duell mit Jorge Lorenzo deutlich. Er steigerte sich von Session zu Session und nahm Lorenzo im Rennen 40 Sekunden ab.
Zarco und Lorenzo, das sind in meinen Augen zwei Fahrer mit einem ähnlichen Stil. Man möchte meinen, beide sind auf Reihenvierzylinder-Bikes - wie der Yamaha oder der Suzuki - deutlich besser aufgehoben als auf einer giftigen V4-Rakete. Die beiden Ausnahmekönner fahren runde Linien und sind meist unspektakulär unterwegs. Wie effektiv das in Kombination mit der Yamaha R1 funktioniert, belegen die Ergebnislisten vergangener Jahre.
Johann Zarco blamiert Jorge Lorenzo
Doch nun ist es so, dass Zarco und Lorenzo auf Grund riskanter Karriereentscheidungen dort sind, wo sie sind. Für Zarco waren die LCR-Starts ein großes Risiko, denn dadurch platzte der Yamaha-Testfahrer-Deal. LCR ist für den Franzosen vermutlich die letzte Chance, um sich in der MotoGP zu empfehlen.
Jorge Lorenzo setzte sich nur knapp gegen KTM-Ersatzmann Mika Kallio durch Foto: LAT
Sepang-Ergebnisse sind aussagekräftig
Phillip Island war keine aussagekräftige Strecke. Der Kurs hat schon für einige Überraschungen gesorgt. Ein gutes Beispiel dafür ist Andrea Iannones starke Einlage in der ersten Rennhälfte. Ich hätte ehrlich gesagt nicht damit gerechnet, in dieser Saison eine Aprilia in Führung zu sehen. Aber was das wert war, konnte man bereits ein Rennen später in Sepang sehen.
"Willkommen in der Realität", heißt es auf dem Sepang International Circuit. Der Kurs hat alles: Langsame Kurven, schnelle Kurven, harte Bremszonen, lange Geraden - kein Wunder, warum die MotoGP seit etlichen Jahren hier ihre Wintertests absolviert. Und deshalb sind die Ergebnisse auf der 5,543 Kilometer langen Piste auch aussagekräftiger als die von Phillip Island.
Sind sich die KTM RC16 und die Honda RC213V doch nicht so ähnlich?
Umso erfreulicher war es, dass Zarco einen weiteren Sprung machen konnte. Nach dem Scheitern bei KTM waren sich die meisten Experten einig, dass Zarco mit der Honda ähnliche Probleme haben wird. Klar, der Charakter der RC16 dürfte dem der RC213V relativ ähnlich sein. Doch scheinbar kommt Zarco mit der Honda deutlich besser zurecht als mit der KTM.
Stark: Johann Zarco fuhr unter anderem vor Danilo Petrucci und Cal Crutchlow Foto: LAT
Demütigung weicht Genugtuung
Und das sei ihm absolut gegönnt. Bei seinem MotoGP-Debüt mit Yamaha deutete Zarco sein Talent an - Führungsrunden im ersten Rennen und konstante Spitzenergebnisse danach. Mit seinen Leistungen empfahl sich der Franzose für einen Platz im Yamaha-Werksteam, doch Valentino Rossi und Maverick Vinales waren für Jahre gesetzt. Als Zarco zu KTM wechselte, hatten die Franzosen mit Fabio Quartararo einen neuen Liebling.
Noch hat Zarco keinen festen Platz für die MotoGP-Saison 2020. Die Entscheidung, KTM vorzeitig zu verlassen, war sehr mutig. Doch dieser Mut könnte sich auszahlen, wenn im Honda-Werksteam endlich jemand den ersten Schritt macht.
Die Körperhaltung von Johann Zarco zeigt, dass er zu alter Stärke gefunden hat Foto: LAT
Lorenzo möchte nicht auf seine Gage verzichten. Und Honda möchte diese nicht zahlen, hat mit Zarco aber einen Fahrer in der Hinterhand, der einen größeren Beitrag leisten könnte. Ich bin gespannt, wie dieser Vertragspoker ausgeht. Vielleicht wird es ja schon beim Saisonfinale in Valencia eine Wendung geben. Ich würde mich freuen, dann noch einmal verkünden zu können, dass Zarco zurück ist.
Ihr,
Sebastian Fränzschky
Mit Bildmaterial von GP-Fever.de.
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