Gasly platzt der Kragen beim Japan-GP: Wie 2014 ein Traktor auf der Strecke!
AlphaTauri-Pilot Pierre Gasly tobt am Funk, nachdem beim Grand Prix von Japan 2022 ein Traktor auf der Strecke steht: Erinnerungen an Jules Bianchi 2014 kommen hoch
Der Große Preis von Japan wurde bereits nach drei Rennrunden mit einer roten Flagge unterbrochen. Die Regenschauer und das stehende Wasser auf der Strecke haben in der Startrunde zu Ausritten von Sebastian Vettel und Guanyu Zhou, aber auch zu einem Crash von Carlos Sainz geführt.
Der Spanier verunfallte in der langgezogenen Rechtskurve nach der Haarnadel im zweiten Sektor. Das Heck seines Ferraris brach aus und Sainz knallte in die linke Streckenbegrenzung, wodurch ein Werbebanner der Barriere auf die Strecke geschleudert wurde.
AlphaTauri-Pilot Pierre Gasly sah in der extremen Gischt fast nicht und sammelte den Werbebanner auf, wodurch er seinen Frontflügel beschädigte. Schlimmer kam es für den Franzosen eine Runde später, als er nach einer Reperatur an der Box wieder zur Unfallstelle von Sainz gelangte.
Gasly tobt am Funk nach Traktor-Vorfall
In der Onboardaufnahme von Gasly ist zu sehen, wie ein Traktor auf der linken Streckenseite stand, um den verunfallten Ferrari abzuschleppen. Erinnerungen kommen an den fatalen Unfall von Jules Bianchi in Suzuka 2014 hoch, der unter gelber Flagge bei ähnlich verregneten Bedingungen abflog und in einen Traktor krachte, der damals den Sauber von Adrian Sutil bergen wollte.
"Was zum Teufel? Was ist das?", echauffierte sich Gasly am Funk. "Was macht denn dieser Traktor auf der Strecke? Das ist inakzeptabel! Ich kann es gar nicht glauben!"
In der Onboardaufnahme von Gasly ist auch zu sehen, dass bereits die rote Flagge gezeigt wurde, was der Franzose jedoch erst spät zu sehen bekam. Nach seiner Berührung mit der Werbebarriere kam Gasly in die Box und wechselte von den Intermediates auf die Extrem-Regenreifen.
FIA rechtfertigt Traktor-Einsatz
Es ist gut möglich, dass der Traktor zu früh auf die Strecke geschickt wurde, da der Rest des Feldes bereits an der Unfallstelle vorbeigefahren war, jedoch hatte Gasly durch seinen Stopp einen großen Rückstand auf die anderen.
Die FIA hat den Vorfall inzwischen erklärt: "Was die Bergung des Zwischenfalls in Runde drei betrifft, so wurde das Safety-Car eingesetzt und das Rennen neutralisiert. [Gasly], der einen Schaden erlitten hatte und hinter dem Safety-Car an die Box kam, fuhr dann mit hoher Geschwindigkeit, um das Feld einzuholen."
"Da sich die Bedingungen verschlechterten, wurde die rote Flagge gezeigt, bevor [Gasly] die Stelle passierte, an der es in der Runde zuvor beschädigt worden war."
Gasly kassiert 20-Sekunden-Zeitstrafe
Der Vorfall wurde von der FIA sogar untersucht, da man Gasly beschuldigte, unter der roten Flagge zu schnell gefahren zu sein. Die FIA bezieht sich dabei jedoch auf ein Vergehen, nachdem Gasly an der Unfallstelle vorbeigefahren ist.
"[Gasly] erreichte Geschwindigkeiten von bis zu 250 km/h, als er die Runde unter roter Flagge absolvierte, nachdem er die Unfallstelle passiert hatte", hieß es in der Mitteilung der FIA. Einige Stunden später folgte das Urteil: Eine Zeitstrafe von 20 Sekunden inklusive zweier Strafpunkte.
Im Urteil der Rennkommissare heißt es: "Nachdem [Gasly] die Unfallstelle passierte, erreichte er unter roten Flaggen an mehreren Stellen Geschwindigkeiten über 200 km/h und an einem Punkt sogar 251 km/h. Der Fahrer sieht ein, dass Streckenposten oder Hindernisse auf der Strecke hätten sein können und gab zu, dass er zu schnell unterwegs war."
"Zur Milderung der Strafe berücksichtigen wir jedoch, dass die Geschwindigkeit zwar nicht als 'langsam' gemäß den Vorschriften angesehen werden konnte, aber langsamer war als die Höchstgeschwindigkeit, die unter diesen Bedingungen erreicht werden kann. Wir berücksichtigen auch den Schock, den der Fahrer erlebte, als er einen Lastwagen auf der Ideallinie in der Kurve des Vorfalls sah."
Sainz hinterfragt Sinnhaftigkeit des Traktors
Mittlerweile gibt es auch Stimmen aus dem Fahrerlager zu diesem Vorfall, unter anderem von Carlos Sainz, der die Situation auslöste: "Ich weiß immer noch nicht, warum wir bei diesen Bedingungen immer wieder riskieren, einen Traktor auf der Strecke zu haben, denn das ist einfach sinnlos. Wenn man sowieso die rote Flagge zeigt, warum sollte man es riskieren?"
"Was die Leute nicht verstehen, ist, dass wir selbst hinter dem Safety-Car bei 100 oder 150 km/h nichts sehen. Selbst wenn also ein Kran auf der Strecke steht und wir hinter dem Safety-Car mit 100 km/h fahren, könnte ein Fahrer einen kleinen Fehler machen, ein bisschen von der Linie abweichen und nicht daran denken, dass dort ein Traktor steht und in einen Traktor krachen."
Dass die FIA Gasly für den Zwischenfall beschuldigt, ist für Sainz auch nicht ersichtlich: "Als Fahrer denke ich, dass man es nicht dem Glück des Fahrers überlassen sollte. Ich denke, sie werden das Rennen ohnehin mit der roten Flagge beenden, warum sollten Sie ein Fahrzeug rausschicken?"
"Vielleicht sollte man noch ein bisschen warten, um das Feld zu sortieren, und dann ganz langsam fahren. Der Fahrer wird immer versuchen, in einem Extremfall etwas Temperatur in das Auto zu bringen, für den Fall, dass das Rennen neu gestartet wird. Das ist eine knifflige Angelegenheit, aber auch ziemlich riskant."
Weitere Reaktionen aus dem Formel-1-Paddock
McLaren-Pilot Lando Norris fügt über Twitter hinzu: "Was zum Teufel. Wie konnte das passieren? Wir haben vor Jahren ein Leben in dieser Situation verloren. Wir riskieren unser Leben, besonders unter solchen Bedingungen. Wir wollen Rennen fahren. Aber das ist inakzeptabel."
Alfa-Romeo-Sportdirektor Beat Zehnder sagt gegenüber 'Sky': "Das darf nicht passieren, nein. In der Regel gehen ja die Marshalls und die Bergungsfahrzeuge auf Anweisung der Rennleitung auf die Strecke, die dürfen gar nicht vorher."
"Und wenn sie von sich aus auf die Strecke gehen, kann es solche Dinge geben, außer die Rennleitung hat eine falsche Information herausgegeben. Dann hat man den Gasly vermutlich verpasst, weil der an der Box den Flügel gewechselt hat, noch unter dem Safety-Car."
Christian Horner fordert "umfassende Untersuchung" der FIA
"Das ist völlig inakzeptabel", sagt auch Red-Bull-Teamchef Christian Horner. "Wir haben Jules Bianchi hier verloren, und das sollte nie und nimmer passieren. Es muss umfassend untersucht werden, warum ein Abschleppwagen auf der Strecke war. Und natürlich ist es bei diesen horrenden Bedingungen, bei denen die Sicht gleich null ist, extrem gefährlich."
"Aber ohne alle Fakten ist es sehr schwer, sich dazu zu äußern, warum dieses Fahrzeug auf der Strecke war, wie der Prozess aussieht, der es einem Fahrzeug ermöglicht, auf die Strecke zu fahren", so Horner. "Ich denke also, die FIA sollte die Angelegenheit mit der gebotenen Sorgfalt untersuchen, denn es ist etwas, das vor einigen Jahren beschlossen wurde und das völlig inakzeptabel ist."
Vater von Jules Bianchi fassungslos
Es ist acht Jahre her, dass Jules Bianchi schwere Kopfverletzungen erlitt, als er bei starkem Regen in Suzuka mit einem Bergungsfahrzeug zusammenstieß. Bianchi starb neun Monate später an den Folgen der Verletzungen.
Bianchis Vater hat sich zu dem Vorfall mit Gasly über seinen Instagram-Account ebenfalls geäußert: "Kein Respekt vor dem Leben des Fahrers, kein Respekt vor Jules Erinnerung."
Der Vorfall führte zu einer weit verbreiteten Verurteilung von vielen in der Formel-1-Gemeinschaft, darunter auch von GPDA-Direktor Alex Wurz, der sagte: "Ich denke, wir müssen über einen Traktor auf der Rennstrecke diskutieren. Wir können es kurz machen: Das darf nicht passieren, Leute."
Mit Bildmaterial von Motorsport Images.
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