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Wer letzte Nacht am besten geschlafen hat: Sheldon van der Linde

Wie es dem 23-jährigen Champion gelang, cool zu bleiben, obwohl der Titel zu entgleiten drohte - und warum die DTM Sheldon van der Linde unbedingt halten muss

Wer letzte Nacht am besten geschlafen hat: Sheldon van der Linde

Liebe Leserinnen und Leser,

traditionell lassen wir auch dieses Jahr nach dem Saisonfinale niemanden schlecht schlafen, sondern küren den Gewinner der Saison - und der kann gar niemand anderer sein als Champion Sheldon van der Linde.

Der vermutlich immer noch bestens schläft, nachdem er vor der Titelentscheidung aus Nervosität kaum ein Auge zugebracht hatte und gestern im Heidelberger Club Toniq bei der offiziellen DTM-Saisonabschlussparty den größten Triumph seiner Karriere feierte.

Und der schmeckte besonders süß: Denn der Titelgewinn des 23-Jährigen, der vor zwei Wochen im Rahmen dieser Kolumne noch schlecht geschlafen hatte, war alles andere als ein Selbstläufer.

Nach den mehrmaligen Tracklimits-Verstößen in Spielberg, für die er hart bestraft wurde, wirkte er entnervt - und musste in ein Titelfinale mit abgezockten Vollprofis wie Rene Rast, der genau weiß, wie man Meisterschaften gewinnt.

29 Sekunden, die den Titeltraum beinahe platzen ließen

Und dann ging auch noch das Hockenheim-Wochenende katastrophal los, als sein Schubert-Team beim Boxenstopp-Training am Samstag vor dem Qualifying die Zeit übersah - und es für Sheldon van der Linde nach den neun Startplätzen in Spielberg mit zehn Plätzen die nächste Grid-Strafe setzte.

Denn in der Stunde vor der Session dürfen an den Autos keine Räder angeschraubt werden, weil sonst die Abwärme des Motors die Reifen auf Temperatur bringen könnte. Man wurde sogar von den BMW-Kollegen von Walkenhorst gewarnt, doch in der Hektik klemmte dann auch noch das Rad beim Versuch, es abzuschrauben - und man war um 29 Sekunden zu spät fertig.

Murphy's Law hatte wieder mal zugeschlagen: Was schiefgehen kann, geht schief! Als Teammanager Marcel Schmidt, der die Verantwortung hat und auch als van der Lindes Renningenieur fungiert, seinen Piloten informierte, dachte dieser zuerst an einen schlechten Witz: "Es war wirklich schwierig, da kühlen Kopf zu bewahren."

Doch in diesen Momenten zeigt sich, wer ein wahrer Champion ist.

Sheldon van der Linde arbeitete sich im Rennen von Platz 16 auf Platz zwei nach vorne - und legte damit den Grundstein für den Titel. Teammanager Schmidt brauch nach dem Rennen in der Box vor Erleichterung in Tränen aus. Am Sonntag fuhr sein Pilot mit einem guten dritten Platz die Meisterschaft nach Hause.

Warum der Champion erwachsener ist, als er aussieht

Dass es ihm trotz seiner Jugend gelang, nicht die Nerven zu verlieren, hat viele Gründe: Der Südafrikaner stammt aus einer Gegend, in der es kaum Perspektiven gibt, im Motorsport Karriere zu machen. Und so kam der Sohn der lokalen BMW-Tourenwagen-Legende Shaun van der Linde wie etwa viele australische oder neuseeländische Sportler mit 16 Jahren beinahe als Kind nach Europa - und lebte ohne Eltern mit Bruder Kelvin van der Linde in einer WG, ohne die deutsche Sprache zu verstehen.

Das stählt für die Zukunft - und macht früher erwachsen. Zudem hat er inzwischen einen hervorragenden Rückhalt und ist professionell beraten: Manager Dennis Rostek kämpft wie ein Löwe für seine Schützlinge, wie man auch bei Rene Rast sieht, der vor einem halben Jahr bei Audi ohne Perspektiven dastand und nun zwei Topverträge bei BMW und McLaren besitzt.

Teambesitzer Torsten Schubert greift zum Staubsauger

Torsten Schuberts Team sorgt ebenfalls für Nestwärme - und hält auch in Krisensituationen zusammen. Der motorsportbegeisterte Teamboss richtete seinen Schützling nach dem Qualifying-Malheur selbst wieder auf - und lebt vor, dass der Rennsport für ihn kein nettes Ego-Spielzeug ist, um reiche Freunde zu beeindrucken, sondern eine Herzensangelegenheit.

Die Meisterfeier in der Schubert-Box nach dem Triumph am Sonntag war der beste Beweis: Während Sheldon van der Linde von seinen Mechanikern auf den Schultern unter Jubel durch die Box getragen wurde, griff der 59-Jährige selbst zum Staubsauger und beseitigte die Scherben von ein paar zerbrochenen Glasflaschen.

Sheldon van der Linde

Der bodenständige Chef Torsten Schubert freut sich mit seinem DTM-Champion

Foto: Alexander Trienitz

Wenig später sah man Schubert, der übrigens oft im Teamtruck übernachtet, beim Abbau des Kommandostandes. Das sorgt für den besonderen Teamgeist, den man bei der Truppe aus Oschersleben spürt - und die viel in den Erfolg investierte, wodurch man auch absolut verdient im Rookie-Jahr den Team-Titel holte.

Schubert-Aufstellung hilft Sheldon van der Linde

Aber auch strategisch ist Sheldon van der Linde intern bei Schubert hervorragend aufgestellt: Selbst wenn die Hockenheim-Gridstrafe auf die Kappe von Teammanager Schmidt geht, ist es sicher kein Nachteil, dass dieser auch noch als Renningenieur exklusiv das Auto des Südafrikaners betreut.

Philipp Engs Renningenieur Otmar Welti wurde hingegen erst kurzfristig vor der Saison engagiert - und es dauerte, bis die Mannschaft von van der Lindes Teamkollege zu einer Einheit wurde.

Und noch jemand stand Sheldon van der Linde im Titelkampf mit Ratschlägen zur Seite: Bruder Kelvin van der Linde, der im Vorjahr selbst in dieser Situation war und es mit seinen aggressiven Manövern übertrieb. In der Startaufstellung habe er ihm noch einmal Mut zugesprochen. "Genau das habe ich in dem Moment gebraucht", so Sheldon van der Linde.

Die Rolle des Bruders

Wie Kelvin in dieser Situation zu seinem jüngeren Bruder hält, muss man ihm hoch anrechnen, denn der 26-Jährige litt - wie er selbst zugab - bereits darunter, dass Sheldon vor ihm DTM-Werksfahrer wurde und seinen ersten Sieg in der Traditionsserie einfuhr. Jetzt hat er mit dem Titel auch das geschafft, was Kelvin vor einem Jahr nicht gelang.

Und ist mit BMW bei einem Hersteller, der nach Jahren des Abbaus plötzlich wieder Perspektiven bietet. Das Timing von Sheldon van der Lindes Krönung ist ideal, denn nach fünf Jahren ohne DTM-Titel und der nicht ganz reibungslos verlaufenen Einführung des neuen M4 haben die Münchnern diese Sternstunde dringend gebraucht.

Den Stellenwert beweist auch die Tatsache, dass das Meisterauto nach dem Triumph in die BMW-Welt in München transportiert wurde. Dadurch spielt Sheldon van der Linde jetzt endgültig im BMW-Fahrerkader ganz vorne mit. Das kommt gerade zum rechten Zeitpunkt, denn neben Marco Wittmann dockt nun mit Rene Rast ein weiterer Hochkaräter bei BMW an.

Man darf gespannt sein, ob das die Beziehung zu seinem langjährigen Mentor verändern wird, denn der Teamkollege ist im Motorsport dein erster Rivale.

Ist Sheldon van der Linde der richtige Meister für die DTM?

DTM-Boss Gerhard Berger darf sich jedenfalls über den Ausgang des diesjährigen Titelkampfes freuen, zumal dieser 2022 ohne Teamorder-Skandal über die Bühne gegangen ist.

Mit Sheldon van der Linde hat man einen Champion, mit dem man die jüngere Zielgruppe ansprechen kann. Der sich zu vermarkten weiß, wie man am VDL-Modelabel sieht, das er gemeinsam mit seinem Bruder betreibt. Und der auch wegen seiner Jugend und mit seiner offenen Art das Potenzial hat, ihn in den kommenden Jahren als Typen aufzubauen.

Das wird auch notwendig sein, denn die Zeiten sind vorbei, dass man mit Geld ehemalige Formel-1-Stars holt und so für Glamour sorgt. Man muss eigene Stars produzieren.

Dafür muss es aber auch gelingen, Sheldon van der Linde in der Serie zu halten. Denn 2015, 2018, 2020 und 2021 gingen die jeweiligen Meister nach ihrem Titel über Bord und verteidigten diesen nicht - das ist auf die Dauer für eine publikumswirksame Serie wie die DTM untragbar.

Auch der neue DTM-Meister träumt von den Prototypen und von Le Mans - und wird schon Anfang 2023 bei den Klassikern in Daytona und in Sebring im neuen LMDh-Boliden von BMW starten. Spätestens 2024 winkt dann eine ganze WEC-Saison.

Für die DTM wird es also entscheidend sein, trotz der rein fahrerisch weniger attraktiven GT3-Autos auch in Zukunft für die Werksfahrer eine spannende Bühne zu sein. Wenn das gelingt, kann auch Berger gut schlafen.

Sven Haidinger

Mit Bildmaterial von DTM.

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