In der neuesten Ausgabe unserer Interviewreihe #thinkingforward mit führenden Köpfen des Motorsports sprechen Jess McFadyen und James Allen mit dem zweimaligen Formel-E-Champion und E-Sport-Pionier Jean-Eric Vergne.
Schon lange bevor das Sim-Racing durch in der Corona-Krise einen regelrechten Boom erlebte, erkannte der frühere Formel-1-Pilot dessen Potenzial. Vor drei Jahren stieg Vergne als Investor beim britischen E-Sport-Unternehmen Veloce ein.
Nach der Absage des Australien-Grand-Prix reagierten Vergne und seine Partner schnell und organisierten innerhalb von kurzer Zeit den ersten #NotTheGP. Daraus wurde mittlerweile eine Serie regelmäßiger virtueller Rennen.
Fußballer und Golfer fahren gegen F1-Asse
An denen nehmen nicht nur echte Formel-1-Fahrer wie Charles Leclerc oder Lando Norris teil, sondern auch Stars aus anderen Sportarten. So sind Thibaut Courtois, der Torwart des Fußballclubs Real Madrid oder auch Golf-Ass Ian Poulter regelmäßig am Start.
Das Konzept, echte Rennfahrer im virtuellen Rennen gegen andere Sportler antreten zu lassen, sorgt bei manch eingefleischten Motorsportfan für Verwunderung oder gar Ablehnung. Eine Haltung, die Vergne zu Teil verstehen kann.
"Die Formel-1-Fans wollen Formel-1-Fahrer sehen, denn sie unterstützen Lewis Hamilton, Charles Leclerc oder Lando Norris", sagt Vergne. "Also wollen sie ihre Stars auch beim E-Sport sehen." Doch die Möglichkeit, Rennfahrer gegen Fußballer, Golfer oder Tennisspieler fahren zu lassen, übt auf Vergne auch eine große Faszination aus.
Kommen so neue Fans zur Formel 1?
"Das ist eine Chance, die man sonst im Leben nicht bekommt. Gegen Charles Leclerc oder Lando Norris in einem Formel-1-Spiel zu fahren... Das wäre im echten Leben nicht möglich", so der Franzose.
Darüber hinaus sieht Vergne die Chance, durch die Teilnahme anderer Sportler an den E-Sport-Rennen neue Zielgruppen für den Motorsport zu erschließen. "Was passiert denn, wenn beispielsweise Fans von Thibaut Courtois ihm bei den Rennen zuschauen? Sie sehen Formel 1. Und das bringt dem Motorsport ein neues Publikum."
Fotostrecke: Entwicklung der Lenkräder in der Formel 1:
Ein schlichtes Stück Holz auf einem Metallrahmen, im Idealfall noch mit Leder verkleidet: Mit einem solchen Lenkrad sind die Fahrer in den 1950er-Jahren in die ersten WM-Läufe der Formel-1-Geschichte gestartet. In dieser Fotostrecke zeigen wir, wie sich die Lenkräder von einst zu Hightech-Spielzeugen entwickelt haben!
Zunächst aber tut sich wenig: Die Lenkräder der 1950er-Jahre - hier im Cockpit eines Ferrari 500 - unterscheiden sich meist nur anhand der Lenkradstreben und anhand des Logos in der Mitte.
Vereinzelt tauchen in den 1950er-Jahren bereits Instrumente direkt auf dem Lenkrad auf, die meisten Informationen aber erhält der Fahrer von seinem Armaturenbrett hinter dem Lenkrad.
So bleibt es bis in die 1960er-Jahre hinein. Einzig die Anzeigen im Cockpit verändern sich, am Lenkrad selbst tut sich nicht viel - außer dem verstärkten Einsatz von Leichtbaukonstruktionen, wie hier am Ferrari 246 von 1966.
Viel schlichter als im Wolf WR1 von 1976 geht es nicht. Das Lenkrad, das Armaturenbrett, fertig. Aber ...
... zur Mitte des Jahrzehnts tauchen erste Schalter am Lenkrad auf. Der Ferrari 312T von 1975 bietet dem Fahrer so die Möglichkeit, eine Einstellung vorzunehmen, ohne die Hand vom Lenkrad nehmen zu müssen. Eine Revolution!
Diese Lösung macht Schule, wie der Surtees TS19 von 1977 beweist. Auch hier befindet sich ein Schalter auf dem Lenkrad. Damit kann der Fahrer die Zündung (Englisch: Ignition) ein- und ausschalten.
Spannend wird es hier im Cockpit des Fittipaldi F8 von 1980: Ein kleines Schild erinnert an die Gurtpflicht, die zu diesem Zeitpunkt aber bereits fast zehn Jahre gilt!
1984 ist das Lenkrad selbst noch immer sehr schlicht und einfach gehalten, aber die Instrumente dahinter und die damit verbundenen Einstellmöglichkeiten sind deutlich umfangreicher geworden. Der Lederkranz ist hier am Brabham BT53 bereits Geschichte und durch griffigeres Material ersetzt worden, wenngleich ...
... McLaren mit dem Modell MP4-2C von 1986 weiterhin auf eine Ledereinfassung setzt. Doch deren Tage sind nun endgültig gezählt.
Mitte der 1980er-Jahre erhalten die Fahrer erstmals Knöpfe auf ihre Lenkräder. Der Lotus 99T von 1987 zeigt einen roten und einen grünen Knopf, dazu ein digitales Display im Hintergrund. Das analoge Armaturenbrett verschwindet aus dem Formel-1-Cockpit.
Zu Beginn der 1990er-Jahre weist das Lenkrad des McLaren MP4-5B von 1990 immer noch nur wenige Knöpfe auf. Ferrari hat da bereits Schaltwippen am Lenkrad installiert und den Ganghebel eingemottet. Die nächste Formel-1-Revolution!
1991 bricht Leyton House mit dem CG911 immerhin die bisherige Lenkrad-Form auf und installiert zusätzliche Flächen für die beiden Knöpfe, aber ...
... erst zur Mitte der 1990er-Jahre geht es Schlag auf Schlag: Ferrari versieht den 412T von 1995 bereits mit mehreren Knöpfen am Lenkrad, das zudem über eine verbesserte Ergonomie verfügt. Der Knopf N ("neutral") steht für den Leerlauf.
In dieser Zeit tauchen zum ersten Mal Drehschalter auf dem Formel-1-Lenkrad auf, wie hier am Ferrari 310 von 1996. Nun sind auch ein kleines Display und die Drehzahlanzeige direkt ins Lenkrad integriert, dazu Knöpfe für den Funkverkehr (R) und den Boxengassenlimiter (L). Komplett rund ist nun kein Lenkrad mehr.
Wie rasant die Entwicklung jetzt voranschreitet, das zeigt der Blick in das Cockpit des Ferrari F310B von 1997: Innerhalb weniger Monate sind viele weitere Schalter und Knöpfe dazugekommen!
Nur sechs Jahre später hat sich das Lenkraddesign komplett verändert. Immer mehr Knöpfe und Schalter sowie ein vergrößertes Display halten Einzug, hier am Beispiel des Ferrari F2003-GA von 2003.
Jedes Team entwickelt eigenständige Lösungen, ganz nach Fahrerpräferenz. Die Lenkräder - im Bild der Williams FW26 von 2004 - werden inzwischen aufwändig und kostspielig aus Kohlefaser gefertigt.
Ob Trinkflaschen-Aktivierung, Traktionskontrolle oder Reifenwahl: All das erledigt der Fahrer nun per Knopfdruck aus dem Cockpit heraus, direkt am Lenkrad. Wir sehen einen McLaren MP4-19 von 2004.
Der Übersichtlichkeit halber färben die Teams die Knöpfe unterschiedlich ein, damit sich der Fahrer auf der Strecke leichter tut. Alles muss gut einstudiert sein, damit die Handgriffe ganz natürlich erfolgen können, wie hier beim Toro Rosso STR01 von 2006.
2007, so scheint es, dient das Toyota-Lenkrad im TF107 hauptsächlich dazu, die vielen Einstellmöglichkeiten parat zu halten. Und natürlich: Gelenkt wird damit auch noch, quasi nebenbei.
Das Lenkrad im Haas VF-16 von 2016 erinnert mit seiner unten offenen Form fast schon an ein Gamepad. "Spielereien" gibt es tatsächlich, zum Beispiel den verstellbaren Heckflügel (DRS). Gut zu erkennen ist hier das große Einheitsdisplay zentral im Lenkrad. Denn ein Armaturenbrett hat die Formel 1 schon lange nicht mehr ...
Der Ist-Zustand anhand des Alfa-Romeo-Lenkrads für die Saison 2020. Mit Funktionen, von denen die Grand-Prix-Helden der 1950er-Jahre nur träumen konnten ...
Über die aktuelle Situation in der Corona-Krise hinaus sieht Vergne den E-Sport zudem als niederschwelligen Einstieg in den Rennsport von wichtiger Bedeutung. "Motorsport ist ein komplizierter Sport. Es ist nicht so, dass man sich nur ein paar Schuhe und einen Ball kaufen muss und dann loslegen kann", zieht Vergne einen Vergleich zum Fußball.
"Man muss viel investieren, braucht eine Menge Geld, und das hat nicht jeder", so der Franzose. "Dank das E-Sports kann aber jeder, der einen Computer hat, gegen die besten Formel-1-Fahrer antreten. Das ist das Schöne daran."
Weitere Co-Autoren: James Allen. Mit Bildmaterial von Veloce Racing.