Formel-1-Technik: Die Evolution der Bremsbelüftung 2003-2021
Die rasante Entwicklung in der Formel 1 zeigt sich oft in Details - Ein Blick auf die Entwicklung der Bremsen seit der Jahrtausendwende
Formel-1-Technik mit Giorgio Piola
Giorgio Piola analysiert und erklärt die Technik in der Formel 1!
Aerodynamik ist König in der Formel 1. Nahezu alle Komponenten eines Grand-Prix-Rennwagens müssen heutzutage aerodynamischen Gesichtspunkten angepasst werden. Nur so lässt sich das letzte bisschen Performance aus den Boliden kitzeln, wenn es um Sekundenbruchteile geht.
Die Bremskühlung konnte sich dieser Entwicklung nicht entziehen. Die Schächte sind ständiger Teil von Überlegungen der Ingenieure, wie die Effizienz der Bremsen und Reifen gesteigert werden kann. Gleichzeitig sind sie zentraler Bestandteil der aerodynamischen Philosophie eines Autos.
Es ist ein offenes Geheimnis, dass ein ungeordneter Luftstrom am Heck des Fahrzeugs für Chaos sorgen kann. Daher nutzen die Teams die Belüftungen als aerodynamisches Hilfsmittel. Das Ergebnis sind die heutigen "Trommeln" (natürlich nicht zu verwechseln mit antiquierten Trommelbremsen), in denen die gesamte Bremsanlage eingehaust ist.
Die Trommel, beziehungsweise "Cake Tin" (Keksdose), wie sie in der Fachsprache auch gerne genannt wird, geht auf die frühen 2000er-Jahre zurück. Die ganze Anlage wurde in ein kontrolliertes System gebracht, das nicht mehr unkontrolliert mit dem Luftstrom des restlichen Fahrzeugs interagiert. Gleichzeitig konnten so auch Turbulenzen von der Felge geglättet werden.
Die Designs sind vielfältig und jedes Team verfolgt seine eigenen Ziele hinsichtlich Temperatur und aerodynamischer Effizienz. Nachdem die gesamte Bremsanlage in eine kontrollierte Umgebung gebracht werden konnte, machten sich die Designer Fortschritte bei den Bremszulieferern zunutze.
Loch-Inflation auf der Bremsscheibe
Darunter fallen insbesondere gelochte Carbon-Bremsscheiben. Außerdem wurden leichtgewichtige Bremssättel über die Jahre flächendeckend eingeführt. Teams und Zulieferer arbeiteten eng zusammen, um gemeinsam mehr Performance zu finden.
Über einen Zeitraum von zehn Jahren wuchs die Anzahl der Löcher von 100 auf über 1.200. Mittlerweile sind es mehr als 1.500. Die Löcher helfen dabei, die enorme Hitze von bis zu 1.000 Grad Celsius beim Bremsen abzuleiten.
Sie befinden sich nicht auf dem Reibbereich wie bei manchen Nachrüst-Kits für Serienautos, sondern auf der schmalen Außenseite (siehe Bild). Weitere Löcher befinden sich auf der Innenseite, wo die Bremsscheibe mit der Radnabe interagiert. Auch an diesem Bereich haben die Teams hart gearbeitet, um Performance zu finden.
Mercedes ist allerdings noch einen Schritt weiter gegangen und hat eine Reihe von rautenförmigen Luftauslässen in die konische Form des Bremssattels eingelassen. Damit sollen Kühlung und aerodynamische Effizienz des Bremskanals verbessert werden.
Bremssättel richtig anströmen
Die Bremssättel selbst wiegen rund zwei Kilogramm. Sie sind damit deutlich leichter als ihre Pendants für Straßenfahrzeuge.
Brembo F1 brake caliper detail
Photo by: Brembo
Aber auch in Bezug auf die direkte Kühlung wurden die Bremssättel auf Formel-1-Niveau getrimmt. So gibt es spezielle Kühlfenster im Gehäuse. Diese Fenster nehmen den am Einlass einströmenden Luftstrom auf und leiten ihn über die installierten Kanäle direkt an den Bremssattel weiter.
Die Position des Bremssattels ist immer noch eine Entscheidung, die jedes Team selber trifft. Red Bull hat seine Bremssättel in der 4-5-Uhr-Position untergebracht, während Mercedes die aufrechtere 3-Uhr-Position bevorzugt. Das hat natürlich Auswirkungen auf den Weg, den die Kühlkanäle nehmen müssen.
Ebenfalls zu erkennen ist, dass beide ein Bypass-Rohr am oberen Ende der Baugruppe aufweisen, das zur Kühlung der Bremsen überhaupt nichts beiträgt. Stattdessen bietet es einen Weg für einen Teil des einfließenden Luftstroms. Damit werden die Turbulenzen beeinflusst, die beim Drehen von Felge und Reifen entstehen.
Dies wird auch durch die anderen Luftströmungsstrukturen unterstützt, die am Rad zu erkennen sind. Dazu gehört etwa der Crossover-Kanal, der in die Vorderseite der Trommel eingearbeitet. Er öffnet den Raum zwischen Trommel und Felge, um den Luftstrom zu beeinflussen.
Wenngleich beide Teams über diese Kanäle verfügen, ist klar erkennbar, dass sie aufgrund der Platzierung ihrer Bremssättel und der Notwendigkeit, sich mit den anderen Strömungen zu arrangieren, unterschiedliche Designprofile haben.
Red Bull beschichtet die Bremssättel zudem mit einer reflektierenden Oberfläche. Dadurch wird von den Bremsen kommend weniger Hitze übertragen.
Unterschiedliche Konzepte bei der vorderen Öffnung
Wie sich erkennen lässt, ist das Fenster auf der Oberseite der Trommel des RB16B im oberen Bild geöffnet. Das zeigt die verschiedenen Optionen, die den Teams je nach Rennstrecke und dem erforderlichen Grad der Hitzeabfuhr zur Verfügung stehen.
Abgesehen davon verfolgen Mercedes und Red Bull einen anderen Denkansatz, wenn es darum geht, den Luftstrom zu bündeln. Red Bull begann die Saison mit einem breiteren, ohrförmigen Einlass, der kürzlich abgerundet wurde.
Mercedes hingegen setzt auf einen länglichen Einlass, der im Vergleich zum 2020er-Auto umgedreht wurde. Er hat einen kleineren zusätzlichen Einlass, der zwischen den Winglets versteckt ist und in der unteren Hälfte des Bremskanalgitters angebracht ist.
Der Gesamtquerschnitt ist wahrscheinlich sehr ähnlich, aber bei Mercedes ist noch erwähnenswert, dass ein Teil des Luftstroms auch im Zwischenraum zwischen Endgitter und Reifenflanke aufgefangen wird.
Die Animation weiter unten zeigt, wie Ferrari mehrere Luftströmungskanäle geschaffen hat, indem die Elemente der Bremstrommel übereinandergestapelt wurden.
Der erste Crossover-Kanal absorbiert zweifellos einen Teil der von den Bremsen abgestrahlten Hitze und filtert sie über das Rad nach außen. Der zweite Teil des Trommelkörpers weist einen offenen Kanal auf, der den Luftstrom zur Felge leitet, wenn sich diese um die Baugruppe dreht.
Der Luftstrom wird an der Außenseite der Trommel von einer Schlaufe aufgefangen. Diese leitet den Luftstrom durch das Rad nach außen, während die Strömungsstrukturen die Turbulenzen reduzieren, die von Felge und Reifen erzeugt werden.
Zusätzlicher Übersetzer: Mario Fritzsche
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