Lewis Hamilton: Veto gegen Teamkollege Russell "nicht mein Stil"
Lewis Hamilton erklärt, warum er kein Veto gegen George Russell als Teamkollege eingelegt und kein Bedürfnis nach einem großen Vieraugengespräch hat
Lewis Hamilton hat offenbar nicht einmal darüber nachgedacht, seine starke Position im Mercedes-Team dazu zu nutzen, ein Veto gegen seinen zukünftigen Teamkollegen George Russell einzulegen: "Das ist nicht mein Stil", stellt der siebenmalige Weltmeister klar, von 'Motorsport.com' vor dem Grand Prix von Italien in Monza (Formel 1 2021 im Liveticker!) konkret darauf angesprochen.
Als er Anfang 2013 von McLaren zu Mercedes kam, habe er dem damaligen Teamchef Ross Brawn nur gesagt, "dass ich Chancengleichheit möchte. Das ist die lohnendste Situation, in der man sein kann. Den wenn du hart arbeitest und Erfolg hast, dann weißt du, dass du dich gegen die Besten durchgesetzt hast. Gegen jemanden zu gewinnen, der mit stumpfen Waffen kämpft, hat mich noch nie interessiert."
Vor Bekanntgabe des Russell-Wechsels zu Mercedes hatten Experten wie Alexander Wurz Hamilton unterstellt, dass ihm Valtteri Bottas als Teamkollege mutmaßlich lieber gewesen wäre. Bottas, das weiß man nach fünf Jahren, hat Hamilton gut im Griff. Russell hingegen ist eine unbekannte Größe und könnte das Image des nahezu unschlagbaren Serienweltmeisters nachhaltig beschädigen, sollte der Youngster das Stallduell gewinnen.
Aber Hamilton betont, dass er auf die Wahl des zweiten Fahrers "keinen großen Einfluss" hatte: "Toto und ich reden natürlich. Wir sind auch irgendwie Teamkollegen, und wir reden über alles. Wir überlegen uns als Team, wie wir vorankommen können. Er hat mich gefragt, was ich von George halte. Ich habe positives Feedback gegeben. Er hat mich aber auch nach Valtteri gefragt, und da habe ich das Gleiche gesagt. Letztendlich entscheiden aber Toto und der Vorstand."
Hamilton: Wird "ganz schön heiß" mit Russell
"Ich habe George in der Formel 3 und der Formel 2 beobachtet, und natürlich habe ich mir viele seiner Rennen angeschaut. Welche Manöver er so macht. Es besteht kein Zweifel daran, dass er unglaublich talentiert ist. Ich habe mich aber nicht im Detail damit beschäftigt, welche Schwächen er hat. Da habe ich keine Energie investiert. Ich weiß nur, dass er in Zukunft noch stärker wird und es nächstes Jahr ganz schön heiß wird mit ihm", sagt Hamilton.
"Ob er schneller ist als Valtteri, kann ich nicht sagen. Ich bin ja noch nie gegen ihn gefahren", ergänzt der siebenmalige Weltmeister und unterstreicht: "Frisches Blut ist großartig für das Team. Ich bin jetzt hier der Oldie. Wenn das Team weiß, dass da jetzt ein neuer Youngster reinkommt, dann kann das für unsere Energie nur gut sein. George ist sehr hungrig und ehrgeizig, und das wird das Team vorantreiben."
Zwei Teamkollegen, die nahezu auf Augenhöhe fahren, hatte Mercedes schon einmal, mit Hamilton und Nico Rosberg. Besonders in der Saison 2016, als Rosberg Weltmeister wurde, nahmen die teaminternen Spannungen jedoch immer weiter zu. Eine Situation, die sich in der Form mit Bottas nicht wiederholt hat - die sich aber mit Russell, der Hamilton unbedingt schlagen möchte, wiederholen könnte, glauben viele im Formel-1-Paddock.
Geht das überhaupt, zwei schnelle Fahrer im Team ohne jede Polemik zu managen? "Die Geschichte hat gezeigt, dass es möglich ist", sagt Hamilton. "Die Geschichte hat aber auch bewiesen, dass es nicht immer geht. Es ist in jeder Konstellation ein bisschen anders." Nachsatz: "Letztendlich kommt es drauf an, wie die Situation gemanagt wird." Und diesbezüglich hat er in das Teammanagement bei Mercedes offenbar großes Vertrauen.
Kein großes Vieraugengespräch geplant
Denn ein ausführliches Vieraugengespräch mit Russell, vielleicht sogar ohne Wolffs Beisein, um einander kennenzulernen und zu besprechen, wie man miteinander umgeht, wenn's vielleicht auch mal Meinungsverschiedenheiten gibt, so eins plant Hamilton nicht: "Hatte ich noch nie mit einem Teamkollegen. Ich habe George nur eine Nachricht geschickt, um ihm zu gratulieren. Und irgendwann werden wir uns natürlich auch treffen."
So ein großes Vieraugengespräch sei aber "noch nie der Plan" gewesen: "George kommt ins Team, um zu lernen. Aber er kann hier eigentlich nur gewinnen. Es gibt keinen negativen Faktor für ihn. Für ihn ist dieser Veränderung nur ein Plus", betont Hamilton und weist so ganz subtil darauf hin, dass er selbst derjenige ist, der als siebenmaliger Weltmeister etwas zu verlieren hat und sich trotzdem der Herausforderung stellt.
Spannend an der neuen Konstellation: Hamilton war früher eins von Russells großen Kindheitsidolen. "Es ist schon irgendwie surreal, nächstes Jahr sein Teamkollege zu sein", sagt Russell und spielt auf die Kindheitsfotos im Internet an, die ihn mit dem damals noch jungen McLaren-Fahrer Hamilton zeigen: "Da dachte ich, dass ich einmal so wie er sein möchte, dass ich auch Formel-1-Fahrer sein und Weltmeisterschaften gewinnen möchte."
2009 auf der Kartbahn: George Russell holt sich ein Autogramm von Lewis Hamilton
Foto: Privat
Hamilton hat dieser Tage auf Instagram selbst eines dieser Fotos gepostet. "Damals war ich noch jung, fast so wie George heute", lacht er über den Schnappschuss, der laut Russell im Jahr 2009 entstanden ist. Da war Russell elf und Hamilton 24 Jahre alt - aber schon zum ersten Mal Formel-1-Weltmeister. "Ich hatte es gerade in die Formel 1 geschafft, und George hat davon geträumt, das auch eines Tages zu schaffen."
Russell schwärmt heute noch, wenn er davon erzählt: "Es war so, als würde ich einen Superhelden treffen! Wenn du in dem Alter bist, noch dazu ein Rennfahrer, und wenn du dann einen Formel-1-Fahrer persönlich triffst, dann glaubst du ja nicht, dass die auch nur Menschen sind. Das war wirklich ein besonderer Moment für mich. Ich erinnere mich jetzt noch daran, als wäre es gestern gewesen. Ist schon verrückt, wie die Zeit vergangen ist", sagt er.
Mit Bildmaterial von Motorsport Images.
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