Neben dem souveränen Einstand seines Bruders Pol Espargaro im Honda-Werksteam war Aprilia-Pilot Aleix Espargaro einer der herausragenden Fahrer beim MotoGP-Test in Katar in Vorbereitung auf die anstehende Rennsaison 2021.
Mit der in nahezu allen Bereichen grundlegend überarbeiteten Aprilia RS-GP war Aleix Espargaro an allen Testtagen auf dem Losail International Circuit in der Spitzengruppe zu finden. Im Gesamtergebnis hat er mit einer halben Sekunde Rückstand auf die Bestzeit von Ducati-Werkspilot Jack Miller auf P6 abgeschlossen.
"Die RS-GP, Jahrgang 2021, ist besser geworden", bestätigt Espargaro und hält zufrieden fest: "Wir waren konstant vorne dabei, obwohl das Level in dieser Meisterschaft extrem hoch ist. Schade nur, dass wir am letzten Tag nicht fahren konnten und dass ich tags zuvor während einer Rennsimulation gestürzt bin. Abgesehen davon aber bin ich zufrieden. Die Tests waren die Bestätigung für die gute Arbeit, die im Winter erledigt wurde."
Was die Technik der Aprilia RS-GP angeht, so wurde neben Motor und Aerodynamik unter anderem auch die bereits seit einiger Zeit eingesetzte Carbon-Schwinge verbessert. "Eine Carbon-Schwinge bedeutet eigentlich weniger Gewicht", zieht Espargaro den theoretischen Vergleich zu einer herkömmlichen Alu-Schwinge.
Bei Aprilia aber war das zu Beginn dieses Projekts nicht so. "Bis wir mal die richtige Steifigkeit der Schwinge gefunden hatten, war sie vom Gewicht her nicht sonderlich gut", offenbart der Spanier, der vor seiner fünften Aprilia-Saison steht und das Projekt Carbon-Schwinge daher schon länger kennt.
Die Motorentwicklung ist zwar eingefroren, aber die MotoGP-Ingenieure arbeiten in den Bereichen Chassis, Schwinge und Aerodynamik auf Hochtouren. Wir blicken auf die technischen Details beim Test in Katar.
Aprilia hat die RS-GP komplett überarbeitet. Neues Chassis, neue Schwinge, verschiedene Verkleidungen und auch beim V4-Motor sind die Zylinderköpfe neu. Die Auspuffführung ist auch anders.
Bezüglich Aerodynamik gibt es einerseits die Version mit dem großen "Frontflügel" für mehr Anpressdruck und eine kleinere für weniger Anpressdruck und mehr Topspeed. In Erinnerung an den verstorbenen Fausto Gresini ist dort nicht mehr Aprilia zu lesen, sondern Fausto.
Die Hinterradschwinge aus Carbon ist genauso neu wie das Alu-Chassis. Aleix Espargaro konnte an allen Testtagen mit Topzeiten beeindrucken.
Ähnlich wie Yamaha verwendet Aprilia einen kurzen, seitlichen Auspuff von Akrapovic.
Die "Salatbox" der RS-GP ist von der Ducati Desmosedici kopiert.
Ducati hat Vergleichstests mit der bisherigen Seitenverkleidung und einer neuen durchgeführt. Bei der neuen Variante sind vor allem die Elemente unten hinter dem Vorderrad neu.
Diese unten angebrachten Elemente (links und rechts) fangen die Luft auf und ...
... leiten sie nach hinten Richtung Boden ab. Ducati widmet sich beim Bereich der Aerodynamik nun der Schräglage und eröffnet damit ein komplett neues Forschungsfeld.
"Die neue Verkleidung hilft uns nicht auf der Geraden, sondern am Kurveneingang", verrät Francesco Bagnaia. "Das Motorrad verhält sich am Kurveneingang etwas einfacher." Abzuwarten bleibt, ob das auch in langsameren Kurven wie in Jerez ein Vorteil ist.
Außerdem ist die "Salatbox" hinter dem Sitz im Heck wieder größer geworden. Es wird vermutet, dass sich darin ein Massedämpfer befindet, um die Neigung zu Chattering zu verringern. Aprilia hat diese Box bei der neuen RS-GP kopiert.
Honda arbeitet an der Aerodynamik und schickte Stefan Bradl und Takaaki Nakagami mit neuen Winglets auf die Strecke. Beide sind mit der neuen Verkleidung allerdings gestürzt.
Zum Vergleich Alex Marquez mit einer anderen Variante.
Honda konzentriert sich stark auf das Chassis. Eine neue Version wurde aber wieder weggepackt. Hauptsächlich wird jenes Aluminium-Chassis mit Carbon-Verstärkungen (oben auf dem Foto zu sehen) verwendet, das Bradl schon im Vorjahr gefahren ist.
KTM experimentiert auch mit der Aerodynamik und unterschiedlich großen Winglets. Neuzugang Danilo Petrucci ist der größte Fahrer und hat deshalb auch ein eigenes Windschild erhalten.
Speziell Testfahrer Dani Pedrosa soll Detailentwicklungen für die Zukunft getestet haben, wobei optisch kaum Unterschiede zu den Einsatzmotorrädern der anderen Fahrer zu erkennen sind.
Die Suzuki GSX-RR hat sich optisch kaum verändert. Joan Mir und Alex Rins testeten ein neues Chassis und eine neue Aluminium-Schwinge. Außerdem war der Motor für 2022 zum ersten Mal auf der Strecke im Einsatz.
Der charakteristische Doppelauspuff von Akrapovic ist weiterhin ein Markenzeichen der GSX-RR
Yamaha hat ein umfangreiches Entwicklungsprogramm angeworfen. Auffällig ist ein Ausschnitt auf der Oberseite des Kotflügels. Durch diese Öffnung ist die Oberseite des Vorderreifens zu sehen. Die Winglets sind auch etwas anders geformt.
Auch die Verkleidung des Dämpfers (mit dem Michelin-Aufkleber) ist deutlich breiter geworden.
Yamaha experimentiert auch mit einer Abdeckung der Vorderbremse. Ducati verwendet so eine Platte bei der unteren Hälfte des Vorderreifens. Yamaha ist aber nicht oft mit diesem Teil gefahren.
Yamaha hat auch das Chassis überarbeitet. Das Gefühl ist zwar nicht so wie mit der 2019er-Version, aber laut Rossi, Vinales und Quartararo ist das Turning etwas besser als im Vorjahr.
Yamaha hat außerdem eine neue Hinterradschwinge aus Carbon ausprobiert. In den vergangenen beiden Jahren wurden schon Carbon-Versionen getestet, aber immer wieder verworfen. Diese neue Schwinge soll in Katar gut funktioniert haben.
Holeshot-Vorrichtungen: Ducati, Honda, Aprilia und KTM können jetzt Heck UND Vordergabel für den Start zusammenpressen. Suzuki und Yamaha können nur den hinteren Dämpfer stauchen. Ducati zeigte beim Test die konstant besten Startübungen.
Brembo hat eine neue Carbon-Bremsscheibe mit Schlitzen entwickelt. Die Bremswirkung und die Hitzebeständigkeit will man damit verbessern. Diese Scheibe ist für Strecken mit vielen harten Bremspunkten gedacht (Spielberg, Motegi, Buriram).
Zum Abschluss darf natürlich nicht das Yamaha Retro-Design für Testfahrer Cal Crutchlow fehlen. Mit diesen Farben will Yamaha das 60-jährige Jubiläum im Grand-Prix-Sport feiern.
Mit Blick auf die ersten beiden Rennen der Saison 2021, die am 28. März (Grand Prix von Katar) und am 4. April (Grand Prix von Doha) beide auf dem Losail International Circuit stattfinden, ist Espargaro bemüht, den Ball flach zu halten, so gut es geht.
"Wir konnten bei den Testfahrten nicht alles abhaken, was wir uns vorgenommen hatten. Es ist aber ohnehin so, dass wir erst im Rennen verstehen werden, wo wir wirklich angesiedelt sind." Als Ziel für die ersten Rennen gibt der Aprilia-Routinier aus: "Im Wissen, dass wir endlich in der Spitzengruppe mitkämpfen können, müssen wir mit den Füßen auf dem Boden bleiben."
Für Espargaros neuen Teamkollegen Lorenzo Savadori gilt das Mitkämpfen in der Spitzengruppe wohl noch nicht. Der Italiener, der anlässlich der Teampräsentation am 4. März den Vorzug gegenüber Bradley Smith erhalten hat und auf der zweiten RS-GP für die komplette Saison 2021 gesetzt ist, tat sich beim Katar-Test noch ein bisschen schwer.
Einerseits war Savadori aufgrund einer Schulterverletzung nicht hundertprozentig fit. Dies machte sich vor allem auf Longruns bemerkbar. Andererseits fehlt ihm einfach noch Erfahrung, sowohl auf einem MotoGP-Bike generell als auch auf der 2021er-Version der RS-GP im Speziellen. Im Gesamtergebnis des Katar-Tests schloss Savadori mit knapp 2,5 Sekunden Rückstand auf P24 ab. Damit war er der langsamste aller 22 Stammfahrer.
Lorenzo Savadori tat sich beim Katar-Test als neuer Stammfahrer noch schwer
Foto: Motorsport Images
Mit Bildmaterial von Motorsport Images.